Vaskuläre Biologie und Pathologie
Immunothrombosen als biologische Basis pathologischer Thrombosen
Unsere Gruppe erforscht Immunreaktionen innerhalb von Blutgefässen (intravasale Immunität). Wir haben eine physiologische Form der Thrombose identifiziert, die sog. Immunothrombose.
B. Engelmann and S. Massberg. Nat Rev Immunol. 13: 34-45 (2013)
Was besagt das Konzept der Immunothrombose?
Als Reaktion auf systemische Infektionen und/oder Veränderungen des Gefässendothels kann es zur Bildung von Thrombosen in der Mikrozirkulation von Organen kommen. Diese Immunothrombosen werden von angeborenen Immunzellen wie Neutrophilen und klassischen (inflammatorischen) Monozyten vermittelt. Als prokoagulatorische Moleküle fungieren hierbei u.a. intravasaler Tissue Factor (TF, Startermolekül der extrinsischen Koagulation) sowie die neutrophil extracellular traps (NETs). NETs fördern die Fibrinbildung u.a. über Aktivierung des Koagulationsfaktors XII sowie die Inaktivierung des antikoagulatorischen Tissue Factor Pathway Inhibitor (TFPI).
S. Pfeiler, K. Stark, S. Massberg, B. Engelmann. Haematologica 1022: 206-213 (2017)
Thrombosen der Mikrozirkulation unterstützen das intravasale Immunsystem, da sie u.a. die Disseminierung von Pathogenen hemmen und deren Eliminierung fördern können. Des Weiteren können die basalen Komponenten der Thrombosen, Plättchen und Fibrin, den Phänotyp von Immunzellen kontrollieren. So sind Plättchen entscheidend an der Freisetzung von NETs aus aktivierten Neutrophilen beteiligt. Jedoch sind die molekularen und zellulären Mediatoren der Immunothrombose noch unzureichend erforscht.
Unlängst haben wir CD4+T-Zellen als negative Regulatoren der Immunothrombose identifiziert. T-Helferzellen werden an fibrinreiche Thromben rekrutiert und dort aktiviert. Hierdurch exprimieren die T-Zellen vermehrt fibrinolytische Proteine und inaktivieren Fibrinolyse-Inhibitoren wie den thrombin activatable fibrinolysis inhibitor (TAFI). Bei viralen Infektionen sind Lymphozytopenien offenbar direkt für die erhöhte Bildung von Thrombosen verantwortlich.
Warum sind Immunothrombosen medizinisch von Bedeutung?
Immunothrombosen stellen eine biologische Matrize für pathologische Thrombosen dar. Zentrale zelluläre und molekulare Mediatoren der Immunothrombosen induzieren in der Tat venöse Thromboembolien und arterielle Thrombosen in grossen Gefässen. Pathologische Immunothrombosen sind auch ein zentrales Kennzeichen von Sars-CoV-2-Infektionen und von bakterieller Sepsis und sind für die Morbidität und Mortalität von Covid-19 Patienten mitverantwortlich.
Prothrombotische Funktionen der NETs/Neutrophilen und antithrombotisch wirksame T-Helferzellen können erklären, warum erhöhte Neutrophilen/Lymphozyten Quotienten Risikofaktoren für pathologische Thrombosen darstellen. Die molekularen Mediatoren der Immunothrombosen stellen prinzipiell Zielstrukturen für Immunotherapien von Thrombosen dar. Da viele der Mediatoren der Immunothrombosen nicht oder nur eine geringe Bedeutung für die physiologische Blutstillung spielen, könnten Immunotherapien Thrombosen hemmen ohne nennenswerte Blutungen auszulösen.
Intravasale Immunität und Metastasierung
Tumorzellen des Primärtumors können in Blutgefässe eindringen und am Ort der Metastasierung in der Mikrozirkulation Thrombosen bilden. Dabei können die Tumorzellen selbst, aber auch rekrutierte Immunzellen prothrombotisch wirken. Die Mechanismen der intravasalen Metastasierung sind noch wenig erforscht. Wir untersuchen am Beispiel der Metastasierung des Pankreaskarzinoms den Arrest der Tumorzellen an das Gefässendothel und die dadurch induzierte Rekrutierung lymphoider und myeloider Immunzellen. In einem komplexen Wechselspiel regulieren Tumorzellen, rekrutierte Immunzellen und mikrovaskuläre Thrombosen die intravasale Metastasierung und die anschliessende transendotheliale Migration von Tumor- und Immunzellen sowie die Bildung perivasaler prämetastatischer Nischen.
Assoziiert:
Dr. med. Tonina T. Müller
Ausgewählte Publikationen
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