Zum Welt-Malaria-Tag (25.04.2024)

Für viele gilt Malaria als die Tropenkrankheit schlechthin. Mit einer jährlichen Sterblichkeit von mehr als einer halben Million ist die von Stechmücken übertragene Parasiteninfektion immer noch eine der führenden Ursachen für die geringe Lebenserwartung von Kindern und Schwangeren in betroffenen Regionen.
Oft wird vergessen, dass Malaria bis Mitte des vergangenen Jahrhunderts auch in Europa sehr verbreitet war, im Balkan, Italien, Griechenland, Kaukasus sowie in Südfrankreich aber auch selbst in den USA. Der breit angelegte Einsatz des heute in vielen Ländern verbotenen Insektenvernichtungsmittels DDT nach 1945 und die schon in den dreißiger Jahren begonnene Trockenlegung der Brutstätten machte die Ausrottung in Europa möglich.
Aufgrund dieser Erfolge betrieb die Weltgesundheitsorganisation (WHO) in den sechziger Jahren eine großangelegte Kampagne zur weltweiten Ausrottung der Malaria. Diese scheiterte jedoch, sodass die Malariaübertragung sogar in Gebiete, wo sie völlig verschwunden war, wie Sri Lanka, zurückkehrte. Gründe hierfür waren unter anderem die zunehmende Resistenz der Erreger, die Plasmodien, gegen die wenigen zur Verfügung stehenden Medikamente wie Chloroquin, aber auch die zunehmende Wirkungslosigkeit des DDTs auf die übertragenden Stechmücken. Im Grunde genommen ist der Misserfolg der Kampagne aber auf das Fehlen begleitender Forschung zurückzuführen. Im Vergleich dazu war die mit ähnlichen Mitteln durchgeführte Ausrottung der ebenfalls durch Mücken übertragenen Wurmerkrankung Flussblindheit wesentlich zielführender. In diesem Fall umfasste das Programm der Weltbank auch Forschungsmaßnahmen, wodurch rasche Anpassungen des Programms ermöglicht wurden.
Ende der achtziger Jahre erlebte die Malariaforschung eine Renaissance, in deren Folge langfristig erstaunlich wirksame neue Mittel entwickelt wurden: als erstes wurden mit neuartigen Insektenschutzmitteln, den Pyrethrenoiden, imprägnierte Moskitonetze getestet, die es tatsächlich in vielen Regionen Afrikas und Asien ermöglichten, die Malariasterblichkeit bei Kindern erheblich zu senken. Man hat auch gelernt, neuere Insektenvertilgungsmittel gezielter und sparsamer einzusetzen. Neue Medikamente wurden entwickelt, zumeist auf der Grundlage des schon in der Volksmedizin gut bekannten Wurmkrautes Artemisia. Abkömmlinge der in der Volksrepublik China entdeckten und an vielen Stellen weiterentwickelten Substanz Artemisinin erlaubten es, in Kombination mit anderen Wirkstoffen der Chlorochin-resistenz, zumindest vorläufig entgegenzutreten. Zur Bekämpfung der Schwangerschaftsmalaria haben sich Protokolle der intermittierenden Medikamentenbehandlung durchgesetzt.
Fig.1: Ausbreitung und Rückgang der Malaria seit 1900 (aus Lancet Infectious Diseases 2004,4,327-336)
Den größten Durchbruch stellt jedoch die Entwicklung gleich zweier Impfstoffe gegen Malaria dar: RTS, S/AS101 aus USA/Belgien sowie R21/Matrix-M aus Oxford dar.
Beide sind durch Arzneimittelagenturen zugelassen und werden jetzt in einigen Ländern durch großangelegte Impfkampagnen auf ihre langfristige Wirksamkeit geprüft. Vor kurzem sah es also noch so aus, als wäre das Beherrschen oder gar das Ausmerzen der Malaria in greifbare Nähe gerückt. Leider sollte man aber feststellen, dass die guten Fortschritte zu Anfang des ersten Jahrzehnts wieder rückläufig sind.
Starben im Jahr 2000 noch 897.000 Menschen an Malaria, waren es 2019 nurmehr 568.000, aber 2022 bereits 608.000, also eine deutliche Zunahme. Hierbei spielte die COVID-19 Pandemie eine tragende Rolle: Ressourcen wurden umgeleitet und die fragilen Gesundheitssysteme in vielen Entwicklungsländern lagen am Boden, wodurch viele Kranke nicht mehr versorgt werden konnten. Langfristig spielt aber der Klimawandel eine Rolle; der Temperaturanstieg hilft der Ausbreitung der Moskitos, die zahlreichen Überschwemmungen tun ein Selbes.
Neue Arten von Überträgermoskitos wie Anopheles stephensi erobern neue Lebensgrundlagen in verfallenen Stadtteilen. Die neueren und recht teuren Insektizide verlieren ebenfalls allmählich an Wirkung und auch gegen Artemisinine werden Plasmodien wohl weitgehender resistent werden. Auch die Wirkung der Schnelltests ist begrenzt; zunehmend wurden Mutanten der Plasmodien beobachtet, welche das im Test nachgewiesene Antigen nicht führen und somit falsch negative Resultate liefern. Ein Teil dieser negativen Elemente scheint also von früher bekannt.
Dies soll aber kein Grund zum Pessimismus sein. In der Tat ist die Malariaforschung heute mit Hilfe einer neuen Generation von Forscherinnen und Forschern in den Bereichen Feldepidemiologie, Parasitologie und Malariamolekularbiologie stärker als je, selbst bei rückläufiger Finanzierung. Die entscheidende Frage jedoch, wie man die bestens mit neuartigen Mitteln ausgerüstete Bekämpfung der Malaria dauerhaft in die fragilen und geschwächten Gesundheitssysteme von Ländern mit niedrigen Einkommen integriert, muss aber auch angegangen werden und sollte nicht in den anstehenden Reformvorhaben der Postpandemiezeit vernachlässigt werden.
Gastbeitrag von Dr. med. univ. Michel Pletschette, MSc, DTMH, Senior Researcher, Abteilung für Infektions- und Tropenmedizin, LMU Klinikum München
Dr. med. univ. Michel Pletschette, MSc, DTMH
Senior Researcher, Abteilung für Infektions- und Tropenmedizin, LMU Klinikum München