Flexibilisierung, Erreichbarkeit und Entgrenzung in der Arbeitswelt - Entwicklung eines betrieblichen Handlungskonzeptes zur Prävention psychischer Fehlbeanspruchungen und Stärkung psychischer Gesundheit (FlexA)
Unter dem Begriff „Arbeiten 4.0“ werden neue, vernetze, digitale und flexible Arbeitsformen und -Verhältnisse diskutiert. Flexibilität als wesentlicher Wettbewerbsfaktor für Unternehmen erlaubt auch Beschäftigen in vielen Bereichen das Arbeiten „anytime, anywhere“ - mit einer Reihe positiver, aber auch negativer Folgen. Dieses vom Bayerischen Landesamt für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit (LGL) geförderte und mitgestaltete Projekt hat das Ziel, Chancen und Risiken der Nutzung von Informations- und Kommunikationstechnologien zu identifizieren und praxisorientierte Maßnahmen zum Umgang mit flexibleren Arbeitsformen in KMU zu entwickeln.
Hintergrund
Unter dem Druck der zunehmenden Globalisierung und Marktorientierung wird „Flexibilität“ in vielen Unternehmen zu einem zentralen Thema. Moderne Kommunikationstechnologien und ein höheres Maß an Mobilität ermöglichen neue, flexiblere Formen der Arbeitsorganisation. In vielen Bereichen können Beschäftigte prinzipiell zu jeder Zeit und von jedem Ort aus arbeiten. Auf Anforderungen, dienstliche, aber auch private, kann schnell und individuell reagiert werden – mit möglichen positiven, aber auch negativen Effekten für Unternehmen (z.B. verstärkte Kundenorientierung vs. reduzierte Unternehmensbindung) und Beschäftigte (z.B. bessere Vereinbarkeit von Familie und Beruf vs. Selbstüberforderung).
Ziele des Vorhabens sind:
- Analyse der Situation speziell in kleinen und mittleren Unternehmen (KMU) in Bayern: Werden die Chancen genutzt? Treten Fehlbelastungen der Beschäftigten auf?
- Entwicklung eines Fragebogen-Instruments, das dazu beiträgt, Handlungsbedarf frühzeitig zu erkennen.
- Etablierung praktikabler Maßnahmen zur Vermeidung von Fehlbeanspruchungen, die explizit an den Möglichkeiten von kleinen und mittleren Unternehmen ausgerichtet sind.
- Gezielte Nutzung und Erweiterung des Fachwissens zu flexiblen Formen der Arbeitsorganisation in den Unternehmen durch Aufbau eines Netzwerks und eines webbasierten Forums.
Methoden und Studienablauf:
- Systematische Literaturrecherche zu Häufigkeit und Auswirkungen zeitlich-räumlicher Flexibilität in der Arbeitswelt und daraus resultierender überlanger Arbeitszeiten, Arbeit auf Abruf sowie Auswirkungen auf das Wohlbefinden, die Vereinbarkeit von Berufs- und Privatleben und gesundheitliche Aspekte
- Aufbau eines Netzwerks aus den Projektpartnern und betrieblichen Akteuren
- Entwicklung eines (Online-)Fragebogens in Zusammenarbeit mit den Netzwerkakteuren
- Durchführung der (Online-)Befragung in 5 bis 10 kleinen und mittleren Unternehmen unterschiedlicher Branchen und unterschiedlicher Struktur in Bayern
- Entwicklung ressourcenorientierter verhältnis- und verhaltenspräventiver Handlungskonzepte auf Basis der Befragungsergebnisse in Workshops mit den Netzwerkakteuren und Implementierung der Maßnahmen in ausgewählten, interessierten Unternehmen
- Durchführung einer (Online-)Zweitbefragung zur Überprüfung der Interventionswirkung
- Entwicklung eines allgemeinen, betrieblichen Organisationsleitfadens für KMU zur Prävention psychischer Fehlbelastungen wie permanente Erreichbarkeit, überlange Arbeitszeiten, Arbeit auf Abruf mit der möglichen Folge eingeschränkter Erholungsfähigkeit und gesundheitlicher Beschwerden
- Aufbau eines webbasierten Forums zur Information betrieblicher Akteure und der interessierten Öffentlichkeit mit der Möglichkeit des Selbstchecks für Unternehmen und Mitarbeiter
Partner
- Institut für Psychologie, Universität Innsbruck
- Bayerisches Landesamt für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit
- IHK für München und Oberbayern
Publikationen
- Weilnhammer, Heinze, Heiden et al. (2019) Erstellung eines Handlungsleitfadens für einen gesundheitsförderlichen Umgang mit Informations- und Kommunikationstechnologien, Flexibilisierung und Erreichbarkeit in kleinen und mittleren Unternehmen. Das Gesundheitswesen 81(2):113-119
- Palm, Glaser, Heiden et al. (2016) Zusammenspiel von organisationalen Normen, individuellen Präferenzen und arbeitsbezogenem Entgrenzungsverhalten mit Konflikten zwischen Arbeits- und Privatleben. Wirtschaftspsychologie 18(2):44-54
- Herr, Kolb, Weilnhammer et al. (2016) Abschlussbericht: Flexibilisierung, Erreichbarkeit und Entgrenzung in der Arbeitswelt – Entwicklung eines betrieblichen Handlungskonzeptes zur Prävention psychischer Fehlbeanspruchungen und Stärkung psychischer Gesundheit. München: Bayerisches Landesamt für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit. Online unter: https://www.lgl.bayern.de/arbeitsschutz/arbeitsmedizin/flexa.htm
- Jaeger, Kolb, Palm et al. (2015) Work-related connectivity and ICT-use outside of regular working hours: associations with life satisfaction, well-being and quality of life. Umweltmedizin – Hygiene – Arbeitsmedizin 20(5):231–240
- Heiden, Kolb, Palm et al. (2015) Update FlexA – Flexibilisierung, Erreichbarkeit und Entgrenzung in der Arbeitswelt. Umweltmedizin – Hygiene – Arbeitsmedizin 20(4):198
- Heiden, Herbig, Palm et al. (2015) Untersuchung des Zusammenhangs zeitlich und räumlich flexibel gestalteter Arbeitsformen mit der selbstwahrgenommenen Arbeitsfähigkeit. Die Rolle individueller und kontextualer Einflussfaktoren. In S. Hildenbrand & M. A. Rieger (Hrsg)., Dokumentation der 55. Wissenschaftliche Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Arbeitsmedizin und Umweltmedizin e.V. (DGAUM) (S. 460-463). Aachen: Geschäftsstelle der Deutschen Gesellschaft für Arbeitsmedizin und Umweltmedizin e.V.
- Palm, Hornung, Heiden et al. (2015). Entgrenzung von Arbeit: Zusammenhänge organisationaler Segmentierungsnormen mit Entgrenzungspräferenz und -verhalten, Irritation und Rollenkonflikt. In S. Hildenbrand & M. A. Rieger (Hrsg)., Dokumentation der 55. Wissenschaftliche Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Arbeitsmedizin und Umweltmedizin e.V. (DGAUM) (S. 464-467). Aachen: Geschäftsstelle der Deutschen Gesellschaft für Arbeitsmedizin und Umweltmedizin e.V.
- Kolb, Palm, Heiden et al. (2015) FlexA-Update: Flexibilisierung, Erreichbarkeit und Entgrenzung in der Arbeitswelt – Erste Ergebnisse nach Abschluss der Beschäftigten-Befragung und der Unternehmens-Workshops. Das Gesundheitswesen 77 – A136
- Mrass, Kolb, Palm et al. (2015) FlexA – Flexibilisierung, Erreichbarkeit und Entgrenzung in der Arbeitswelt: Ist die arbeitsbezogene Nutzung neuer Informations- und Kommunikations-technologien außerhalb der regulären Arbeitszeit assoziiert mit somatoformen Beschwerden, Schlafquantität/qualität und Gesundheitsverhalten? Das Gesundheitswesen 77 – A317
- Kolb, Palm, Heiden et al. (2014) Flexibilisierung, Erreichbarkeit und Entgrenzung in der Arbeitswelt: Entwicklung eines betrieblichen Konzepts zur Prävention psychischer Fehlbeanspruchungen und Stärkung psychischer Gesundheit (FlexA). Das Gesundheitswesen 76 - A87
Kontakt
Prof. Dr. Britta Herbig
80336 München