Nach der OP einer Nierentransplantation
Sobald der Patient nach Transplantation ausreichend atmet, die Herzfunktion ohne Unterstützung von Medikamenten zufriedenstellend ist kann der Patient auf die Transplantationsstation verlegt werden. Dies ist bei Patienten ohne größere Komplikation normalerweise bereits im Anschluss an die Transplantation möglich. Mit Hilfe und Anleitung des Pflegepersonals und Physiotherapeuten muss jeder Patient möglichst früh aus dem Bett aufstehen, sich (unter Hilfe) selber waschen und Atemübungen durchführen.
Zur Operation wird ein Blasenkatheter gelegt. Der muss bis die Nähte der Harnblase verheilt sind sowie zur besseren Kontrolle der Ausscheidung ca. 5-6 Tage belassen werden. Das kann unangenehm sein (krampfartige Schmerzen), die Beschwerden lassen sich aber medikamentös lindern.
Die meisten transplantierten Nieren produzieren gleich Urin. Es kann aber aucheinige Tage bis sogar Wochen dauern, bis sich das neue Organ vom „Operationsstress“ erholt hat. Zwischenzeitlich muss dann dialysiert werden. Dies ist zunächst kein Grund zur Beunruhigung.
Der Patient verbleibt in der Regel 2 Wochen auf der Transplantationsstation. Diese Zeit wird genutzt, um die medikamentöse Therapie zu optimieren, die immunsuppressiven Medikamente individuell einzustellen und eventuelle Abstoßungen in dieser frühen postoperativen Phase zu erfassen. Sobald der Patient medikamentös gut eingestellt ist und keine weiteren Komplikationen auftreten, kann er entweder in die ambulante Betreuung des Transplantationszentrums oder in die stationäre Rehabilitation verlegt werden. In der Regel sind in den ersten drei Monaten wöchentliche Kontrollen im Transplantationszentrum notwendig, um eine mögliche Abstoßung des Transplantats frühzeitig festzustellen und richtig therapieren zu können. Aufgrund dieser Vorsichtsmaßnahmen ist die Gefahr die Transplantatniere aufgrund einer akuten Abstoßung zu verlieren gering.
Das Wichtigste aber für „die Zeit danach“ ist das Erlernen einer gewissen Eigenverantwortung für die eigene Gesundheit. Diese Eigenverantwortung erlernt man bei der richtigen Einstellung sehr rasch. Dass dazu (neben der persönlichen Einstellung) notwendige Grundwissen erhält man unter Anleitung der betreuenden Ärzte und des Pflegepersonals sehr rasch. Eine sehr gute Schulung erhalten die Patienten auch während der stationären Rehabilitation. Deshalb raten wir unseren Patienten dringend das Angebot der stationären Rehabilitation wahrzunehmen.
Postoperative Immunsuppression
Um eine Abstoßungsreaktion gänzlich vermeiden zu können, müsste das Spenderorgan von einer genetisch identischen Person stammen, wie dies nur bei einem eineiigen Zwilling der Fall wäre. Da dies bei einer Nierentransplantation in der Regel nicht der Fall ist, ist schon vor und auch während der Operation die Verabreichung von Medikamenten erforderlich, die das Erkennen des Organs als fremd abmildern und die Abstoßung soweit wie möglich verhindern sollen.
Die Steuerung der immunsuppressiven Behandlung wird dem einzelnen Patienten angepasst. Bereits die Auswahl der einzelnen Substanzklassen zum Zeitpunkt der Transplantation berücksichtigt solche individuellen Besonderheiten. Im langfristigen Verlauf wird dann einerseits das immunologische Risiko in Hinblick auf Gewebeübereinstimmung, frühere Transplantationen und Antikörperstatus gegen den Spender berücksichtigt, andererseits ist aber auch der individuelle Verlauf und damit das Auftreten immunologischer Reaktionen auf das Transplantat bzw. das Auftreten von Infekten zu berücksichtigen.
Die Immunsuppressiva sind leider nicht so spezifisch, dass sie nur die Reaktion des Körpers auf das fremde Organ verhindern; darüber hinaus wird insgesamt die Immunantwort des Körpers auf Eindringlinge von außen – also auch Bakterien, Viren oder Pilze – geschwächt. Deswegen ist die Kombination und Dosierung der Immunsuppression permanent ein Balanceakt zwischen der Unterdrückung der Abstoßungsreaktionen einerseits und dem Risiko der damit verbundenen erhöhten Infektanfälligkeit andererseits.
Generell ist festzustellen, dass in der Frühphase nach Transplantation mehr Immunsuppression erforderlich ist als im Langzeitverlauf. Dementsprechend kann die Zahl der Immunsuppressiva wie auch deren Dosierung im Langzeitverlauf oftmals reduziert werden.
Das allgemeine Tumorrisiko ist durch die Immunsuppression auf das ca. dreifache erhöht. Weiterhin können die notwendigen Medikamente gegen Abstoßung zu Zuckerkrankheit (Diabetes mellitus) und Bluthochdruck (Hypertonie) führen, aber auch das Transplantat schädigen und damit zum langsamen Nierenversagen (siehe oben) führen.
Medikamente
Neben den immunsuppressiven Medikamenten müssen zusätzliche Stoffe eingenommen werden. Diese sollen den Körper vor Infektionen schützen oder die Nebenwirkung der immunsuppressiven Therapie abmildern. Der Einsatz und die Art der Begleitmedikation variiert und wird spezifisch auf an die Bedürfnisse des Patienten angepasst.
Die gängigsten Medikamente dienen der Förderung der Nierenfunktion. Die sogenannten HMG CoA-Reduktase-Hemmer senken die Cholesterinspiegel im Blut. Als blutdrucksenkende Medikamente kommen vor allem die Kalziumkanalblocker in Frage. Die Senkung des Blutzuckers ist in der Regel bei Patienten, die bereits vor Transplantation erhöhte Blutzuckerwerte aufweisen, angezeigt. Säurehemmer oder -blocker werden eingenommen, um die Säureproduktion im Magen zu reduzieren oder gebildete Magensäure zu binden.
Da bei Immunsuppression der Organismus anfälliger für verschiedene Arten von Pilzinfektionen ist, wird ein lokal wirksames Pilzmittel (Antimykotica) zur Prophylaxe einer Pilzinfektion im Magen-Darm-Bereich gegeben.
Virostatika verhindern eine Vermehrung von Viren und damit die Ausbreitung einer Virusinfektion. Bei einem Cytomegalievirus positivem Organ wird für die ersten 3 Monate die prophylaktische Gabe einer antiviralen Medikation empfohlen (z.B. Valgancilclovir).
Medikamente gegen Bakterien werden nur bei entsprechenden Infektionen verordnet. Eine PCP Prophylaxe gegen eine Pneumocystis carinii wird für die ersten 6 Monate empfohlen.
Zeitpunkt der Medikamenteneinnahme
Zusammengefasst sollten folgende Regeln bei der Medikamenteneinnahme unbedingt beachtet werden:
- Die Medikamente sollten regelmäßig und zur gleichen Zeit, wie vom Arzt empfohlen, eingenommen werden.
- Die Dosis sollte eingehalten werden wie von einem in der Transplantationsmedizin erfahrenen Arzt verordnet, auch wenn man sich sehr gut fühlt oder wenn man kurzfristig unter Nebenwirkungen der Medikamente zu leiden hat.
- Wenn man versehentlich eine erheblich höhere Dosis als die empfohlene eingenommen hat oder die Medikamenteneinnahme mehr als einmal vergessen hat, sollte man den Arzt informieren.
- Wenn man die Medikamenteneinnahme nur einmal vergisst, sollte man trotzdem weiterhin den ganz normalen Rhythmus einhalten (und nicht bei der nächsten Einnahme die doppelte Dosis nehmen).
- Man sollte nie irgendwelche zusätzlichen Medikamente, die der behandelnde Arzt nicht verschrieben hat, in der Apotheke oder Drogerie einkaufen und einnehmen. Aufgrund des komplexen Wirkungsmechanismus der Immunsuppresiva sind erhebliche Wechselwirkungen mit anderen teils völlig harmlosen Medikamenten bekannt. So kann z. B. die Einnahme von Johanniskraut, einem häufig verwendeten rein pflanzlichen Medikament gegen Depressionen, die Serumspiegel der Immunsuppressiva stark absenken und zu Abstoßungsreaktionen führen.
- Zusätzlich sollten die Basis-Immunsuppressiva Tacrolimus oder Cyclosporinnicht unter Verwendung von Grapefruitsaft eingenommen werden. Dieser wird über ein ähnliches Enzym wie die Substanzen verstoffwechselt und kann deshalb deren Abbau hemmen. Damit kann es zu erheblich gesteigertem Spiegel der Medikamente kommen, die wiederum starke Nebenwirkungen zur Folge haben können.
Jeder Patient, der sich größeren chirurgischen Eingriffen unterzieht, kann postoperative Komplikationen erfahren. Transplantierte Patienten haben das zusätzliche Risiko der Immunsuppression, die ihr Immunsystem schwächt und damit auch die Fähigkeit, Infektionen zu bekämpfen. Die Mehrheit der Patienten erfahren tatsächlich auch kleinere Komplikationen in den ersten Wochen nach Transplantation. Diese sind allerdings kein Grund für ernsthafte Befürchtungen, da sie in der Regel durch die Behandlung von erfahrenen Transplantationsärzten ohne Probleme gemeistert werden können.
Neben den bei jeder Operation möglichen Komplikationen wie unter anderem Nachblutungen, Wundinfektionen, Lungenentzündung, die Möglichkeit einer Thrombose mit evtl. nachfolgender Lungenembolie birgt eine Nierentransplantation auch einige typische Komplikationsmöglichkeiten. Bei der Operation können z.B. Begleitstrukturen wie Lymphgefäße oder Blutgefäße im Bauchraum verletzt werden. Eine urologische Komplikation ist die Ausbildung einer Urinfistel an der Blase. Eventuell muss in solchen Fällen nachoperiert werden, um das Problem zu beheben.
Die Funktion der transplantierten Niere reicht in der Regel aus, um die erforderliche Ausscheidung wiederherzustellen. In einigen Fällen kann es jedoch zu einem verzögerten Funktionseintritt der Transplantatniere kommen. Häufig erholt sich das Transplantat dann aber relativ schnell von dem „Operationsstress“ und nimmt nach wenigen Stunden bis Tagen seine Tätigkeit auf. Glücklicherweise kommt es nur sehr selten vor, dass ein Transplantat gänzlich versagt und der Patient wieder dialysepflichtig wird. In diesem Fall kann er zur Retransplantation gelistet werden.
Das Infektionsrisiko, besonders hinsichtlich Pilz- und Virusinfektionen, ist durch die notwendige Immunsuppression erhöht (siehe Kapitel Vermeidung von Infektionen).
Bei einer Abstoßungsreaktion ist es außerordentlich wichtig, die Warnsignale zu kennen und bei deren Auftreten sofort die betreuenden Transplantationsärzte zu kontaktieren. Mögliche Zeichen einer Abstoßungsreaktion sind Schwächegefühl, schnelles Ermüden, erhöhte Temperatur über 37,5° C über mehrere Stunden, Appetitlosigkeit, Rückgang der Harnaussscheidung, Flüssigkeitseinlagerungen (Ödeme) im Körper und Schmerzen im Bereich des Transplantates. Häufig verlaufen akute Abstoßungsreaktionen aber auch ohne für den Patienten spürbare Symptome. Deshalb sind regelmäßige Blutuntersuchungen notwendig.
Die Diagnose einer akuten Abstoßung wird in der Regel nach Biopsie der Transplantatniere gestellt, nachdem vorher klinische oder laborchemische Hinweise bestanden haben. Die Biopsie hat in der Regel keine schädlichen Folgen für das Transplantat, da nur sehr wenig Gewebe dem Pathologen für die Befundung ausreicht.
Die Therapie der akuten Abstoßung richtet sich nach dem Schweregrad des Befundes aus der Biopsie. Häufig reicht die Applikation von hoch dosiertem Kortison an drei aufeinanderfolgenden Tagen. Gleichzeitig wird die Basisimmunsuppression erhöht und ggf. ein zusätzliches immunsuppressives Präparat dazugegeben. Beim Vorliegen einer Kortison-resistenten Abstoßung erfolgt die Therapie mit einer gegen T-Zellen gerichteten Antikörpertherapie über 3 bis maximal 10 Tage. Aufgrund der Verbesserung in der Immunsuppression ist die Gefahr das Transplantat aufgrund einer akuten Abstoßung zu verlieren nur sehr gering.
Um auch langfristig eine möglichst gute Transplantatfunktion zu erhalten, werden Laborparameter wie Serum-Kreatinin und Harnstoff im Serum regelmäßig kontrolliert und aufmerksam verfolgt. Trotz all der Erfolge der immunsuppressiven Behandlung und dem Rückgang der akuten Abstoßungsraten im ersten Jahr ist der Erhalt der Transplantatfunktion über viele Jahre nicht immer gesichert. Manchmal schreitet die chronische Transplantat-Dysfunktion langsam und schleichend voran und wird dadurch erst später erkannt. Insbesondere ein neues Auftreten einer Proteinurie ist oftmals Ausdruck einer immunologisch bedingten Schädigung an den Gefäßen im Nierenkörperchen (Glomerulum), welches in der Transplantatbiopsie dann das Bild einer Transplantat-Glomerulopathie bietet. Anhand der Biopsie-Beurteilung erfolgt eine Unterscheidung nach dem führenden Schädigungsmechanismus (immunologisch, Vernarbung ohne Entzündung, , Nebenwirkung bestimmter Immunsuppressiva), um dann die Therapie des Patienten entsprechend anzupassen.
Nach Abschluss der stationären Behandlung erfolgt in der Frühphase nach Transplantation zunächst zwei bis dreimal pro Woche eine ambulante Kontrolle. Dabei werden Blut-, Ultraschall- und evtl. auch Röntgenuntersuchungen gemacht. Bei stabiler Transplantatfunktion werden dann die Abstände zwischen den Kontrollen im weiteren Verlauf immer länger (vier bis sechs Wochen).
Die Bestimmung wichtiger Blut- und Urinparameter sollte allerdings trotzdem weiterhin regelmäßig (ca. alle vier Wochen) durchgeführt werden. Dies kann beim Hausarzt oder beim behandelnden Nephrologen erfolgen. Lediglich die Bestimmung der Medikamentenspiegel muss in einem Speziallabor durchgeführt werden. Dieses übermittelt die Werte dann dem Transplantationszentrum, das gegebenenfalls eine Adaptierung der Dosis dem Patienten telefonisch mitteilt.