Therapie von Skelettmetastasen
Klinische Problemstellung
Bei vielen malignen Erkrankungen im fortgeschrittenen Stadium kommt es zu einer Tumorabsiedlung in das Skelettsystem, welche als Skelettmetastasen bezeichnet werden. Die wichtigsten Tumorleiden, die mit einer Skelettmetastasierung einhergehen können, sind Prostatakarzinome, Mammakarzinome, Bronchialkarzinome, Nierenkarzinome und Schilddrüsenkarzinome. Der Skelettbefall durch maligne Tumorzellen führt zu einem erhöhten Risiko für einen Knochenbruch sowie durch Abhebung bzw. Infiltration der umgebenden Knochenhaut (Periost) zu Schmerzen, die zusätzlich durch mechanische bzw. muskuläre Ursachen wie Nervenkompression, Muskelspasmen, Kompression des Knochenmarks etc. verstärkt werden können.
Grundlage und Prinzip der Therapie von Knochenmetastasen mit Radionukliden
Bei der palliativen nuklearmedizinischen Therapie von Knochenmetastasen geht es darum, eine möglichst hohe Strahlendosis in die Knochenmetastasen einzubringen bei gleichzeitiger Schonung des Knochenmarks. Zu diesem Zweck werden Radionuklide mit α- oder ß-Strahlung verabreicht, welche sich überwiegend am Skelett anlagern, vor allem dort, wo der Knochenstoffwechsel stark erhöht ist. Dies ist hauptsächlich bei sogenannten osteoblastischen Metastasen der Fall, die im Gegensatz zu osteolytischen Metastasen eine Stimulation der Osteoblastenaktivität und damit der Knochenneubildung aufweisen. Osteoblastische Metastasen werden vor allem bei Prostatakarzinomen jedoch auch bei Mammakarzinomen und anderen Tumorleiden beobachtet.
Therapie von Skelettmetastasen mit Xofigo® (Ra-223)
Eine Therapie mit Xofigo® (Ra-223) kann bei Patienten mit Knochenmetastasen, bei denen sich unter Hormontherapie ein Fortschreiten der Erkrankung zeigt, zu einer Verlängerung des Überlebens führen. Die Therapie ist allgemein zugelassen und wird von den Krankenkassen übernommen. Bei den Patienten dürfen keine Organ- oder sehr große Lymphknotenmetastasen vorliegen.
Wirkungsweise der Therapie mit Xofigo® (Ra-223)
Radium-223 ist ein sogenanntes Calciumanalogon und wird wie Calcium in das Hydroxylapatit neu gebildeter Knochen eingebaut. Dieser Einbau erfolgt in erhöhtem Maß innerhalb von knochenbildenden (ostesklerotischen bzw. osteoblastischen) Metastasen, die beim Prostatakarzinom überwiegend vorliegen. Xofigo® (Ra-223) bestrahlt dabei gezielt benachbarte Tumorzellen durch die energiereiche α-Strahlung und hat so einen lokalisierten zytotoxischen Effekt. Aufgrund der geringen Eindringtiefe der α-Teilchen kommt es zu einer Schonung des umgebenden Knochenmarks und zu geringeren Nebenwirkungen im Bereich des blutbildenden Systems als bei vergleichbaren knochengängigen Radiotherapeutika. Somit kann nach mehreren Zyklen ein verlangsamtes Wachstum oder sogar ein Rückgang des Knochenbefalls beim Prostatakarzinom erzielt werden, ohne dabei die Lebensqualität des Patienten oder die Möglichkeit anderer Therapien durch zusätzliche Nebenwirkungen zu beeinflussen.
Durchführung und Ablauf der Therapie
Nach Abklärung der Indikation und Durchführbarkeit der Therapie mit Radium-223 wird der Patient im Rahmen eines ausführlichen Aufklärungsgespräches informiert und über wichtige Komplikationen aufgeklärt. Die Therapie erfolgt ambulant. Es erfolgen 6 Gaben Xofigo® (Ra-223) mit einem zeitlichen Abstand von jeweils einem Monat. Vor dem ersten und nach dem sechsten Zyklus wird eine Skelettszintigraphie durchgeführt, um Speicherverhalten und Tumorbefall vor Therapiebeginn sowie das Ansprechen auf die Radium-223 Gabe zu bestimmen.
Welche Unterlagen und Untersuchungsergebnisse müssen vor der Therapie mit Xofigo® (Ra-223) Therapie vorhanden sein?
- Aktueller Arztbrief mit detaillierter Darstellung des bisherigen Verlaufes und Therapien des Prostatakarzinoms
- Verlauf der PSA-Werte, der letzte PSA-Wert sollte nicht älter als 4 Wochen sein.
- Übersicht aller vom Patienten eingenommenen Medikamente
- Aktuelle Laborbefunde (können an der Klinik und Poliklinik für Nuklearmedizin erhoben werden)
- CT- oder MRT-Befunde von Thorax/Abdomen/Becken (nicht älter als 8 Wochen)
- Kein Nachweis von Organmetastasen oder größeren Lymphknotenmetastasen (>3 cm) vorliegen.
- aktuelle Skelettszintigraphie (kann an der Klinik für Nuklearmedizin der LMU München durchgeführt werden)
- Kastrationsresistentes Prostatakarzinom mit symptomatischen Knochenmetastasen
- Alter über 18 Jahre
- Schriftliche Einwilligung des Patienten
- viszerale Metastasen
- Eingeschränktes Blutbild (Neutropenie, Thrombopenie oder Anämie je nach Ausmaß)
Sollte eine Therapie mit Ra-223 z.B. aufgrund von viszeralen Metastasen nicht möglich sein, kann - auf individueller Basis - ggf. eine Therapie mit radioaktiv markierten Peptiden (z.B. Lu-177 PSMA) durchgeführt werden.
Palliative nuklearmedizinische Schmerztherapie
bei Knochenmetastasen mit Samarium-153
Voraussetzungen, Indikationen, Nebenwirkungen
Diese Therapie ist geeignet für alle Patienten mit osteoblastischen Skelettmetastasen, die eine Schmerzsymptomtik aufweisen. Diese nuklearmedizinische Therapie bietet Patienten eine effektive und relativ risikoarme Möglichkeit, Knochenschmerzen zu lindern und dadurch die Lebensqualität zu verbessern. Die Therapie muss jedoch unter einem palliativen Aspekt gesehen werden, das heißt, eine Heilung des Leidens kann durch die Maßnahme nicht bewirkt werden.
Eine Radionuklidtherapie mit Samarium-153 setzt eine signifikante Anreicherung des Radionuklids in den Metastasen voraus. Diese muss vor jeder Radionuklidtherapie mittels einer Knochenszintigraphie überprüft werden, wobei diese möglichst nicht älter als 4 Wochen sein sollte. Eine Therapie ist in Betracht zu ziehen, wenn eine für den Patienten sehr schmerzhafte, multilokuläre bis disseminierte Skelettmetastasierung besteht, die primären Behandlungsmöglichkeiten ausgeschöpft sind und wenn und das Blutbild des Patienten nicht gegen die Durchführung der Therapie spricht. Eine Radionuklidtherapie darf bei Schwangerschaft und Stillzeit nicht durchgeführt werden. Eine pathologische Fraktur der Wirbelkörper als Ursache der Schmerzsymptomatik wie auch eine deutliche Kompression des Rückenmarkes sollte ausgeschlossen sein.
Durchführung der Therapie
Nach Abklärung der Indikation und Durchführbarkeit einer palliativen Schmerztherapie wird der Patient im Rahmen eines ausführlichen Aufklärungsgespräches informiert und über wichtige Komplikationen und Verhaltensmaßregeln aufgeklärt, anschließend wird eine schriftliche Einverständniserklärung eingeholt. Die Therapie kann in der Poliklinik für Nuklearmedizin bei entsprechenden Voraussetzungen ambulant durchgeführt werden. Selbstverständlich können Vor- und Nachdiagnostik sowie die Therapie bei bestehender Notwendigkeit auch im Rahmen eines 2-tägigen stationären Aufenthaltes auf unserer Station K0 erfolgen. Die Therapie besteht in der einmaligen intravenösen Verabreichung des Radionuklids. Nach der Injektion von Sm-153-EDTMP muss ein Ganzkörperszintigramm zur Dokumentation der Tracerverteilung angefertigt werden.
Die Therapie kann wiederholt angewandt werden. Nach dem sogenannten „Vienna-Protokoll“ werden die Therapien im ersten Jahr in 3 monatigen Abständen wiederholt . Ab dem 2. Jahr werden die Intervalle auf 6 Monate verlängert
Einschlusskriterien Therapie mit Sm-153
- Knochenschmerzen sowie mehrere in der Skelettszintigraphie stoffwechselaktive Knochenmetastasen eines Tumorleidens
- Alter über 18 Jahre
- Schriftliche Einwilligung des Patienten zur Therapie
Ausschlusskriterien
- Vorrausgegangene myelotoxische Chemotherapie
- Ausgedehnte externe Strahlentherapie
- Neutropenie, Thrombopenie oder Anämie je nach Ausmaß
- Schwangerschaft oder Stillzeit