Klinikum aktuell 2/2024
SONDERAUSGABE KLINIKUM AKTUELL: 50 JAHRE CAMPUS GROßHADERN
Zum Jubiläum "50 Jahre Großhadern" ist eine Sonderausgabe des Klinikum aktuell erschienen. Hier finden Sie eine Auswahl der Artikel.
Die vollständige Sonderausgabe können Sie hier als PDF herunterladen.
SPEKTRUM
„GROßHADERN IST DIE VERBINDUNG VON KOMPETENZ UND EMPATHIE!“
Prof. Dr. Markus M. Lerch, Ärztlicher Direktor und Vorstandsvorsitzender des LMU Klinikums, und Prof. Dr. Thomas Gudermann, Dekan der Medizinischen Fakultät an der Ludwig-Maximilians-Universität, sprechen im Doppelinterview über die Bedeutung des Campus Großhadern für Klinikum und Fakultät. Gemessen an 550 Jahren LMU-Medizin muten 50 Jahre Großhadern relativ kurz an. Trotzdem war die Eröffnung eines zweiten Standorts am Rande der Stadt 1974 eine große Sache.
Prof. Thomas Gudermann
Prof. Markus M. Lerch
Prof. Lerch: Das Klinikum Großhadern war schlicht und einfach der Aufbruch in die Zukunft. Das war ein ganz wichtiger Schritt aus den 1950er Jahren. Kein einfaches Unterfangen übrigens, denn es gab durchaus Widerstände bei den Mitarbeitern in den Innenstadt-Kliniken, die nicht aus dem Zentrum wegziehen wollten. Auch die Politik verfolgte plötzlich das Projekt nicht mehr so eifrig. Aber es ist gelungen, am Stadtrand etwas Neues aufzubauen und die Verbindung ins Stadtzentrum zu erhalten. Und die Geschichte endet ja nicht nach 50 Jahren, sondern es geht weiter: Unter anderem mit dem Neuen Hauner, das am Campus Großhadern gerade gebaut wird und die modernste Kinderklinik Europas sein wird. Das Klinikum Großhadern war damals das größte Bauprojekt des Freistaates Bayern und der Neubau unseres Klinikums wird es auch wieder sein.
Prof. Gudermann: Großhadern war bei seiner Entstehung ein Aufbruch, aber ich freue mich auch heute jedes Mal, wenn ich auf den Campus komme, denn hier sieht man, wie Zukunft gebaut und gestaltet wird.
Prof. Gudermann: Der Standort Großhadern ist angesiedelt auf dem Hightech-Campus der LMU und eröffnet durch die Ansammlung von anderen Fakultäten und Einrichtungen ungeahnte Forschungsmöglichkeiten. Da gibt es die Fakultät für Pharmazie und Chemie, das Genzentrum, mit beiden arbeiten wir sehr eng zusammen. Dazu kommen das Max-Planck-Institut für Biochemie und natürlich das neue Biomedizinische Centrum München (BMC). Das ist einer der deutschlandweit größten Forschungsbauten der letzten Jahre – mit Laboren für derzeit etwa 60 Forschergruppen und insgesamt ca. 450 Mitarbeitern. In der Strategie der LMU, Wissenschaft und Klinik eng zu verzahnen, nimmt das BMC einen zentralen Platz ein. Insgesamt ist das in Großhadern/Martinsried eine Ansammlung von biomedizinischer Forschung und Translationsmöglichkeiten, die in Deutschland ihresgleichen sucht.
Prof. Gudermann: Das Klinikum ist ein wesentlicher Motor für jede Art von Translation, also die Überführung von neuen Forschungserkenntnissen aus dem Labor in die Anwendung in der Klinik. Das LMU Klinikum hat in den letzten Jahren sehr viele Patientendaten digital integriert, so dass sie jetzt mit den modernen, KI-basierten Analysemethoden untersucht werden können. Und das Klinikum ist natürlich von großer Bedeutung als Ausbildungsstätte der größten medizinischen Fakultät in Deutschland. Aber wir sind nicht nur groß, sondern auch erfolgreich: Der Forschungs-Output, gemessen an erfolgreicher Drittmitteleinwerbung, erreicht bei allen Statistiken der DFG Platz 1, und darauf sind wir sehr stolz.
Prof. Lerch: Auch wenn die brutalistische Architektur des Gebäudes abschreckend sein kann, nehmen zum Glück die meisten Menschen unser Klinikum anders wahr: als Verbindung von Kompetenz und Empathie. Es gibt fast nirgendwo einen höheren Grad an medizinischer Kompetenz als in Großhadern. Das liegt daran, dass wir eine so große Spezialisierung haben wie kaum ein anderes Klinikum in Europa. Der andere Pfeiler ist die Empathie: Dieses Großgebäude ist keine Mega-City, sondern besteht aus vielen kleinen Dörfern mit ganz hervorragend zusammengewachsenen Teams von Ärzten und Pflegenden, die einfach die Bedürfnisse der Patienten erkennen und sich darauf einlassen. In Laufweite sitzt immer der beste Experte für die seltenste Erkrankung. Die Interaktion zwischen den Kliniken und Abteilungen ist so groß, wie ich das noch nirgendwo erlebt habe.
Prof. Lerch: Ganz entscheidend die Medizin vorangebracht hat auf jeden Fall die Herzchirurgie. Da ist Bruno Reichart sicher eine herausragende Persönlichkeit, in Großhadern fand die erste Herz-Lungen-Transplantation in Deutschland statt, dazu die erste Verpflanzung von Herz, Lunge und Leber gleichzeitig. Ein Pionier war auch Hans-Jochem Kolb, der die erste Stammzelltransplantation in Deutschland durchführte. Und dann gehören zu den Meilensteinen auch Gert Riethmüller, der als erster die Krebstherapie mit spezifischen Antikörpern durchführte, und Christian Chaussy, der erstmals Nierensteine mit Stoßwellen von außen zertrümmerte.
Prof. Gudermann: Das ist die größte Sorge, des ganzen Vorstandes, dass das gelingt. Aber wir tun alles, was uns möglich ist!
Prof. Lerch: Unser Jahresempfang am 2. Mai steht ganz im Zeichen von 50 Jahre Großhadern. Für unsere Mitarbeitenden wird es am 11. Juli ein großes Sommerfest geben und für alle Menschen in München am 14. September einen Tag der offenen Tür, an dem wir viele Bereiche unseres Klinikums erlebbar machen. Wir freuen uns auf ganz viele Besucher.
MEDIZIN
ONKOLOGIE
PIONIERE DER KREBSMEDIZIN
Prof. Hans-Jochem Kolb: Knochenmarktransplantation
Er ist einer der Pioniere der Knochenmarktransplantation: Prof. Hans-Jochem Kolb, 80, führte 1975 die erste erfolgreiche Knochenmarktransplantation in Deutschland durch. Der Patient war damals ein neunjähriger Junge, der an Knochenmarkversagen litt. Diese schwere Erkrankung, eine Störung der Blutbildung im Knochenmark, führt ohne Behandlung zum sicheren Tod.
„Wir haben schon früh versucht, das kranke Knochenmark des Patienten zu zerstören und durch gesundes Mark von einem geeigneten Spender zu ersetzen“, erzählt Prof. Kolb. Bei der Suche nach einer besseren Lösung dieses Problems kam den Ärzten eine Besonderheit zugute, die das Knochenmark gegen über allen anderen Organen auszeichnet: Es wird vom Immunsystem des Empfängers nur anfangs als Fremdkörper bekämpft und schon wenige Monate nach der Übertragung toleriert.
Diese „Toleranz“ des Patienten gegenüber dem Spenderknochenmark nutzten Prof. Kolb und seine Arbeitsgruppe für einen neuen Ansatz der Leukämie-Behandlung: die adoptive Immuntherapie. Dabei werden eben jene T-Zellen des Spenders, die vor der Transplantation aus dem Knochenmark entfernt worden waren, dem mittlerweile „toleranten“ Patienten in einem zweiten Schritt wieder zugeführt, damit sie gezielt dessen restliche Leukämiezellen zerstören. „Wir haben als Erste gezeigt, dass man bei einem transplantierten Patienten, bei dem die Leukämie wiedergekommen ist, mit der Gabe von T-Zellen des Spenders diese Leukämie beseitigen kann – und zwar ohne Chemo oder Strahlentherapie“, betont Prof. Kolb.
Der gebürtige Pfälzer arbeitete als Postdoktorand beim späteren Nobelpreisträger Edward Donnall Thomas und bei Rainer Storb an der University of Washington in Seattle. 1982 habilitierte er sich mit der Arbeit „Experimentelle und klinische Knochenmarktransplantation“. 1983 übernahm er die Leitung des Bereiches für Knochenmarktransplantation am LMU Klinikum. Seit 1985 hatte Kolb eine C2-Professur (für Knochenmark- und Stammzelltransplantationen) an der Universität München, 1996 eine C3-Professur (für hämatologische Onkologie). Ein Meilenstein: Star-Tenor José Carreras, der selbst an Leukämie erkrankt war, finanziert mit den Erlösen seiner ersten Charity-Gala 1995 eine Knochenmarktransplantationsstation in Großhadern mit zwölf Betten, im Juni 1997 wird sie eröffnet.
2009 wurde Kolb emeritiert, übernahm aber noch beratende Tätigkeiten. Bis heute sieht er Patienten, die seinen Rat suchen, publiziert – und spielt in seiner Freizeit Saxophon und Klarinette. Auch Familie ist ihm wichtig: Zu seinen drei Kindern und sechs Enkeln hält er engen Kontakt.
Wie auch zu seinem ersten Transplantationspatienten: Der Junge von damals ist heute Feuerwehrmann in Memmingen und schreibt seinem Lebensretter regelmäßig.
Prof. Dr. Gert Riethmüller: Immuntherapie
Seine wissenschaftlichen Erkenntnisse legten den Grundstein für die Tumorbehandlung durch das Immunsystem: Prof. Dr. Gert Riethmüller (1934-2023) war ab 1977 bis zu seiner Emeritierung Direktor des Instituts für Immunologie am Campus Großhadern des LMU Klinikums. Ohne Riethmüllers Forschung wäre eine Antikörpertherapie bei Krebs, wie wir sie heute kennen und anwenden, nicht denkbar.
Gert Riethmüller wurde 1934 in Uder/Thüringen geboren. Nach Studium und Postdoktorandenzeit habilitierte er sich 1971 an der Universität in Tübingen. Wenig später wurde er dort Leiter der Abteilung Immunologie und experimentelle Chirurgie. 1977 folgte er dem Ruf auf den Lehrstuhl für Immunologie an der Ludwig-Maximilians-Universität in München. Die Liste seiner Auszeichnungen ist lang, dazu war er über 30 Jahre Mitglied des Forschungsbeirates der DFG, war Gutachter und Sprecher vieler Sonderforschungsbereiche.
Prof. Rolf Issels: Hyperthermie
Seine medizinische Karriere begann 1986: Am 10. Juli führte Prof. Rolf Issels im Klinikum Großhadern die weltweit erste regionale Hyperthermie mit systemischer Chemotherapie bei einer 36-jährigen Patientin mit ausgedehntem Beckensarkom ohne Komplikationen durch. Drei Jahre lang untersuchte der Mediziner die neue Therapie in einer Phase-II-Studie an 40 therapieresistenten Sarkompatienten und belegte ihre Wirksamkeit.
Hyperthermie steht für die lokale Temperaturerhöhung eines Tumors auf Temperaturen zwischen 40 - 44 Grad Celsius.
Rolf Issels hätte nach dem Studium in der Privatklinik seines Vaters eine Karriere in der ganzheitlichen Tumortherapie beginnen können, aber er entschied sich für eine umfassende Facharztausbildung in Innerer Medizin mit dem Schwerpunkt Medizinische Onkologie an der Ludwig-Maximilians-Universität.
Durch ein Stipendium der Deutschen Krebshilfe (1980–82) begann Issels als Harvard Research Fellow im Labor von Herman D. Suit, Direktor der Strahlentherapie am Massachusetts General Hospital in Boston, mit experimentellen Untersuchungen an Sarkomzellen und Hitzeschock – und hatte sein berufliches Lebensthema gefunden.
Nach seiner Rückkehr nach München wurde Issels Oberarzt an der Medizinischen Klinik III des LMU Klinikums. Dort eröffnete er 1986 mit finanzieller Unterstützung des Freistaats Bayern die erste Hyperthermie-Einheit. Die notwendigen personellen Mittel und die technische Ausstattung für dieses Projekt wurden von der Deutschen Krebshilfe und der Deutschen Forschungsgemeinschaft mit mehr als 2,5 Millionen Mark bewilligt. 1996 wurde er zum Professor, kurz darauf zum Leiter einer Klinischen Kooperationsgruppe des Helmholtz-Zentrums München ernannt. Im Jahr 2011 übernahm er die Leitung des neu gegründeten Sarkomzentrums (SarKUM) am LMU Klinikum.
2018 wurde Issels von Prof. Michael von Bergwelt, dem Leiter der Klinik für Innere Medizin III, zum Senior Consultant ernannt. Das Thema Hyperthermie beschäftigt den Mediziner auch nach seiner Emeritierung: „Wir starten gerade eine neue Studie zur Hyperthermie beim Pankreaskarzinom“, erzählt er. „Das ist eine der bösartigsten Tumorerkrankungen überhaupt, bis heute sind die Überlebensraten der Betroffenen schlecht.“ Es bleibt also weiter spannend mit der Hyperthermie.
"WIR MÜSSEN ALLE KRÄFTE BÜNDELN!“
Die beiden Münchner Universitätskliniken als enge Partner im Kampf gegen den Krebs: in der klinischen Versorgung, aber auch in der Grundlagenforschung, Lehre und Ausbildung.
Unter dem Dach des Comprehensive Cancer Center München, kurz CCC München, bündeln das LMU Klinikum und das Klinikum rechts der Isar der Technischen Universität (TUM) die Kompetenzen ihrer onkologischen Expertinnen und Experten, zudem ist das Tumorzentrum München (TZM) ins CCC München eingegliedert. Darüber hinaus arbeiten die beiden Häuser eng zusammen, um die Krebsforschung voranzutreiben. Die geschäftsführenden Direktoren des CCC München sind Prof. Hana Algül vom Klinikum rechts der Isar der TUM und Prof. Volker Heinemann vom LMU Klinikum. Dieses Jahr kann das CCC München auf zehn Jahre Zertifizierung zurückblicken – eine in vielerlei Hinsicht außergewöhnliche Dekade, wie Prof. Heinemann erklärt.
Prof. Heinemann: Im CCC München kommen diagnostische und therapeutische Methoden der modernen Onkologie zum Einsatz, die sich an den internationalen Standards orientieren und dem aktuellen Stand der Forschung entsprechen. Unsere Patientinnen und Patienten können sich also sicher sein, dass sie mit dem Maximum an onkologischem Wissen versorgt werden. Zugleich ist das CCC München gelebte Interdisziplinarität. Dafür stehen auch unsere interdisziplinären Tumorkonferenzen: Spezialisten aus unterschiedlichen Fachrichtungen bringen in Fallbesprechungen ihre Expertise ein, um das individuell bestmögliche Therapiekonzept festzulegen und zu begleiten. Von Vorteil ist auch die Möglichkeit, an einer klinischen Studie teilzunehmen. Dadurch erhalten die Teilnehmenden den frühen Zugang zu den neuesten Entwicklungen in der Onkologie, auch wenn diese noch nicht Bestandteil der Standardversorgung sind. Außerdem beantworten wir Zweitmeinungsanfragen. Betroffene mit der Diagnose „Krebs“ müssen oft schwierige Behandlungsentscheidungen treffen, eine ärztliche Zweitmeinung kann dabei hilfreich sein.
Prof. Heinemann: Tatsächlich zeichnet sich gerade die letzte Dekade durch enorme Fortschritte bei der Entwicklung neuer Krebstherapien aus, sodass vielen Erkrankten heute besser als noch vor wenigen Jahren geholfen werden kann. Auch wenn die Prognose nicht bei jeder Tumorform oder in jedem Erkrankungsstadium gleichermaßen günstig ist, so kann doch bei einer zunehmenden Zahl der Betroffenen mit einer dauerhaften Heilung gerechnet werden – und aus einigen früher tödlichen Krebsarten sind heute chronische Krankheiten geworden. Hinzu kommt, dass sich in vielen Fällen die Lebensqualität während der Behandlung verbessert hat. Ohne die großen Forschungsanstrengungen der Onkologischen Spitzenzentren wäre die se gute Entwicklung nicht denkbar gewesen.
TRANSPLANTATION
TRANSPLANTATIONSMEDIZIN AM KLINIKUM GROSSHADERN
Das Klinikum Großhadern hat auf dem Gebiet der Organtransplantation Medizingeschichte geschrieben. Zahlreiche Kliniken und Institute sowie Ärzte und Forschende waren – und sind – daran beteiligt
Bis die Transplantationsmedizin als anerkannte lebensrettende Therapie etabliert war, hat es immer wieder herbe Rückschläge gegeben. Erst mit den bahnbrechenden Erkenntnissen auf dem Gebiet der Immunologie gelang der Durchbruch. Denn sie führten zur Entwicklung von Medikamenten, mit denen die gefürchteten Abstoßungsreaktionen des Immunsystems auf körperfremdes Gewebe wirkungsvoll unterdrückt werden konnten. Einer der ersten, dem es gelang, die Abstoßungsreaktion von Organen durch ein spezielles Anti-Lymphozyten-Serum (ALS) zu unterdrücken, war der Immunologe Walter Brendel, der 1978 das Institut für Chirurgische Forschung am Klinikum Großhadern gründete – und das heute seinen Namen trägt.
Leben retten mit einem neuen Herzen
Die erste erfolgreiche Herztransplantationsserie in Deutschland begann 1981 am Klinikum Großhadern: Der damalige herzchirurgische Oberarzt Prof. Bruno Reichart transplantierte die ersten Spenderherzen – und im Februar 1983 nahm er als Erster in Deutschland an einem 28-jährigen Patienten eine Doppeltransplantation von Herz und Lungen vor.
Nachdem er 1994 als Nachfolger von Prof. Christiaan Barnard nach Kapstadt berufen worden war, kam Prof. Reichart 1990 als Ordinarius für Herzchirurgie zurück nach Großhadern. Er pflanzte 1992 als erster Mediziner in Deutschland einem jungen Mann ein vollimplantierbares Teilkunstherz ein – und 1997 fand unter seiner Federführung die erste Herz-Lungen-Leber-Transplantation in Deutschland statt.
Insgesamt sind seit 1981 mehr als 1.350 Herztransplantationen am Klinikum Großhadern durchgeführt worden – damit gehört die LMU zu den größten Herztransplantationszentren in Deutschland. Die Prognose nach einem solchen Eingriff ist inzwischen hervorragend: Vielen Empfängern geht es zehn Jahre nach der Übertragung eines Spenderherzens noch so gut, dass sie sich in ihrem Alltag nicht nennenswert beeinträchtigt fühlen.
Die Gruppe der Patientinnen und Patienten, die mehr als 30 Jahre mit einem transplantierten Herzen leben, wird immer größer und der weltweit am längsten überlebende Patient wurde vor inzwischen mehr als 41 Jahren am Klinikum Großhadern herztransplantiert.
Erstes Lebertransplantationsprogramm in Bayern
Ein weiterer Meilenstein in der Historie der Transplantationsmedizin am Klinikum Großhadern wurde im Juni 1985 gesetzt, als Prof. Heiko Denecke eine Lebertransplantation durchführte – die erste in Bayern.
„Zu dieser Zeit waren Leberverpflanzungen noch gewagte Eingriffe“, erinnert der chirurgische Leiter des Lebertransplantationsprogramms Prof. Markus Guba. Der Patient, der ohne die neue Leber keine Überlebenschance gehabt hätte, weil sie von einem großen inoperablen Tumor befallen war, lebte noch 27 Jahre lang.
Seit dieser Zeit gehört das LMU Klinikum zu den größten und anerkanntesten Lebertransplantationszentren in Deutschland: Bis jetzt haben mehr als 1.620 Patientinnen und Patienten eine neue Leber erhalten. „Heute sind wir nach Hannover das zweitgrößte Lebertransplantationszentrum in Deutschland“, so Prof. Guba.
Dank der interdisziplinären Ausrichtung und der erfolgreichen Zusammenarbeit mit der Nephrologie und Herzchirurgie wird darüber hinaus das gesamte Spektrum an kombinierten Transplantationen angeboten. Die Kooperation mit den pädiatrischen Hepatologen im Dr. von Haunerschen Kinderspital ermöglicht zudem, Neugeborene und Kleinkinder mit angeborenen Leberfunktionsstörungen einer Teilleber-Lebendspende zuzuführen.
Die Lungentransplantation: eine Erfolgsstory
1990 wurde am Klinikum Großhadern in einer Kooperation zwischen den Fächern Pneumologie, Thoraxchirurgie, Herzchirurgie und Anästhesiologie die Munich Lung Transplant Group (MLTG) gegründet – und noch im gleichen Jahr fanden am Klinikum die beiden ersten Lungentransplantationen statt.
Schon bald entwickelte sich das Lungentransplantationsprogramm zu einem der erfolgreichsten Programme für Lungentransplantation weltweit. Neben der großen Zahl der Lungentransplantationen – bisher wurden mehr als 1.350 Patientinnen und Patienten am Klinikum Großhadern transplantiert – sind auch die hohen Standards und die wissenschaftliche Begleitung von entscheidender Bedeutung.
„Diese erfolgreiche Entwicklung war nur möglich dank der vertrauensvollen und professionellen Zusammenarbeit mit den kooperierenden Fachdisziplinen, dem TxM der LMU sowie zahlreicher weiterer Kliniken und Institute, die wesentliche Beiträge zur Versorgung dieser oft komplexen Patienten leisten“, betont Prof. Jürgen Behr, Direktor der Medizinischen Klinik und Poliklinik V (Pneumologie) am Klinikum Großhadern.
Um in die Warteliste für eine Lungentransplantation aufgenommen zu werden, müssen bestimmte Kriterien erfüllt sein. Dazu gehört, dass keine unheilbare Krebserkrankung und keine chronische Infektion vorliegt. Und auch das Rauchen ist ein Ausschlusskriterium.
Innovationen bei der Nierentransplantation – und die erste Pankreastransplantation
Die Niere ist hierzulande das am häufigsten für eine Transplantation benötigte Organ. Einer der Pioniere im Bereich der Nierentransplantation in Deutschland war Prof. Walter Land, der 1975 die Leitung der Transplantationsmedizin an der Chirurgischen Klinik übernahm.
1977/78 förderte er die postmortale Organspende mit Gründung und Einführung des „Modells München“, einer Organisationsform, die zu einer deutlichen Zunahme verfügbarer Spenderorgane führte und in wenig abgeänderter Form später an allen deutschen Transplantationszentren etabliert wurde.
1979 führte Land die erste Pankreastransplantation in Deutschland durch und 1994 die erste Lebendnierentransplantation bei einem Ehepaar in Deutschland. Seitdem – und das bedeutet in den letzten 50 Jahren – wurden am Transplantationszentrum des LMU Klinikums über 5.100 Nierentransplantationen durchgeführt, davon mehr als 750 nach einer Nierenlebendspende.
Darüber hinaus erfolgten ca. 600 Pankreas- und kombinierte Nierenpankreastransplantationen. Von einer solchen Kombinationstransplantation profitieren z. B. Organempfänger, die sich aufgrund eines langjährigen Diabetes im Terminalstadium einer Niereninsuffizienz befinden und deshalb dialysepflichtig sind.
„Die Nierentransplantation hat sich heute – nicht zuletzt dank moderner Immunsuppressiva und intensiver Nachsorgeprogramme – zu einem erfolgreichen Routineverfahren entwickelt, das Patientinnen und Patienten mit einem terminalen Nierenversagen ein nahezu normales Leben ohne Einschränkungen ermöglicht.
Die Erfolgsaussichten haben sich in den letzten Jahren immer weiter verbessert, sodass eine transplantierte Niere derzeit im Durchschnitt 15 Jahre funktionsfähig ist“, erklärt der chirurgische Leiter der Nierentransplantation am Klinikum Großhadern PD Dr. Manfred Stangl.
Um auf die Warteliste für eine Spenderniere aufgenommen zu werden, muss ein endgültiges Nierenversagen vorliegen und die Patientin oder der Patient muss dialysepflichtig bzw. die Dialysepflicht absehbar sein
Ein gesundes Herz für kranke Kinder
Organfehlbildungen oder schwere Erkrankungen können auch bei Säuglingen und Kindern dazu führen, dass eine Transplantation notwendig ist. Besonders häufig: ein angeborener Herzfehler – vor 40 Jahren war dies sehr oft ein Todesurteil.
Deshalb stellte die 1992 etablierte Abteilung für Kinderkardiologie und pädiatrische Intensivmedizin die Weichen für die pädiatrische Herztransplantation: Federführend war Prof. Heinrich Netz, der als pädiatrischer Kardiologe jenem Team angehörte, das 1988 erstmals einem zwei Monate alten Säugling erfolgreich ein Spenderherz transplantierte, und der 1992 nach Großhadern kam.
Einige Jahre später gehörten Herztransplantationen ebenso wie kombinierte Organtransplantationen, etwa von Herz und Niere oder Herz und Leber, bei Kindern zum Behandlungsspektrum – entwickelt von den Ärzten des Klinikums.
„Die pädiatrische Intensivstation in Großhadern ist die einzige in Bayern – und eine von zwei in ganz Deutschland – mit einer Expertise für die perioperative Versorgung und Langzeitbetreuung von Kindern, denen ein Herz, eine Lunge, Leber oder Niere transplantiert wird, oder die mit entsprechenden Organersatzverfahren auf diese Organe warten“, erklärt der heutige Leiter der Abteilung Kinderkardiologie und Pädiatrische Intensivmedizin Prof. Nikolaus Haas.
2023 schlossen sich die Sektion für Chirurgie angeborener Herzfehler und Kinderherzchirurgie am Klinikum Großhadern und die Klinik für Chirurgie angeborener Herzfehler und Kinderherzchirurgie am Deutschen Herzzentrum München zum Europäischen Kinderherzzentrum (EKHZ) in München zusammen.
„Das EKHZ ist nun das größte deutsche Zentrum zur Behandlung angeborener Herzfehler, wo auch Implantation von Kunstherzen und Herztransplantation durchgeführt werden“, sagt der Herzchirurg und Direktor des EKHZ Prof. Jürgen Hörer.
Hochburg der Xenotransplantations-Forschung
Die LMU München ist eine internationale Hochburg der Xenotransplantations-Forschung: Hier arbeiten seit vielen Jahren Wissenschaftler und Mediziner daran, die Transplantation von Schweineorganen – und insbesondere von Schweineherzen – in den menschlichen Körper zu ermöglichen.
Der entscheidende Schritt gelang dem Team um den emeritierten Herzchirurgen Prof. Bruno Reichart, seinem Nachfolger als Direktor der Herzchirurgie, Prof. Christian Hagl, sowie Prof. Eckhard Wolf, Lehrstuhlinhaber für Molekulare Tierzucht und Biotechnologie der LMU München, 2018: Die Gruppe transplantierte gesunden Pavianen genetisch modifizierte Schweineherzen, ohne dass die Tiere daran verstarben. „Es ist beeindruckend zu verfolgen, wie gut die transplantierten Organe auch Monate später noch im Empfänger funktionieren“, sagt Prof. Hagl.
Inzwischen wurde eine weitere wichtige Etappe geschafft: Die Spenderherzen kommen nun von selbst gezüchteten, auf dem Gelände des LMU Labors der molekularen Tierzucht in München-Oberschleißheim geborenen Schweinen, die von den neuseeländischen Auckland-Island-Schweinen abstammen und deren Herzen genetisch verändert wurden.
Bündelung der Expertise im Transplantationszentrum München
2010 gehört zu den Schlüsseljahren der Transplantationsmedizin am Klinikum Großhadern. Denn in diesem Jahr wurde das erste interdisziplinär ausgerichtete, alle Organe umfassende Transplantationszentrum (TxM) in Deutschland am Campus Großhadern gegründet. „Mit dem neuen TxM konnte die schon immer gelebte interdisziplinäre Erforschung und Anwendung neuer Erkenntnisse auf dem Gebiet der Organtransplantation am Klinikum strukturell gebündelt und damit die Versorgung der Patienten weiter verbesset werden“, sagt der Leiter des TxM Prof. Bruno Meiser, der von 2005 bis 2020 Präsident und von 2020 bis 2022 Aufsichtsratsvorsitzender der Stiftung Eurotransplant war.
Unter dem Dach des TxM wurden die Ambulanzen zur Listung und präoperativen Betreuung von Erwachsenen und Kindern zusammengeführt. Darüber hinaus ist das Zentrum für die Nachsorge der transplantierten Patienten zuständig und bündelt die Kooperation mit den niedergelassenen Ärzten, den Dialysezentren, den Fachkliniken und den Einrichtungen der Rehabilitation. „Unsere Aufgabe ist es, Patienten mit terminalem Organversagen, die für eine Transplantation in Frage kommen, darauf vorzubereiten, bis zur Zuteilung eines Spenderorgans zu begleiten und nach erfolgreicher Operation lebenslang nachzubetreuen“, so Prof. Meiser.
Das Ziel, ein postmortal gespendetes Spenderorgan zu bekommen, ist zuletzt immer schwieriger geworden. Denn seit Jahren herrscht in Deutschland ein extremer Mangel an Spenderorganen. Deshalb suchen Transplantationsmediziner auf der ganzen Welt nach Lösungsansätzen, um die Kluft zwischen gespendeten und benötigten Spenderorganen zu überwinden. Einen Ausweg könnte die Xenotransplantation bieten. Besonders im Fokus: Schweineherzen als Lebensretter für schwer herzkranke Patienten.
NEUROLOGIE
NEUROLOGIE: EIN FACH IM WANDEL
50 Jahre Klinikum Großhadern bedeuten zugleich 50 Jahre KIinik und Poliklinik für Neurologie. Seitdem vergeht praktisch kein Jahrzehnt, in dem die Ärzte und Wissenschaftler nicht bahnbrechende Errungenschaften hervorgebracht haben, wie Prof. Höglinger erzählt
KLINIKUM aktuell: Herr Prof. Höglinger, lange galt die Neurologie als ein Fach mit begrenzten therapeutischen Möglichkeiten. Hat sich diese Sichtweise geändert?
Prof. Höglinger: Ja, diese Perspektive hat sich sogar fundamental geändert. Traditionell zeigt sich die Stärke der Neurologie in der präzisen Beschreibung von klinischen Syndromen. In der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts gelang es der empirischen Neurologie, mit klinisch-pathologischen Korrelationen die wichtigsten neurologischen Krankheiten zu beschreiben. Ab etwa 1950 wurde die Forschung verstärkt mit der elektrophysiologischen und bildgebenden Forschung zusammengeführt. Dies ermöglichte es, den Zustand des Nervensystems in Gesundheit und Krankheit zu charakterisieren. Später gewannen genetische, biochemische und immunologische Techniken an Bedeutung. Sie haben das Verständnis von der Entstehung neurologischer Erkrankungen noch einmal entscheidend vorangebracht und wurden zur Basis für empirisch belegte Therapien. Der Prozess ist aber noch längst nicht abgeschlossen: Wir dürfen gegenwärtig eine sehr dynamische Zeit mitgestalten, in der sich sowohl in der Diagnostik als auch in der Therapie von neurologischen Erkrankungen ganz neue Richtungen abzeichnen.
KLINIKUM aktuell: Welche neuen Ansätze gibt es z. B. auf dem Gebiet der Diagnostik?
Prof. Höglinger: Tatsächlich sind neue diagnostische Verfahren gerade dabei, unser Krankheitsverständnis zu revolutionieren. Kurz gefasst: Humangenetische Befunde, molekulare Biomarker aus Körperflüssigkeiten und multimodale Bildgebungsbefunde lösen nach und nach traditionelle klinische Krankheitskonzepte ab.
KLINIKUM aktuell: Passiert Ähnliches auch, was die Therapie von neurologischen Erkrankungen betrifft?
Prof. Höglinger: Die Behandlungsmöglichkeiten sind in den letzten Jahren deutlich besser geworden. Neben neuen molekularen Ansätzen gewinnen z. B. endovaskuläre Therapien für neurovaskuläre Krankheiten, Therapien mit monoklonalen Antikörpern bei neuroimmunologischen oder neurodegenerativen Krankheiten, gentherapeutische Ansätze mit Antisense-Oligonucleotiden, aber auch Zelltherapien, etwa für neuroinfektiologische oder neuroimmunologische Krankheiten, immer mehr an Bedeutung. Speziell bei der Parkinson-Krankheit zeigen invasive neuro-modulatorische Therapien wie die Tiefe Hirnstimulation sehr gute Erfolge. Und auch nicht-invasive läsionelle Verfahren wie der Fokussierte Ultraschall könnten schon bald eine Therapieoption sein. Viele dieser Ansätze setzen eine enge Kooperation mit Nachbarabteilungen wie der Hämatologie/ Onkologie, Neurochirurgie oder Neuroradiologie voraus. Hierfür sind die Bedingungen am LMU Klinikum, wo alles auf universitärem Niveau unter einem Dach vereint ist, natürlich ideal. Parallel dazu treibt die wissenschaftliche Neurologie ihre Bemühungen voran, Krankheiten zu identifizieren und zu therapieren, bevor die Patienten erste Einschränkungen erleben.
KLINIKUM aktuell: Die Neurologie hat im Laufe der Jahre viele Subdisziplinen ausgebildet. Spiegelt sich diese Diversifizierung auch in der Neurologischen Klinik wider?
Prof. Höglinger: Auf jeden Fall. Einrichtungen wie das Friedrich-Baur-Institut, das Institut für Schlaganfall und Demenz, das Institut für Neuroimmunologie oder auch das Deutsche Schwindel- und Gleichgewichtszentrum sind mit der Neurologischen Klinik eng verknüpft. Und angesichts der Tatsache, dass gerade die neuroimmunologischen, neurovaskulären oder auch neurodegenerativen Krankheiten in einer Gesellschaft im demographischen Wandel auf dem Vormarsch sind, hat die Intensivierung der Kooperation zwischen den verschiedenen neurologischen Subdisziplinen oberste Priorität.
KLINIKUM aktuell: Welche neurologischen Erkrankungen treten inzwischen besonders häufig auf?
Prof. Höglinger: Neben Schlaganfall, Alzheimer-Krankheit und anderen Demenzformen sind vor allem Bewegungsstörungen wie die Parkinson-Krankheit, Multiple Sklerose, Epilepsien und Polyneuropathien auf dem Vormarsch. Schon jetzt sind neurologische Erkrankungen in Europa die dritthäufigste Ursache von Behinderungen und vorzeitigen Todesfällen. Aber auch Migräne spielt weiterhin eine wichtige Rolle. Wir rechnen damit, dass die Zahl der Erkrankungen aufgrund des demographischen Wandels weiter zunehmen wird – und darauf müssen wir vorbereitet sein.
KLINIKUM aktuell: Von welchen weiteren Entwicklungen erwarten Sie sich positive Impulse für Ihr Fach?
Prof. Höglinger: Ich gehe davon aus, dass vor allem die Digitalisierung Teile der Neurologie noch einmal deutlich verändern wird. Digitale Biomarker, erhoben durch tragbare Endgeräte, werden die Diagnostik, Verlaufsbeurteilung und Therapiesteuerung von Patienten, z. B. mit Anfallsleiden, neurovaskulären und neuroimmunologischen Krankheiten, Bewegungsstörungen oder kognitiven Defiziten, deutlich verbessern. Die Vorhersage epileptischer Anfälle durch kontinuierliche EEG-Monitoring und deren Unterbrechung durch Closed-Loop-Systeme sind in Entwicklung. Die Analyse großer, z. B. bildgebender oder genetischer Datensätze mit künstlicher Intelligenz, etwa durch Deep Learning, werden Diagnosestellungen und Therapieentscheidungen nachhaltig beeinflussen. Neue Konzepte in diese Richtung werden u. a. im DIFUTURE Konsortium entwickelt. Auch die telemedizinische Verfügbarmachung der Expertise eines Zentrums für Maximalversorgung in die Fläche, wie im NEVAS Netzwerk prototypisch für die vaskuläre Neurologie entwickelt, wird früher oder später in anderen Bereichen der Neurologie Einzug halten.
HERZMEDIZIN
STARKE FORSCHUNG - EINE HERZENSANGELEGENHEIT
Nahezu alle Aspekte, die Herzmedizin ausmachen, finden sich in Großhadern in unterschiedlichen Instituten und Kliniken – mit vielen Highlights. Das soll so bleiben
Nach 50 Jahren Herzmedizin im Klinikum Großhadern hat die Zukunft längst begonnen. Sie hört auf den Namen ICON. Das ist die Abkürzung für „Interfaculty Center for Endocrine and Cardiovascular Disease Network Modelling and Clinical Transfer“. In dem neuen Gebäude, das Ende 2024 fertig werden soll, wird es nur um eines gehen: Frische Therapieansätze für Herz-Kreislauf-Erkrankungen aus der Hightech-Welt der Laborforschung möglichst schnell zu den Patienten zu bringen. Das ist noch immer dringend nötig: Herz- und Kreislauf-Erkrankungen sind nach wie vor Todesursache Nummer Eins in Deutschland und der westlichen Welt.
„Erkenntnisse zu innovativen Therapien aus Zellkulturstudien und Versuchen mit Mäusen sind nur begrenzt auf den Menschen übertragbar“, sagt Prof. Dr. Steffen Massberg (im Foto oben rechts), Direktor der Medizinischen Klinik und Poliklinik I in Großhadern, „deshalb wollen wir unsere neuen experimentellen Ansätze im ICON an Großtieren wie Schweinen auf ihren Wert überprüfen.“ In diesem Sinne wird das Forschungszentrum ausgestattet sein wie eine kleine Klinik – mit Technologien, die auch für Diagnostik und Therapie von Patienten eingesetzt werden, vom EKG über den Herzkatheter bis zum Kernspintomografen. Sie werden genutzt von LMU-Wissenschaftlern, die aus völlig verschiedenen Blickwinkeln an die Herzmedizin herangehen und den letzten, entscheidenden Schritt zum Patienten vorantreiben.
Primär geht es dabei um neue Zell- und Gentherapien, zum Beispiel für Herzerkrankungen, die auf bestimmten Mutationen im Erbgut beruhen. „Da haben wir im Labor sehr vielversprechende Ansätze getestet, die auf der Genschere CRISPR-Cas9 und ähnlichen, weiterentwickelten Verfahren beruhen“, sagt Massberg. Ziel: Die krankmachenden Gene zu „reparieren“ und die damit verbundenen Erkrankungen sozusagen an der Wurzel zu packen. Das ICON wird so gestaltet sein, dass auch die Strukturen für erste kleinere klinische Studien mit Patienten bereitstehen.
„In der Grundlagenforschung war die Kardiologie in Großhadern immer stark“, sagt Massberg und gibt ein Beispiel: „Die frühe Entwicklung der modernen Kathetertechnik, die sich dann in der Therapie vieler Herz-Kreislauf-Erkrankungen weltweit durchgesetzt hat, wurde hier vorangetrieben.“ Dann das gesamte Feld der Herztransplantation bis zur Entwicklung von Schweineherzen als Spenderorgane. Außerdem im Schulterschluss mit der Herzchirurgie („Heart Team“) verschiedene Verfahren, um defekte, nicht mehr vollständig schließende Herzklappen über die Haut mit einem Katheter zu behandeln. „Diesen Bereich haben wir auch wissenschaftlich ganz wesentlich mitgestaltet“, erklärt Steffen Massberg, „wir sind nicht zuletzt deshalb eines der größten Zentren weltweit.“ Der Vorteil der neuen Methoden: Man muss viele Patienten nicht mehr operieren und sie nicht mehr an die Herz-Lungen-Maschine anschließen.
Beispiel 1 dieser Verfahren: die TAVI („Transkatheter-Aortenklappen-Implantation“) für die sogenannte Aortenklappenstenose, die vorherrschende Herzklappenerkrankung. Seit mittlerweile vielen Jahren schieben die Herzmediziner durch ein Gefäß in der Leiste – oder durch die Herzspitze – mit einem Katheter die neue, künstliche Klappe zum Herzen vor und setzen sie ein. Beispiel 2: das sogenannte Edge-to-Edge-Verfahren. Hier werden die beiden Segel der Mitralklappe des Herzens mit einem Clip aneinander fixiert, um die Funktion wieder herzustellen, alles ebenfalls mit einem Kathetersystem.
Prof. Dr. Christian Hagl
Führend war die Herzmedizin in Großhadern auch bei der Entwicklung Extra Corporeal Life Support (ECLS, auf deutsch: außerkörperliche Lebensunterstützung). Nach der Berufung von Prof. Dr. Christian Hagl zum Direktor der Herzchirurgischen Klinik wurde der ECLS an der LMU eingeführt, mit dem inzwischen verstorbenen Dr. Frank Born als Leiter der Kardiotechnik. Born hatte entscheidend mitgewirkt, diese Herz-Lungen-Maschine im Miniaturformat zu bauen. Sie wiegt, anders als ihre große Schwester, nur zehn Kilogramm in der Größe einer Schuhschachtel und kann so in jedem Hubschrauber zum Patienten mitgenommen werden.
Mit einer sogenannten Zentrifugalpumpe ermöglicht die Mini-Maschine stabile Kreislaufverhältnisse und ersetzt die Herzfunktion; mit einem „Oxygenator“ wird überdies die Lungenfunktion unterstützt. Die Anbindung zum Patienten erfolgt in der Regel über die Blutgefäße in der Leiste. Das Gerät saugt das Blut aus dem Körper, reichert es mit Sauerstoff an und pumpt es dann wieder in die Arterien. Bis zu sechs Liter pro Minute bewegt das hochmobile System. Es kommt erstens zum Einsatz bei Patienten, die einen Spezialisten wie einen Herzchirurgen benötigen, die aber einen Transport ohne ECLS nicht überleben würden. Zweitens bei Patienten, die nach einem Notfall unter Reanimation in die Klinik gebracht werden. Und drittens wird eine spezifische Form des ECLS, die ECMO (extrakorporale Membranoxygenierung), zeitlich begrenzt auch im klinischen Alltag der Intensivstation verwendet. Denn im Vergleich zur großen Herz-Lungen-Maschine ist die ECMO blutschonender.
So behandelt das Heart Team am LMU Klinikum jährlich ungefähr 200 Patienten mit einer solchen ECMO und zählt damit zu einem der größten Zentren Europas. Sie wird eingesetzt gegen den kardiogenen Schock, die häufigste Todesursache von Patienten mit einem Herzinfarkt in deutschen Krankenhäusern. Die Sterblichkeit liegt trotz der frühen Wiedereröffnung des Herzkranzgefäßes seit mehreren Jahrzehnten weiterhin bei etwa 50 Prozent. Seit einigen Jahren ist die ECMO bei diesen Patienten zur Behandlung des Kreislaufversagens eine vielversprechende Möglichkeit, die Leben retten kann. Last, not least machte die ECMO auch während der Corona-Pandemie Schlagzeilen: Für schwer an COVID erkrankte Patienten mit Lungenversagen war die kleine Maschine nicht selten die letzte Hoffnung auf Überleben.
Im Verdachtsfall genügen fünf Milliliter Blut für eine genetische Untersuchung – und schon kann die Diagnose feststehen: familiäre Hypercholesterinämie (FH). Das ist eine von den Eltern geerbte Störung des Stoffwechsels, die meist ab dem Kindesalter zu gefährlich hohen Cholesterinspiegeln im Blut führen. Bei manchen Betroffenen droht dann bereits im mittleren Erwachsenenalter eine schwere Herz-Kreislauf-Erkrankung. Und selbst wenn die Patienten ihre fettsenkenden Medikamente einnehmen, werden oft nicht die nötigen niedrigen Cholesterinspiegel im Blut erreicht.
In derlei Fällen kann dann die sogenannte H.E.L.P-Apherese helfen. Das ist ein Verfahren der Blutwäsche, das von Prof. Dr. Dietrich Seidel entwickelt wurde, dem langjährigen Direktor des Instituts für Klinische Chemie in Großhadern. H.E.L.P. steht für „Heparin-induzierte Extrakorporale LDL-Präzipitation“. Was kompliziert klingt, funktioniert so: Der Kreislauf des Patienten wird mit einem Schlauch an die H.E.L.P.-Maschine angeschlossen. Sie entfernt das Cholesterin aus dem durchlaufenden Blut, das nunmehr „gereinigt“ in den Kreislauf zurückfließt.
Mit mehr als 500.000 Behandlungen weltweit ist die H.E.L.P.-Apherese ein mittlerweile etabliertes Verfahren. „Die Therapie ist bemerkenswert gut verträglich“, erklärte Prof. Seidel in seiner Abschiedsvorlesung am Klinikum: „Sie zeigt extrem selten unerwünschte Wirkungen und ist auch bei Menschen mit den schwersten Formen einer Cholesterinstoffwechselstörung wirksam und lebensrettend.“ Als Beispiel nannte er eine 31-jährige Patientin, die seit ihrem siebten Lebensjahr regelmäßig im wöchentlichen Abstand mit damals über 1.300 Einzelbehandlungen therapiert wurde, ohne dass es zu irgendwelchen Komplikationen kam. Seidel: „Die Therapie hat nicht nur fast zu einer Normalisierung ihrer Cholesterinwerte im Blut, sondern auch zur Verhinderung einer jeglichen Form von Atherosklerose geführt.“
PÄDIATRIE
„ICH WÜRDE ALLES GENAUSO WIEDER MACHEN!“
Prof. Dr. Erika von Mutius ist Kinderärztin, Leibniz-Preisträgerin und eine Legende am Dr. von Haunerschen Kinderspital
Einer breiteren Öffentlichkeit bekannt wurde sie, als sie den sogenannten „Bauernhof-Effekt“ entdeckte: In mehreren Studien hatte sie nachgewiesen, dass Kinder, die auf dem Bauernhof aufwachsen, seltener an Allergien und Asthma erkranken als Gleichaltrige aus der Stadt. Mit ihrer Forschung, für die sie 2013 mit dem Leibniz-Preis der Deutschen Forschungsgemeinschaft ausgezeichnet wurde, trug Erika von Mutius dazu bei, die Mechanismen der kindlichen Immunabwehr aufzuklären. So zeigte sie unter anderem, dass bestimmte chemische Verbindungen, die im Staub auf Bauerhöfen vorkommen, Kinder davor schützen, allergische Reaktionen zu entwickeln. Ein weiterer Bauernhof-Effekt, den von Mutius entdeckte: Kinder, die Rohmilch trinken, erkranken ebenfalls seltener an Allergien und Asthma als Kinder, die Milch aus dem Supermarkt bekommen.
Das Wohl ihrer Patienten steht bei Mutius immer an erster Stelle: „Mich interessieren wissenschaftliche Fragestellungen dann, wenn meine kleinen Patienten von den Ergebnissen profitieren“, sagt sie. „Ich war nie ein Labormensch, hatte auch nie eigene Forschungslabore.“ Eigentlich ist von Mutius mit 67 Jahren in einem Alter, in dem andere längst im Ruhestand sind, doch sie liebt ihre Arbeit. Am Dr. von Haunerschen Kinderspital ist sie immer noch an einer Studie beteiligt, die untersucht, wie bestimmte Bakterien vor Asthma schützen. „Eine Art Minijob“, schmunzelt von Mutius. Doch sie hat noch einen Hauptjob: Seit dem 1. Juli 2017 leitet sie das neue Institut für Asthma- und Allergieprävention (IAP) am Helmholtz Zentrum München. Und daneben hat sie in Garmisch-Partenkirchen noch einmal pro Woche eine Sprechstunde für lungen- und asthmakranke Kinder. Warum Garmisch? „Ich bin hier zur Schule gegangen, es gibt immer noch ein Familienhaus, und mein Ex-Chef, Prof. Dr. Dietrich Reinhardt, hat hier schon mit einer Sprechstunde angefangen“, sagt von Mutius, die auch im Münchner Stadtteil Schwabing lebt.
Die Ärztin ist eine hochdekorierte Wissenschaftlerin, die aber im Gespräch unkompliziert, bodenständig und bescheiden ist. Neben dem mit 2,5 Millionen Euro dotierten Leibniz-Preis förderte auch der Europäische Forschungsrat (European Research Council, ERC) ihre Arbeit mit zwei Advanced Grants in Millionenhöhe. „Der Leibniz-Preis war natürlich toll, weil er mit substanziellem Geld verbunden war, mit dem ich meine Arbeitsgruppe weiterführen konnte, ohne bei neuen Ideen erst mühsam viele Anträge zu schreiben. Auch beide European Grants waren ein Kick für meine Arbeit“, bilanziert von Mutius. Gefreut hat sie sich auch über den Bayerischen Maximilianorden. „Das Beste daran war, dass man bei der Verleihung so viele interessante Menschen kennenlernen darf“, sagt sie. Dass sie selbst eine von diesen wahnsinnig interessanten Menschen ist, kommt ihr dabei gar nicht in den Sinn.
Bereut Sie etwas in ihrem beruflichen oder privaten Leben? „Ich komme aus einer Generation, in der wir immer nur gearbeitet haben, ich war eigentlich Tag und Nacht in der Klinik“, sagt von Mutius. „Deswegen habe ich auch keine Kinder, aber ich liebe meinen Beruf und würde alles genauso wieder machen.“ Eine Familie hat sie natürlich trotzdem, sie ist eng verbunden mit ihren Geschwistern, Nichten und Neffen, den vielen Vettern und Cousinen. Und ab 2027 will sie endlich weniger arbeiten, „ich muss einfach mal ein bisschen ausruhen“, meint sie. In ihrer Freizeit liebt Erika von Mutius die Berge, ihren Garten – und klassische Musik. Sie besucht die Bayerische Staatsoper, die Salzburger Festspiele und Konzerte auf Schloss Elmau. Worauf sie sich im noch fernen Ruhestand am meisten freut? „Dass ich nicht mehr direkt aus der Klinik in eine Vorstellung sause, sondern ausgeruht ankomme.
PFLEGE
EIN HALBES JAHRHUNDERT PROFESSIONELLE PFLEGE
Universitäre Spitzenpflege geht Hand in Hand mit der Medizin auf höchstem Niveau. KLINIKUM aktuell blickt mit Pflegedirektorin und Vorständin Carolin Werner auf den Status Quo der Pflege
Judith Gerlach, Staatsministerin für Gesundheit, Pflege und Prävention (rechts) besuchte das Klinikum und informierte sich bei Carolin Werner über die Situation der Pflege
Die Pflegenden sind mit Abstand die größte Berufsgruppe im LMU Klinikum. Heute, 50 Jahre nach der Inbetriebnahme des Klinikums in Großhadern, arbeiten über 3.700 Pflegefachkräfte aus mehr als 80 Nationen gemeinsam unter einem Dach.
Das LMU Klinikum bietet Pflegenden Zugang zum kompletten Spektrum der universitären Hochleistungsmedizin und eine große Bandbreite zur Spezialisierung. Pflegekräfte können sich auf verschiedene klinische Bereiche fokussieren (z. B. Onkologie, Pädiatrie, Psychiatrie) oder auch für Schwerpunkte wie OP- oder Intensivpflege entscheiden. Wer seine Berufserfahrung und Expertise gut vermitteln kann, hat die Möglichkeit, sich zur Praxisanleiterin ausbilden zu lassen. Organisationstalente und Motivationskünstler können sich zur Führungskraft entwickeln und fortbilden.
Der Pflegeberuf an sich hat sich in den letzten fünf Jahrzehnten in vielen Bereichen verändert. Medizinischer und technischer Fortschritt sowie Digitalisierung sind starke Treiber für die Entwicklung in der Patientenversorgung. Hinzu kommen gesellschaftliche Veränderungen, gesetzliche Vorgaben, der demographische Wandel sowie der Fachkräftemangel als Rahmenbedingungen.
Der Fachkräftemangel ist seit jeher eine Herausforderung. So hat das Klinikum schon früh erkannt, wie wichtig die Bemühungen um gute Rahmenbedingungen am Arbeitsplatz sind. Dazu zählen beispielsweise flexible Arbeitszeitmodelle, Wohnraumangebote oder verfügbare Plätze in Kindertagesstätten. Finanzielle Anreizkonzepte und auch die Auslandsakquise gehören ebenfalls zum Maßnahmenkatalog.
„Am wichtigsten ist der respektvolle und offene Umgang miteinander und das kollegiale Arbeiten auf Augenhöhe. Arbeitszufriedenheit und Personalbindung schaffen wir zudem nachhaltig, wenn alle motiviert sind, ihr Wissen stetig zu erweitern“, sagt Carolin Werner. Dabei kann jeder Mitarbeiter die Bandbreite des internen Fort- und Weiterbildungsprogramms nutzen und so seinen eigenen Karriereweg gestalten. Eine starke Personalentwicklung hat am Klinikum eine lange Tradition.
„Die Komplexität in unserem Beruf hat sich deutlich erhöht“, so Werner weiter. „Wir pflegen heute Patienten, die aufgrund ihrer – teils auch mehrfachen – Begleiterkrankungen ein hohes Maß an Pflegekompetenz erfordern. Dazu ist die Anspruchshaltung an unsere Leistung und die Qualität der Pflege gewachsen, Ökonomie spielt eine größere Rolle. Und auch der Pflegeprozess als solcher ist vielseitiger, alleine durch die verschiedenen Berufsgruppen, die eng zusammenarbeiten.“ Die professionsübergreifende Zusammenarbeit ist essentieller Bestandteil in der Versorgung, besonders an einem Universitätsklinikum. Deshalb wird darauf bereits in der Ausbildung wertgelegt, z. B. im Projekt MIPA-Neo, einer interprofessionellen Ausbildungsstation auf der Neonatologie. Hier findet ein ständiger Austausch zwischen den Lernenden aus den drei Berufsgruppen der Pflege, der Medizin und der Pharmazie untereinander und mit ihren Mentoren statt.
Auch die Akademisierung der Pflege ist ein Faktor, der Einfluss auf die Zukunft des Berufes hat – national, aber auch im internationalen Vergleich. Die Qualität der Patientenversorgung wird gesichert und weiter verbessert, ebenso die interdisziplinäre Zusammenarbeit mit anderen Gesundheitsberufen. Besonders hervorzuheben ist der Zugang zu Forschung und Innovation: Akademisch ausgebildete Pflegekräfte können aktiv an Forschungsprojekten teilnehmen und so innovative und evidenzbasierte Pflegepraktiken entwickeln. Hier zeigen sich zahlreiche neue Karriereperspektiven und -wege.
Carolin Werner: „Die Akademisierung trägt insgesamt zur Aufwertung und weiteren Professionalisierung unseres Berufsstands bei, das ist für alle Pflegenden und auch ihre Arbeitgeber ein Vorteil. Durch die Gründungen des Instituts für Pflegewissenschaften sowie der Stabsstelle Klinische Pflegeforschung & Qualitätsmanagement sind am LMU Klinikum bereits beste Strukturen für das wissenschaftliche Arbeiten etabliert, erfolgreiche Publikationen und Projekte belegen das. Unser Anspruch ist, dass die Pflegewissenschaft und -forschung relevante Ergebnisse für die Pflegepraxis aufzeigen kann.“
Eine Konstante gibt es bei all den Veränderungen und Entwicklungen: Das Wohl unserer Patienten steht immer im Fokus. „Die Pflegeteams begegnen Patienten und auch ihren Angehörigen oft in schwierigen Ausnahmesituationen, kommen ihnen dabei körperlich wie auch emotional sehr nahe. Dafür braucht es ergänzend zur Fachkompetenz vor allem Empathie und Mitgefühl, Kommunikation und Einbindung“, betont Carolin Werner. Nur mit diesen Fähigkeiten können Pflegende eine ganzheitliche und verantwortungsbewusste Betreuung bieten, die den individuellen Bedürfnissen des Patienten gerecht wird.
Faszination Pflegeberuf – drei langjährige Pflegekräfte berichten
Michael Schneider, 53, Stationsleitung Pflegebereich 3, Klinik und Poliklinik für Palliativmedizin
„Schon als Realschüler in der 9. Jahrgangsstufe stand für mich fest, dass ich gerne in einem Team und mit Menschen arbeiten möchte. Deshalb war ich mir sicher, dass der Pflegeberuf eine gute Wahl für mich ist. Nach einem Pflegepraktikum und auf Anraten meiner Eltern habe ich mich 1988 für eine Ausbildung an der Berufsfachschule für Krankenpflege in Großhadern entschieden.
Es war die Arbeit mit Patienten, die von guter Pflege profitieren, sowie die angenehme und humorvolle Stimmung im Team, weswegen ich mich nach dem Abschluss der Ausbildung entschieden habe, auf einer neurologischen Station am Klinikum zu bleiben. Ich war fortbildungsfreudig und lernte bei den Veranstaltungen immer mehr Pflegende aus anderen Abteilungen kennen und schätzen. So wuchs mit der Zeit meine Verbundenheit mit dem Klinikum.
Nach einigen Jahren stieg ich zum stellvertretenden Stationsleiter auf und konnte auch zeitnah die Weiterbildung zur Leitung einer Station absolvieren. Als 2003 die Palliativstation eröffnet wurde, übernahm ich dort die Stationsleitung. Zusammen mit den anderen Berufsgruppen gelingt es uns in den meisten Fällen, das Leid von Patienten und Angehörigen zu lindern. Ich fühle mich am Klinikum Großhadern wohl und am richtigen Platz. Hier konnte ich mich beruflich und persönlich weiterentwickeln und werde von meinem Arbeitgeber stets unterstützt.
Hier habe ich viele faszinierende Menschen kennengelernt, hier ist es nie langweilig, und auch das Klinikum entwickelt sich stets weiter, baulich, aber auch medizinisch-pflegerisch-fachlich. Für die Zukunft wünsche ich mir weiterhin Menschen, die das Klinikum gemeinsam mit ihrem Fachwissen, mit Empathie und Emotionen beleben und zusammen an der Erfüllung der meist komplexen Aufgaben arbeiten. Meiner Meinung nach sind Erfolge in der Versorgung kranker Menschen stets Gemeinschaftserfolge von mehreren Personen und Berufsgruppen.“
Angela Steinberger, 54, Intensivpflegekraft auf der IBGITS4 (eine interdisziplinäre Intensivstation der Anästhesiologie im OPZ)
„Für den Pflegeberuf habe ich mich schon früh entschieden: Ich wollte immer etwas Soziales mit Menschen machen. Meine Tante war mein Vorbild als Krankenschwester. Meine Ausbildung machte ich bei der Schwesternschaft vom Bayerischen Roten Kreuz in München. Zum LMU Klinikum Großhadern kam ich dann 1990 auf Empfehlung einer Kurskollegin, die nach der Ausbildung hier angefangen hatte. Nach neun Jahren auf der chirurgischen Intensivstation wechselte ich zur anästhesiologischen Intensivpflege und arbeite dort seit 25 Jahren. Aktuell bin ich die kommissarische Stellvertretung der Stationsleitung auf der IBGITS4 im OPZ.
Die Intensivpflege hat mich vom ersten Moment an fasziniert, und ich mache meine Arbeit am Bett wirklich gerne. Nach all den Jahren steht immer noch der Mensch als Patient für mich im Mittelpunkt. Hier auf unserer Station werden lebensbedrohliche Erkrankungen behandelt, das gelingt aus der Verbindung von Hightech-Medizin und professioneller Pflege. Besonders die Vielfalt einer interdisziplinären Intensivstation hat mich immer begeistert."
In 35 Jahren hat sich viel verändert und vieles ist mittlerweile selbstverständlich geworden in der Behandlung. Ich schätze das große Fort- und Weiterbildungsprogramm am LMU Klinikum und durfte viel dazulernen: A&I Fachweiterbildung, Praxisanleitung, Wundexpertin und algesiologische Fachassistenz. 2004 wurde ich zeitlich freigestellt und unterstützt bei einer externen Weiterbildung zur Aromaexpertin. Ebenso konnte ich bei der Christophorus Akademie den Palliative Care Kurs absolvieren.
Am meisten motiviert mich die Arbeit mit Patienten und ihren Angehörigen sowie der interdisziplinäre Austausch im Team. Es ist sehr schön, wenn wir nach der Entlassung erfahren, wie es den Menschen nach ihrem Aufenthalt bei uns geht. Für die Zukunft wünsche ich mir weiter eine gute Zusammenarbeit mit meinen Kollegen und dass wir gemeinsam die besonderen Herausforderungen wie Pflegemangel und Älterwerden im Beruf meistern.“
Walter Schädle, 66, Stationsleitung auf der Station I 8
„Ich habe schon als Jugendlicher bei der Pflege meiner Großeltern und der Versorgung meiner jüngeren Geschwister mitgeholfen. Den Ausschlag für meine Berufswahl gab aber ein Hospitationswochenende im Krankenhaus Memmingen. Seit 1983 bin ich jetzt am Campus Großhadern, das war damals ein herausragender Krankenhausbau mit Neuerungen wie Pflegestützpunkt, Rohrpost, Bettenzentrale, Krankentransport und bot zudem als Universitätsklinikum interessante Fort- und Weiterbildungsmöglichkeiten. Seit 1990 leite ich die Station I 8. Wir waren anfangs eine reine HNO-Station, heute betreuen wir 16 neurologische Betten und 15 SDU-Betten. SDU steht dabei für Short Decision Unit und bedeutet, dass zu uns Patienten aus der Notaufnahme kommen, die keine Versorgung auf der Intensivstation brauchen. Auf der I 8 wird dann kurzfristig entschieden, ob sie im Haus auf eine andere Station verlegt oder im besten Fall nach wenigen Tagen entlassen werden können.
Die Patientenmischung ist anspruchsvoll, aber ich mag die Herausforderung, die Patienten mit ganz unter schiedlichen Krankheitsbildern bieten. Eigentlich bin ich schon im Ruhestandsalter, aber ich habe immer noch sehr viel Freude an der Arbeit mit den Patientinnen und Patienten und der Teamarbeit mit Pflegedienstleitung, Kollegen, Ärzten und der Krankenpflegeschule.
Der finanzielle Aspekt ist natürlich auch nicht ganz unwichtig. Und ich liebe den fantastischen Blick auf die Berge aus dem 8. Stock, die unterschiedlichen Jahreszeiten nimmt man da besonders schön wahr. Ich habe meine Arbeitszeit auf 80 Prozent reduziert, so kann ich mich schon mal langsam an meine kommende Zeit als Rentner gewöhnen. Dem Klinikum werde ich immer verbunden bleiben. Für die Zukunft wünsche ich mir, dass noch mehr gegen den Personalmangel in der Pflege getan wird, unter anderem durch innovative Zulagen- und Arbeitsplatzgestaltung sowie eine Verbesserung der Personal-Wohnmöglichkeiten.“
PERSPEKTIVE
DER GRÖSSTE TOASTER DER WELT
Die Historie weist in Großhaderns Zukunft
Für das Klinikum Großhadern gibt es gleich mehrere Geburtsstunden und Geburtshelfer. Der erste Ärztliche Direktor des Klinikums, Prof. Dr. Heinz Goerke, schreibt in seinem Beitrag zum 25-jährigen Bestehen: „Im November 1952 gab der Bayerische Landtag der Staatsregierung den Auftrag, einen Gesamtplan für den Aufbau der Münchner Universitätsklinken zu erstellen.“ Im Juli 1954 wurde ein Ideenwettbewerb ausgeschrieben, den die Architektengemeinschaft Schwethelm und Schlempp gewann. 1955 folge ein Beschluss des Bayerischen Ministerrats, „daß Neubauten für die Münchener Universitätskliniken am Rande der Stadt errichtet werden sollten.“
Maßgeblich unterstützt hat den Beschluss der damalige Rektor der Ludwig-Maximilians-Universität, Prof. Dr. Alfred Marchionini, dem heute die Straße gewidmet ist, an der entlang des Klinikum erbaut worden ist. Im April 1959 wurde der Vertrag mit der Architektengemeinschaft Godehard Schwethelm, Christian Schlempp und Werner Eichberg unterzeichnet. Zwischenzeitlich geriet das Projekt 1966 ins Stocken, sogar das Aus von Großhadern stand zur Diskussion, weil Ministerrat, Haushaltsauschuss und Landtag das Konzept von der kompletten Verlagerung der Universitätskliniken an den Stadtrand weitgehend aufgehoben hatten
Das Klinikum Großhadern wird der Stilrichtung des Brutalismus zugeordnet. Dieser architektonische Stil aus den 1950er- und 1960er-Jahren zeichnet sich durch Bauten aus Sichtbeton (frz: Béton Brut) aus. Typisch für den Brutalismus sind glatte oder mit Mustern verschalte Betonstrukturen, bei denen die Sichtbarkeit des Baustoffs zum stilistischen Merkmal wird. Im Vordergrund stand die Funktionalität, es galt, alle Fachbereiche unter ein Dach zu bringen. „Bei der Planung des Klinikums war es eine vornehmliche Aufgabe der Architekten, viele unterschiedliche Funktionsbereiche unter Wahrung einer übersichtlichen, oft zwingenden Wegeführung miteinander zu verbinden (…), um die zu erwartenden Frequenzzahlen an Patienten, Personal, Besuchern und Studierenden (…) zu bewältigen“, schreibt der damalige Verwaltungsdirektor Josef Asam in der Festschrift zur zweiten Teilinbetriebnahme 1977.
Großhadern war damals das größte Bauprojekt eines Gebäudes in Bayern nach dem Krieg. Aber nicht nur die Größe, sondern auch die Abläufe stellten die Beteiligten vor große Herausforderungen. So wurde eine Klinikumskonferenz eingesetzt, der die leitenden Ärzte angehörten und den Planern und Architekten beratend zu Seite gestellt wurden. Leitende Pflegekräfte waren ebenfalls eingebunden, vor allem für die Planung der zentralen Operationsabteilung, die Zentralisierung der Versorgung mit medizinischen Verbrauchsgütern und die Organisation der Zentralsterilisation. Dem Gremium gehörte auch Gabriele von Gropper an, die als erste leitende Pflegekraft, vergleichbar mit der heutigen Pflegedirektion, 1970 diese Funktion übernahm – noch vor der Inbetriebnahme Großhaderns.
Die Architekten bewerteten die Vorgänge rund um den Neubau kritisch. Werner Eichberg und Walter Schlempp schrieben 1977 in der Festschrift zur zweiten Teilinbetriebnahme über den Siegerentwurf für das Klinikum Großhadern: „Das unansehnliche, bestenfalls vielleicht einmal nützliche Kind - (…) - wurde im Wachstum stark behindert, lieblos und mit verdrossener Sparsamkeit aufgezogen und wuchs nur langsam heran. 1974 fand die Einweihung statt – es war wie eine Nottaufe.“ Es folgen weitere Anekdoten aus der Zeit, in der das Großklinikum geplant und gebaut worden war. Einige Anmerkungen haben auch heute nichts von ihrer Bedeutung verloren. Etwa der Hinweis, dass neue Ideen nur dann zum Tragen kommen können, „wenn vor der Auslobung Standort, Programm und Finanzierung restlos geklärt sind“ und das preisgekrönte Projekt umgesetzt werden kann. In Großhadern aber, so die Architekten und Planer, wurde wie bei anderen Projekten mit langer Planungs- und Bauzeit, aufgrund des medizinischen Fortschritts, vieles geändert. Die gesamte Planung musste daher umfangreich überarbeitet werden.
„Obwohl Planung und Realisierung von Neubau-Projekten der Größenordnung Großhaderns damals und auch heute unbestritten eine der größten Herausforderungen für uns darstellen, ist die Entscheidung für den Ablöseprozess der Bestandgebäude über entsprechende Neubauten ein wichtiger und richtiger Schritt“, sagt Alexander Jobst, Architekt und Leiter der Abteilung Bau, Technik und Liegenschaften am LMU Klinikum. „Bis dahin hat der Erhalt bestehender Gebäude die größte Priorität. Oberstes Ziel bleibt dabei die Sicherstellung der Patientenversorgung auf höchstem Niveau.“
Heute wird wieder verstärkt modular geplant und gebaut – ein Konzept, das übrigens auch schon die Architekten Schlempp und Eichberg seinerzeit befürworteten, sie übten damit zugleich Kritik an der Ausarbeitung des Bauprogramms durch einen Universitätsmediziner. „Es sollte bedacht werden, daß zur Not ein paar lebensfähige Fachkliniken mehr Wert sind als ein Riesentorso, der im Ausbau stecken geblieben ist.“
Übertragen auf die beabsichtigte medizinische Neukonzeption und Umstrukturierung in fachübergreifende Organzentren für den anstehenden Neubau des Campus Großhadern hat man demnach also die richtige Entscheidung getroffen. „Im ersten Bauabschnitt wird durch die Errichtung von zwei medizinisch und funktional eng verknüpften Organzentren – Herz-Lungen-Gefäß-Zentrum und Onkologisches Zentrum – sowie einem übergeordneten Diagnostikzentrum die Grundlage für die Realisierung der zukünftigen Gesamtkonzeption vom LMU Klinikum am Standort Großhadern geschaffen “, sagt Michael Obal, Leiter Stabsstelle Neubau Campus Großhadern.
Dann, so bleibt zu hoffen, lautet auch für den kommenden Neubau das Fazit, das Schlempp und Eichberg schon 1977 für den ersten Campus Großhadern gezogen haben: „Eine ganze Gruppe von Baumeistern mit unterschiedlichen Interessen und Kenntnissen muss sich zusammenfinden und lange miteinander auskommen; dazu gehört manches, aber vor allem ein guter und fester Wille. In Großhadern war er vorhanden.
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