Was ist Schwindel
Als Schwindel wird entweder eine unangenehme Störung der räumlichen Orientierung bezeichnet oder die fälschliche Wahrnehmung einer Bewegung des Körpers oder der Umgebung (Drehen/Schwanken). Gerade bei der vieldeutigen Angabe des Patienten, unter "Schwindel" zu leiden, ist sowohl die sorgfältige Erhebung des Erkrankungsverlauf als auch die neurologische Augenuntersuchung und neurologische Ohrenuntersuchung von besonderer Bedeutung.
Schwindel, alles nur nicht selten
Schwindel ist häufig. Etwa jeder fünfte bis sechste Patient, der einen niedergelassenen Neurologen aufsucht, klagt über Schwindel.
In den Krankenhäusern zeigt sich ein ähnliches Bild.
Über die gesamte Lebenszeit hinweg kann jeder vierte Mensch damit rechnen, zumindest einmal krankhafte Schwindelbeschwerden zu haben.
Warum wird uns eigentlich schwindelig? Schwindelgefühle entstehen, wenn es irgendwo in den Gleichgewichtssystemen eine Störung gibt. Die Folge ist, dass der Betreffende die Umwelt oder sich selbst als Bewegung wahrnimmt, obwohl das nicht oder nicht in dem empfundenen Maße der Fall ist. Fällt das Gleichgewichtsorgan im Innenohr aus oder ist der Gleichgewichtsnerv geschädigt, reden Experten von einem "peripheren Schwindel". Ebenso wichtig für die Gleichgewichtsempfindung ist aber auch das zentrale Nervensystem, das Gehirn. Es setzt die Informationen der Sinnesorgane zu einem Gesamtbild zusammen. Ist dieser Integrationsprozess gestört, kann das ebenfalls eine Ursache für Schwindelbeschwerden sein. Vorkommen kann das bei bestimmten Durchblutungsstörungen des Gehirns, bei denen genau die Region geschädigt ist, die gleichgewichtsrelevante Informationen zusammenführt. Nimmt Schwindel seinen Ursprung im Gehirn, so heißt das "zentraler Schwindel".
Anamnese
Wichtige Unterscheidungskriterien der verschiedenen Schwindelsyndrome, die auch die Grundlage der klinischen Klassifikation bilden, sind:
a) die Art des Schwindels, d.h. Drehschwindel ("wie Karussellfahren") oder Schwankschwindel ("wie Bootfahren"),
b) die Dauer, d.h. Drehschwindelattacke (Sekunden wie z.B. bei der Vestibularisparoxysmie oder Stunden wie z.B. bei der Schwindelmigräne oder dem Morbus Menière) oder Dauerdrehschwindel (Tage bis wenige Wochen wie z.B. bei der Neuritis vestibularis) bzw. Schwankschwindelattacke (z.B. Hirnstamm-TIA) oder Dauerschwankschwindel (z.B. bilaterale Vestibulopathie oder Phobischer Schwankschwindel) und
c) die Auslösbarkeit/Verstärkung, d.h. Auftreten (des Schwindels) schon in Ruhe (z.B. Neuritis vestibularis) oder Auslösung durch Bewegung/Lagerung (z.B. Benigner peripherer paroxysmaler Lagerungsschwindel) oder bestimmte Situationen (z.B. Phobischer Schwankschwindel).
Formen:
Drehschwindel
Schwankschwindel
Dauer:
Schwindelattacke
Dauerschwindel
Auslöser:
Ja (zB. Lageänderung)
Nein
Begleitsymptome:
Ja (z.B. Hörminderung, Ohrgeräusche oder Doppelbilder, Ataxie
Nein
Ort der Entstehung:
Peripher ( Labyrinth oderGleichgewichtsnerv)
Zentral (Hirnstamm, Kleinhirn oder selten Cortex)
Die weiteren Fragen sollten auf mögliche Begleitsymptome zielen.
Finden sich
a) "otogene" Symptome wie zum Beispiel attackenartig verstärkte Ohrgeräusche oder Hörminderung die zum Beispiel für einen Morbus Menière sprechen, aber auch bei einer Hirnstammischämie auftreten können?
b) andere potentielle Hirnstammsymptome wie Doppelbilder, Gefühlsstörungen im Gesicht oder an den Extremitäten, Schluck-, Sprechstörungen, Lähmungen oder Feinmotorikstörungen? Diese Symptome deuten auf eine zentrale (meist Hirnstamm-) Läsion hin.
c) Kopfschmerzen (ein-, beidseitig oder nackenbetont) oder anamnestische Hinweise für Migräne? (Kopfschmerzen können bei vestibulärer Migräne, aber auch bei einer Hirnstammischämie oder Kleinhirnblutung auftreten!)
Fallneigung, Übelkeit und Erbrechen finden sich bei vielen Schwindelformen und führen daher differentialdiagnostisch nicht entscheidend weiter.
Das Führen eines Schwindeltagebuches verschafft dem Arzt einen besseren Einblick in den Verlauf ihrer Beschwerden. Dies ist für Diagnose und Therapie der Erkrankung eine große Hilfe.