Voraussetzungen und Möglichkeiten einer Dünndarmtransplantation
Die häufigsten Erkrankungen, die eine Transplantation notwendig machen
Welche Erkrankungen können eine Dünndarmtransplantation notwendig machen?
- Bei Erwachsenen kann es durch eine Minderdurchblutung des Darms (Mesenterialinfarkt), Verdrehung des Darms (Volvolus), Bauch/Darmverletzungen und chronisch entzündlichen Darmerkrankungen (M. Crohn) zum Verlust von Dünn- und Dickdarm kommen
- Bei Kindern kommen zusätzliche Geburtsdefekte, akute Darmentzündungen und funktionelle Darmstörungen dazu
Die Abklärung zur Transplantation gründet sich auf eine Reihe unterschiedlicher Kriterien. Zu den etablierten Kriterien die ein zunehmendes Versagen der parenteralen Ernährung anzeigen und eine Transplantation unausweichlich machen gehören:
A. Prinzipielle Kriterien zur Dünndarmtransplantation
- Irreversibles intestinales Versagen mit wesentlichen Komplikationen
- Verlust von 2 oder mehr zentralvenösen Zugangswegen
- Rezidivierende und nicht beherrschbare Störungen des Flüssigkeitshaushaltes
- Versagen der Ernährungstherapie
- Gewichtsverlust, Hypoalbuminämie < 3mg/dl
- Schwere oder rezidivierende Kathetersepsis
- Schwere Leberfunktionsstörung
- Bilirubin >3 mg/dl (50 µmol/L)
- Portale Hypertension
- TPN-Abhängigkeit > 6 Monate
B. Kriterien zur isolierten oder in Kombination durchgeführten Dünndarmtransplantation
Isolierte Dünndarmtransplantation
- Keine oder reversible Leberdysfunktion
- Milde oder keine portale Hypertension
Kombinierte Leber- und Dünndarmtransplantation
- Progressive moderate bis schwere Lebererkrankung
- Intestinales Versagen mit Hyperkoagulabilitätssyndrom
Multiviszeraltransplantation
- Kombinierte Organversagen
- Frozen abdomen (stark vernarbter Bauchraum)
- Gardner-Syndrom (Desmoidtumor und familiäre adenomatöse Polyposis)
Wann kann eine Dünndarmtransplantation nicht durchgeführt werden?
Bei einer im Körper generalisierten Infektion, und/oder beim Eindringen von Krankheitserregen in die Blutbahn (Sepsis) kann eine Dünndarmtransplantation nicht durchgeführt werden. Auch bösartige Tumoren verbieten eine Dünndarmtransplantation. In beiden Fällen würde die nach der Transplantation notwendige Immunsuppression zu einer unkontrollierbaren Infektion oder zu einem verstärktem Tumorwachstum führen. Zurückhaltung ist bei älteren Patienten, fortgeschrittenen Herz-Kreislauferkrankungen, ausgeprägter Nierenschädigung, einer fehlenden Patientenkooperation, sowie psychische Erkrankungen (z.B. schwere Depressionen oder Psychosen) geboten.
Mit der Organvermittlung in Deutschland (und in 6 weiteren europäischen Ländern) ist die Eurotransplant-Stiftung mit Sitz in Leiden (Niederlande) beauftragt. Damit darf eine Organvermittlung innerhalb Deutschlands ausschließlich über diese Organisation erfolgen. Für jedes gemeldete Spenderorgan werden dort anhand der vorliegenden Patientendaten und der mittels eines Score-Systems gemeldeten Dringlichkeit die in Frage kommenden Empfänger ermittelt. Dabei müssen Spender und Empfänger die gleiche Blutgruppe besitzen. Zusätzlich sollten Größe und/oder Gewicht von Empfänger und Spender einigermaßen übereinstimmen. Abweichungen zwischen zehn und 20 Prozent sind im Einzelfall akzeptabel. Dies hängt von verschiedenen medizinischen Gesichtspunkten ab (z.B. Dringlichkeit der Transplantation, Voroperationen). Für Dünndarm- oder Multiviszeraltransplantationen werden vorwiegend schlanke Spender mit stabilem Kreislauf und einem Alter unter 50 Jahren ohne intestinale Vorerkrankungen herangezogen.
Eine erste Vorentscheidung, ob ein entsprechendes Spenderangebot für den entsprechenden Empfänger passt, müssen die in diesen Dingen entsprechend erfahrenen Ärzte des Transplantationszentrums, das die Dünndarm/Multiviszeraltransplantation durchführt, aufgrund der telefonisch übermittelten Daten treffen. Die endgültige Entscheidung über die Annahme eines Spenderorgans trifft dann das Explantationsteam vor Ort - nach Überprüfung aller dort vorliegenden Spenderdaten (z.B. Laborwerte) und Inspektion und Palpation (Tastbefund) der Bauchorgane. Liegen adäquate Spenderorgane vor und ist der Empfänger zum Zeitpunkt der Organvermittlung in einem transplantationsfähigen Zustand, wird der Dünndarm/ werden die Organe für diesen Patienten angenommen. Besteht beim Empfänger eine Kontraindikation für den geplanten Eingriff, so werden die Organe von Eurotransplant für die nächsten passenden Patienten auf der Warteliste angeboten.
Die meisten Patienten haben zum Zeitpunkt der Transplantation bereits eine lang dauernde Erkrankung hinter sich mit häufigen Arztbesuchen und regelmäßigen Klinikaufenthalten. Die Transplantation führt zu einer erheblichen Verbesserung des Allgemeinbefindens und der Lebensqualität.
Die seelischen Befindlichkeiten nach einer Transplantation sind für die Patienten kein leichter Spaziergang, aber doch ein Weg in ein besseres Leben. Die meisten Patienten akzeptieren relativ schnell, dass sie gewisse Vorsichtsmaßnahmen ergreifen und in enger Anbindung an die betreuenden Transplantationsärzte leben müssen. Dies wird in der Regel sogar als ein gewisser Vorteil gesehen. Es gibt wenige Personengruppen, deren Gesundheit so engmaschig und kontinuierlich kontrolliert wird, wie lebertransplantierte Patienten. Die neuen Organe werden als „eigen“, die Transplantation als der Beginn eines neuen Lebens akzeptiert, das man nun bewusster führt als dies vielleicht vor der Transplantation der Fall war.
Dünndarmtransplantierte haben gute Chancen, dieses neue Leben über lange Zeit zu genießen. Durch ständige Verbesserung der Technik und Forschung auf dem Gebiet der Immuntherapie (Immunsuppression) steigt die Überlebensrate stetig an. Gegenwärtig werden Einjahres-Überlebensraten von nahezu 90% und 3-Jahres-Überlebensraten von circa 70% erreicht. Die Überlebensquoten sind jedoch stark abhängig von der Grunderkrankung sowie dem Gesamtzustand, Folge- und Begleiterkrankungen des Patienten.