Epilepsie
Arbeitsgruppe Epilepsie
Leiter: Prof. Dr.med. J. Rémi
Epilepsien gehören zu den häufigsten chronischen neurologischen Erkrankungen und beeinträchtigen durch epileptische Anfälle und deren Folgen die Lebensqualität der Patienten. Ziel unserer Forschungsaktivität ist die Verbesserung von Diagnostik, Therapie und Prognoseeinschätzung von Epilepsien.
Dabei liegen unsere Schwerpunkte auf den Themen Semiologie, EEG, Bildgebung, Biomarker, Stimulation und Epilepsiechirurgie
Semiologie
Semiologie bezeichnet die klinische Form und den Verlauf eines epileptischen Anfalls. Epileptische Anfälle können sehr vielgestaltig sein, von den subjektiven Wahrnehmungsänderungen der Auren über kurze Bewusstseinsstörungen (Absencen oder dialeptische Anfälle), motorischen Anfällen (automotorische oder tonische Anfälle) bis hin zum generalisierten tonisch-klonischen Anfall. Die Form und der Ablauf von Anfällen (wenn ein Anfallstyp in den nächsten übergeht) sind sehr wichtige Hinweise darauf, welche Form der Epilepsie vorliegt und bei fokalen Epilepsien auch, wo im Gehirn die Anfallsursprungszone liegt. Wissenschaftlich analysieren wir die Anfälle in unserem EEG-Video-Monitoring und wenden dabei moderne Videoanalysemethoden an. Unsere neueste Forschung nutzt 3D-Verfahren (Kinect) und Radar (BMBF-Förderung) und in der Analyse KI-Methoden. Wir kooperieren unter anderem mit den Ingenieurwissenschaften der Universität Porto, Portugal.
EEG
Das Elektroencephalogram (EEG) ist eine der ältesten neurophysiologischen Methoden, mit einem sehr hohen Stellenwert in der Diagnostik von Epilepsien. Im epileptischen Anfall (iktal) und zwischen den Anfällen (interiktal) von Patienten mit Epilepsien können epilepsietypische Potentiale (ETP) aufgezeichnet werden, die hochspezifisch für das Vorliegen einer Epilepsie sind. Wir forschen an der Fähigkeit des EEGs, die Anfallsursprungszone zu lokalisieren, wann unter welchen Umständen ETP auftreten und welchen Einfluss Schlaf auf das EEG hat. Als neue Methoden setzen wir KI-deep-learning Methoden zum besseren Verständnis des EEGs ein.
Bildgebung
Epilepsien entstehen aufgrund von Veränderungen des gesunden Gehirns. Viele krankhafte Veränderungen, wie Narben, Infarkte, Blutungen, Tumoren oder angeborene Fehlbildungen sind mit einer MRT Untersuchung einfach zu diagnostizieren. Es gibt jedoch auch sehr diskrete Veränderungen die eine Epilepsie verursachen, aber auf den ersten Blick nicht in den MRT Bildern zu sehen sind. Hier verwenden wir zusätzliche MRT Techniken wie die Diffusionsbildgebung und Traktographie um Veränderungen zu erkennen. Nuklearmedizinische Untersuchungen erlauben die Darstellung von Veränderungen des Hirnstoffwechsels (PET) oder der Hirndurchblutung (SPECT), die weitere Hinweise auf die Ursache der Epilepsie liefern können. Mit Methoden zur Bildverarbeitung können die verschiedenen Untersuchungen kombiniert, dreidimensional dargestellt und für eine individuelle Operationsplanung verwendet werden.
Biomarker
Das wiederholte Auftreten epileptischer Anfälle, insbesondere großer, sog. tonisch-klonischer Anfälle, geht nicht nur mit einem deutlich erhöhten Verletzungsrisiko, sondern langfristig auch mit einer Schädigung des Gehirns einher. Um die pathophysiologischen Mechanismen weiter zu entschlüsseln und die Risikofaktoren zu identifizieren untersuchen wir den Einfluss klinischer und demographischer Faktoren auf die Anfallsdauer, die postiktale Phase, sowie das Ausmaß des Nervenzelluntergangs. Hierfür setzen wir unter anderem die Analyse von Blutmarkern sowie die Optische Kohärenztomographie (OCT) des Auges ein.
Medikamente
Anfallssupprimierende Medikamente sind die wichtigste Säule in der Behandlung von Epilepsien. Schon mit den ersten beiden Medikamenten werden ca. 2/3 der Patienten anfallsfrei. Für die nicht-anfallsfreien Patienten ist es jedoch nötig, weitere Alternativen zu suchen, die entweder effektiver in der Behandlung der Anfälle sind, oder die besser verträglich sind. Dafür beteiligen wir uns an den Zulassungsstudien neuer Medikamente.
Für Informationen zu laufenden Medikamentenstudien wenden Sie sich bitte an unser Studienzentrum (flora.perronestrauss@med.uni-muenchen.de).
Epilepsiechirurgie
Fokale Epilepsien zeichnen sich durch eine konzeptuell abgrenzbare Anfallsursprungszone aus. Wenn Patienten durch Medikamente nicht anfallsfrei werden, sollte geprüft werden, ob eine Operation zur Entfernung der Anfallsursprungszone möglich ist. Diese Überprüfung bedarf dem Einsatz vieler verschiedener Methoden wie EEG, Analyse der Anfallssemiologie, Bildgebung (MRT und Nuklearmedizin) und Neuropsychologie um die Anfallsursprungszone einzugrenzen. Zu Abgrenzung von funktionstragendem Kortex muss dann unter Umständen auch eine invasive EEG-Video-Monitoring-Untersuchung erfolgen. Wir analysieren hier wissenschaftlich, welche Methoden welchen Beitrag liefern, wie wir diese Methoden noch besser einsetzen können und wie das Outcome für unsere Patienten ist.
Stimulation
Für die Neurostimulationsbehandlung bei Epilepsie stehen in Deutschland die Vagus-Nerv-Stimulation (VNS), die Tiefehirnstimulation (THS) sowie seit 2022 die fokale Kortexstimulation (FCS) zur Verfügung. Auch wenn sie zu einer wertvollen Erweiterung des Behandlungsspektrums beigetragen haben, besteht weiterhin ein großer Bedarf an alternativen, nicht-invasiven Stimulationsmethoden sowie individualisierbaren Systemen mit höherer Effektivität. Vor diesem Hintergrund beteiligen wir uns an nationalen und internationalen Studien und Registern zur Weiterentwicklung bisheriger, und Zulassung neuer Stimulationsverfahren.
Bei Interesse bzgl. laufender Studien zur transkraniellen Gleichstromstimulation, der fokalen Kortexstimulation oder der anterioren Thalamusstimulation können Sie sich gerne an unser Studienzentrum (flora.perronestrauss@med.uni-muenchen.de) oder Frau PD Dr. med. E. Kaufmann (elisabeth.kaufmann@med.uni-muenchen.de) wenden.
PD Dr.med. E. Kaufmann
PD Dr. Dr. C. Vollmar
Dr. A.-M. Loesch-Biffar
Dr. K. Ernst
Dr. A. Nack
N. Fearns
Dr. D. Birk
Dr. S. Trapp
Dr. P. Albert i Gracena
J. Dominik
J. Lichtenberger
Prof. Dr. S. Noachtar (ehem. Leiter der AG)
BMBF, innovationsfond Bayern, DFG, FöFoLe-Programm der Medizinischen Fakultät der LMU München, Riehr-Stiftung, Friedrich-Baur-Stiftung, Medical & Clinical Scientist Program (MCSP)
Lehrstuhl Medizininformatik TU München, Austrian Institute of Technology, University of Porto, Clinica Aleman der Universität Santiago de Chile, cBRAIN, Ethik TUM, NeurovisionLab, deepC