Voraussetzungen und Möglichkeiten einer Nierentransplantation
Es gibt viele unterschiedliche Erkrankungen, die die Nieren betreffen können. Eine Transplantation kommt dann in Frage, wenn sich das aus diesen Erkrankungen resultierende Versagen der Nieren nicht mehr zurückbilden kann – also endgültig ist – und deshalb zur Erhaltung des Lebens ein Nierenersatzverfahren bereits notwendig ist oder in Kürze notwendig sein wird. Eine Dialysebehandlung kann dabei nur in Ausnahmefällen bei Patientinnen und Patienten umgangen werden, nämlich dann, wenn eine Transplantation durch Lebendspende möglich ist. Ist jedoch kein geeigneter Lebendspender für die Patientin bzw. den Patienten vorhanden, muss die Zeit, bis eine geeignete Transplantatniere angeboten wird, mit der Dialyse überbrückt werden. Aufgrund der Organknappheit in Deutschland und weltweit kann es sich dabei meist um mehrere Jahre handeln.
Nierenerkrankungen, die zu dem oben genannten terminalen Nierenversagen führen können, sind unter anderem:
- Diabetische Nephropathie auf Grund einer langen bestehenden Zuckerkrankheit, die sekundär zu Nierenschäden geführt hat
- Glomerulonephritis, eine Erkrankung der Nierenkörperchen (Glomerula), die häufig durch verschleppte Infektionen (zum Beispiel Grippe) verursacht werden kann
- Pyelonephritis (Nierenbeckenentzündung). Eine solche Infektion kann von der Harnblase in die Nieren aufsteigen. Wenn die Nieren häufiger von Entzündungen betroffen sind oder diese nicht richtig ausheilen, kann es zu schweren Nierenschäden kommen.
- Schrumpfniere durch Medikamente: Dabei handelt es sich vor allem um eine über lange Zeit andauernde übermäßige Einnahme von Schmerzmitteln.
- Nephrosklerose aufgrund eines langen, schlecht eingestellten Bluthochdrucks, der die Nieren schädigen kann.
- Zystennieren (häufig erblich bedingt). Viele Menschen haben – oft als Zufallsbefund entdeckt – ein oder zwei Zysten in der Niere. Dies hat keine Auswirkung auf die Nierenfunktion. Wenn allerdings die Niere durch zahlreiche Zysten durchsetzt ist und das funktionsfähige Gewebe der Niere dadurch verdrängt wird, kann dies zu einem endgültigen Ausfall der Nierenfunktion führen.
- Schrumpfniere: Dabei handelt es sich um eine Erkrankung, die durch eine angeborene oder erworbene Unterversorgung des Nierengewebes mit Blut entsteht. Das Gewebe geht zu Grunde, die Niere schrumpft und funktioniert nicht mehr.
- Hydronephrose oder auch Wassersackniere. Diese entsteht durch einen Abflussstau des Urins. Der Rückstau drückt auf das Nierengewebe und schädigt dieses, wenn die Ursache (z.B. durch eine Verengung des Harnleiters) nicht rechtzeitig behoben wird.
Durch die oben genannten Erkrankungen können die Nieren nicht mehr in ausreichender Weise Urin bilden bzw. diesen konzentrieren und damit die Giftstoffe ausscheiden. Dies führt zu einer ganzen Reihe von Folgeerscheinungen: So ist häufig der Phosphatstoffwechsel und der Säure-Basenhaushalt des Körpers gestört. Die reduzierte Flüssigkeitsausscheidung führt dazu, dass sich Ödeme bilden – z.B. in den Beinen, aber auch in der Lunge. Die im Körper zurückgehaltenen Giftstoffe können verschiedene Organe schädigen.
Als einzige akute Möglichkeit, um in einer solchen Situation Abhilfe zu schaffen, bleibt die Blutwäsche (Hämodialyse). Alternativ kann auch über eine Bauchfellwäsche (Peritonealdialyse) versucht werden, die Giftstoffe zu entfernen. Die chronische Dialyse bringt allerdings viele Einschränkungen für die Lebensqualität der Patientinnen und Patienten mit sich. Die Patientin bzw. der Patient muss sich bei der Zufuhr von Nahrungsmitteln und Flüssigkeiten erheblich einschränken und ist darauf angewiesen, sich permanent in der Nähe einer Dialysestation aufzuhalten. Darüber hinaus hat die Dialyse – auch bei regelmäßiger Durchführung und Überwachung der Patientin bzw. des Patienten – nicht unerhebliche Langzeit-Nebenwirkungen.
Deshalb ist die Nierentransplantation sicherlich für die Patientinnen und Patienten, die dafür in Frage kommen, die derzeit beste Lösung. Der behandelnde Nephrologe und die Patientin bzw. der Patient müssen gemeinsam evaluieren und entscheiden, ob die Nierentransplantation in Frage kommt und diese für die jeweilige Patientin bzw. den jeweiligen Patienten die bestmögliche Option darstellt.
Mit der Organvermittlung in Deutschland (und in sieben weiteren europäischen Ländern) ist die Eurotransplant-Stiftung mit Sitz in Leiden (Niederlande) beauftragt. Damit darf eine Organvermittlung innerhalb Deutschlands ausschließlich über diese Organisation erfolgen. Patienten, die in Deutschland transplantiert werden wollen, ob nach Postmortalspende oder nach Lebendspende müssen bei Eurotransplant gelistet sein. Für jedes gemeldete Spenderorgan werden dort anhand der vorliegenden Patientendaten und der mittels eines Punkte-Systems die in Frage kommenden Empfänger ermittelt. Die Punkte werden in Abhängigkeit von der Wartezeit, einem Regionalfaktor sowie der Übereinstimmung der Gewebemerkmale vergeben. Besonders berücksichtigt werden Kinder, Patienten mit seltenen Gewebemerkmalen oder mit hohem Antikörpertiter (z.B. auf Grund von Voroperationen). Zusätzlich sollten Größe und/oder Gewicht von Empfänger und Spender nicht zu große Unterschiede aufweisen.
Eine erste Vorentscheidung, ob ein entsprechendes Spenderangebot für den entsprechenden Empfänger passt, müssen die in diesen Dingen entsprechend erfahrenen Ärzte des Transplantationszentrums, das die Nierentransplantation durchführt, aufgrund der telefonisch übermittelten Daten treffen. Die endgültige Entscheidung über die Annahme eines Spenderorgans trifft dann das Explantationsteam vor Ort - nach Überprüfung aller dort vorliegenden Spenderdaten (z.B. Laborwerte, Nierenfunktion) und Inspektion und Palpation (Tastbefund) der Niere. Liegt ein adäquates Spenderorgan vor und ist der Empfänger zum Zeitpunkt der Organvermittlung in einem transplantationsfähigen Zustand, wird das Organ für diesen Patienten angenommen. Besteht beim Empfänger eine Kontraindikation für den geplanten Eingriff, so wird das Organ von Eurotransplant für den nächsten passenden Patienten auf der Warteliste angeboten.
In Deutschland werden jährlich nur knapp 2.000 Nieren von Verstorbenen transplantiert. Es stehen allerdings ca. 8.000 Patienten auf der Warteliste, der tatsächliche Bedarf ist wahrscheinlich sogar noch viel höher. Aufgrund dieser großen Diskrepanz beträgt die mittlere Wartezeit mehrere Jahre. Das bedeutet in dieser Zeit durch die Abhängigkeit von der Dialyse eine starke Einschränkung der Lebensqualität und der Gesundheit.
Eine Alternative zur Transplantation einer Niere eines hirntoten Spenders ist die Nieren-Lebendspende. Darunter versteht man die altruistische Spende einer der beiden Nieren eines lebenden Menschen. Der Anteil der Lebendspende an der Gesamtzahl der Nierentransplantation hat in den letzten Jahren in Deutschland stetig zugenommen und erreicht derzeit ca. 25 %. Erfreulicherweise evaluieren immer mehr Patienten und Angehörige diese Möglichkeiten mit ihren behandelnden Ärzten.
Die Nieren-Lebendspende ist im Transplantationsgesetz genau geregelt, der Kreis der Patienten, die für einen bestimmten Empfänger gesetzlich in Frage kommen, ist genau definiert. Dabei handelt es sich um Verwandte 1. oder 2. Grades, um verheiratete Partner, Verlobte oder Personen, die nachgewiesenermaßen dem Spender in persönlicher Verbundenheit offenkundig nahestehen.
Die Lebendspende ist selbstverständlich vollkommen freiwillig, der Spender muss volljährig sein und nach kompletter Aufklärung über die Art und den Umfang des Eingriffes sowie dessen mögliche Spätfolgen der Spende umfassend aufgeklärt sein und schriftlich zustimmen.
Die Altersgrenzen für eine Nieren-Lebendspende liegen zwischen 20 und 80 Jahren. Medizinische Voraussetzungen sind unter anderem zwei gesunde Nieren, ein gut funktionierendes Herz, normale Gefäße, kein Bluthochdruck und kein Blutzucker.
Im Gegensatz zur Nierentransplantation nach Postmortalspende muss bei der Nierentransplantation durch Lebendspende die Blutgruppe zwischen Spender und Empfänger nicht identisch sein. Im Transplatationszentrum der LMU wurden bereits mehr als 100 Blutgruppen nicht identische Nierentransplantationen nach Lebendspende durchgeführt. Allerdings bedarf diese mehrere Wochen Vorlauf vor der eigentlichen Transplantation, da der Empfänger durch spezielle Infusionen und spezielle Formen der Blutwäsche vorbehandelt werden muss. Verschiedene Studien in den letzten Jahren konnten aber zeigen dass das Langzeitergebnis nach Blutgruppenungleichheit nahezu identisch ist im Vergleich zur Transplantation bei Blutgruppengleicheit zwischen Spender und Empfänger.
Darüber hinaus gibt es noch spezielle Voraussetzungen für eine Nieren-Lebendspende (s. Kapitel Lebendspende).
Die Spenderniere wird meistens über einen seitlichen Schnitt im Bereich des Oberbauches entnommen, die Wunde anschließend chirurgisch verschlossen. Durchschnittlicher Krankenhausaufenthalt nach einem solchen Eingriff beträgt 7 bis 10 Tage, die Arbeitsunfähigkeit ca. 1 bis 3 Monate. In jedem Fall sollte der Spender die ersten 6 Wochen nach Spende nicht mehr als 5 kg tragen.
Wie jede Operation kann natürlich auch die Entnahme einer Niere bei einem Lebendspender zu Komplikationen führen. Häufig sind hier bei Wundheilungsstörungen, reaktive Temperaturerhöhungen und Harnwegsinfekte. Die meisten der Komplikationen bilden sich zurück oder heilen aus und sind im Langzeitverlauf ohne Bedeutung. Insgesamt kann der Spender mit der verbleibenden Niere sehr gut leben.. Darüber hinaus werden Lebendspender sehr engmaschig nachkontrolliert – eine Funktionseinschränkung des verbleibenden Organs würde frühzeitig erkannt und entsprechend behandelt.
Die Nieren-Lebendspende hat für den Empfänger viele Vorteile. Die lange Wartezeit auf eine Niere eines Verstobenen kann beträchtlich verkürzt werden. Die Operation ist vom zeitlichen Ablauf her genau planbar. Das Organ hat eine sehr kurze Konservierungszeit da beide Operationen (Explantation beim Spender, Implantation beim Empfänger) in der Regel im gleichen Zentrum durchgeführt werden. Darüber hinaus zeigen die Erfahrungen, dass Nieren von Lebendspendern eine bessere Funktionsrate und letztendlich auch eine längere Funktionsdauer haben als die Nieren von Verstorbenen.
Die meistern schwer niereninsuffizienten Patienten haben zum Zeitpunkt der Nierentransplantation bereits eine lang dauernde Erkrankung hinter sich mit häufigen Arztbesuchen und regelmäßiger Dialyse. Die Nierentransplantation führt zu einer erheblichen Verbesserung des Allgemeinbefindens und der Lebensqualität.
Die körperlichen Befindlichkeiten und ggf. auch die psychischen Belastungen nach einer Transplantation stellen für manche Patienten keinen leichten Spaziergang dar, sind aber in der Regel doch nur vorübergehende Beschwernisse auf dem Weg in ein besseres Leben. Die meisten Patienten akzeptieren relativ schnell, dass sie gewisse Vorsichtsmaßnahmen ergreifen und in enger Anbindung an die betreuenden Transplantationsärzte leben müssen. Dies wird in der Regel sogar als ein gewisser Vorteil gesehen. Es gibt wenige Personengruppen, deren Gesundheit so engmaschig und kontinuierlich kontrolliert wird, wie transplantierte Patienten. Die neue Niere wird als „eigen“ angenommen, die Nierentransplantation als der Beginn eines neuen Lebens akzeptiert, das man nun bewusster führt als dies vielleicht vor der Transplantation der Fall war.
Nierentransplantierte haben gute Chancen, dieses neue Leben über lange Zeit zu genießen. Durch ständige Verbesserung der Technik und Forschung auf dem Gebiet der Immuntherapie (Immunsuppression) steigt die Funktionsdauer der Transplantate stetig an. Gegenwärtig werden Einjahres-Organ-Funktionsraten von über 85% erreicht. Die Nierenfunktions-Quoten sind jedoch stark abhängig von der Grunderkrankung sowie dem Gesamtzustand, Folge- und Begleiterkrankungen des Patienten. Im Durchschnitt funktioniert eine transplantierte Niere ca. 15 Jahre. Aus verschiedenen Gründen kann es allerdings zu einem langfristigen Versagen des Transplantates mit erneuter Dialysepflichtigkeit kommen und eine Retransplantation notwendig sein.