Häufigste Diagnosen
In unserer überregionalen Spezialambulanz für Schwindel sind die häufigsten Diagnosen bei 37328 Patienten
(in absteigender Reihenfolge):
Funktioneller Schwindel 17,3 %
Benigner peripherer paroxysmaler Lagerungsschwindel (BPPV) 13,3 %
Vestibuläre Migräne 12,4 %
Morbus Menière 10,1 %
Unilaterale Vestibulopathie 9,1 %
Bilaterale Vestibulopathie 6,6 %
Vestibularisparoxysmie 3,2 %
Syndrome des 3. mobilen Fensters 0,5%
unklare Schwindelsyndrome 4,6 %
andere 8,8 %
Die verschiedenen Schwindelsyndrome lassen sich einteilen in periphere vestibuläre (das Labyrinth oder den Nervus vestibularis betreffend), zentrale vestibuläre (meist vom Hirnstamm oder Cerebellum ausgehend) und psychogene Formen.
Peripherer vestibulärer Schwindel
SYMPTOME: Durch Kopf- oder Körperlageänderung ausgelöste, meist heftige Drehschwindelattacken, Dauer: < 1 Minute, begleitet von Oszillopsien, Übelkeit und Erbrechen
KLINISCHER BEFUND: Bei Lagerung zum betroffenen Ohr Auslösung eines Lagerungsnystagmus, der rotierend zur Stirn mit crescendo- decrescendoartigem Verlauf schlägt und nach mehrfachem Lagern an Intensität abnimmt.
MECHANISMUS: Canalolithiasis ("Stein im Bogengang") des (meist) posterioren Bogengangs
THERAPIE: Lagerungstraining ("Befreiungsmanöver")
SYMPTOME: Subakut oder akut einsetzender Dauerdrehschwindel über Tage mit Oszillopsien, Fallneigung zur betroffenen Seite, Übelkeit, Erbrechen
KLINISCHER BEFUND: Rotierender Spontannystagmus zur nicht betroffenen Seite, pathologischer Kopfimpulstest
ZUSATZUNTERSUCHUNGEN: Elektronystagmographie mit kalorischer Spülung: einseitige kalorische Unter- oder Unerregbarkeit
MECHANISMUS: Entzündliche Veränderungen des N. vestibularis
AKUTE THERAPIE: Symptomatisch Antivertiginosa (z.B. Vomex A®) für max. drei Tage; Kausal gegen die Schwellung des Nerven: Cortison, z.B. Methylprednisolon 100 mg pro Tag; Gleichgewichtstraining zur Verbesserung der zentralen Kompensation
SYMPTOME: (klassische Trias):
1. Drehschwindel für Stunden bis zu einem Tag,
2. einseitiges meist niederfrequentes Ohrgeräusch ("Rauschen"),
3. einseitige Hörminderung (häufig zusätzlich "Druckgefühl" im betroffenen Ohr)
KLINISCHER BEFUND: In der Attacke Spontannystagmus und Hypakusis
ZUSATZUNTERSUCHUNGEN: Im Intervall bei längerem Krankheitsverlauf häufig einseitige Hypakusis und kalorische Untererregbarkeit
MECHANISMUS: Erhöhter Druck im Endolymphschlauch und intermittierendes Einreißen der Endolymphmembran
THERAPIE: Medikamentöse Langzeitbehandlung mit Betahistin (z.B. Aequamen® forte/retard oder Vasomotal® 24mg, 3 x 2 Tbl. für mindestens 6 -12 Monate, bei unzureichendem Ansprechen nach drei Monaten Dosis auf 4 - 5 x 2 Tbl. à 24 mg erhöhen.)
SYMPTOME: Schwankschwindel mit Oszillopsien beim Gehen, Zunahme im Dunkeln und auf unebenem Untergrund, in Ruhe beschwerdefrei, z.T. Gedächtnisstörungen
KLINISCHER BEFUND: bds. path. Halmagyi-Kopfimpulstest; breitbasiges Gangbild
MECHANISMUS: bds. Ausfall der Vestibularorgane mit Störung des vestibulo-okulären und vestibulo-spinalen Reflex
THERAPIE: Intensives aktives Gleichgewichtstraining
SYMPTOME: Rezidivierende, Sekunden bis Minuten dauernde Schwindelattacken (meist Drehschwindel), Attacken meist spontan auftretend, manchmal durch Kopflageänderung ausgelöst, sehr selten in der Attacke und/oder im Intervall Hypakusis oder Tinnitus
KLINISCHER BEFUND: In der Attacke Spontannystagmus, Fallneigung
ZUSATZUNTERSUCHUNGEN: MRT-Gefäßnerv-Kontakt in >90%, Ausschluß, z.B. zentraler Ursachen mittels MRT, Liquorpunktion und Evozierter Potentiale
MECHANISMUS: Gefäßnerv-Kontakt mit ephaptischer Erregungsübertragung
THERAPIE: Carbamazepin (3 x 100 - 2 x 400 mg/d, Tegretal®, Timonil®) oder Oxcarbamazepin (Trileptal 2-3 x300 mg/d) (Mittel der ersten Wahl), bei Entwicklung einer Allergie oder fehlender Wirkung Phenytoin (Zentropil® 1 - 2 x 100 mg/d) oder Gabapentin (Neurontin®)
Zentral vestibulärer Schwindel
SYMPTOME: Dreh- oder Schwankschwindel mit/ohne Übelkeit unterschiedlicher Dauer meist Begleitsymptome wie Doppelbilder, periorale Parästhesien, Facialislähmung, Schluck-, Sprechstörungen, Sensibilitätsstörungen an Armen/Beinen, Paresen, Ataxie
KLINISCHER BEFUND: meist zentrale Okulomotorikstörungen, Downbeat-, oder Upbeatnystagmus oder zentrale vestibuläre Syndrome und Störungen der Hirnnerven (s.o.)
SYMPTOME: Drehschwindel- oder Schwankschwindelattacken von Minuten bis Stunden, in 2/3 der Fälle Kopfschmerzen
KLINISCHER BEFUND: meist leichte zentrale Okulomotorikstörungen im Intervall
THERAPIE: symptomatische Behandlung: Antiemetika (Metoclopramid, Domperidon) Analgetika (Acetylsalicylsäure, Paracetamol, prophylaktische Behandlung: ß-Rezeptorenblocker (Metoprolol-succinat, Propranolol), Topiramat oder Valproinsäure
PSYCHOGENE SCHWINDELFORMEN
SYMPTOME: Schwankschwindel und subjektive Stand-/Gangunsicherheit, attackenartige Fallangst ohne Sturz, oft ausgelöst durch typische Situationen begleitet mit Angst oder vegetativen Mißempfindungen Besserung bei Sport und leichtem Alkoholkonsum, Entwicklung von Vermeidungsverhalten
KLINISCHER BEFUND: normaler neurologischer Befund und unauffällige Gleichgewichtstests
MECHANISMUS: Verstärkte Selbstbeobachtung der Balance ("Hyperreflektion"); Störung des Raumkonstanzmechanismus
THERAPIE: Erklärung des psychogenen Mechanismus, selbstkontrollierte Desensibilisierung (eventuell im Rahmen einer Verhaltenstherapie). Selektive Serotonin-Wiederaufnahmehemmer.