Myositiden
Myositiden bilden eine heterogene Krankheitsgruppe erworbener, entzündlicher Muskelerkrankungen mit unterschiedlichen diagnostischen Kriterien, Verlaufsformen und therapeutischen Optionen. Die Ätiologie von DM, IMNM, PM/Overlap/MIRS, und IBM ist nicht final aufgeklärt, aber zumindest für die DM, IMNM und Overlap-Syndrom werden ursächlich autoimmune antikörpervermittelte Mechanismen angenommen. Diese Hypothese wird durch die häufige Assoziation mit anderen Autoimmunerkrankungen, durch die T-Zell-vermittelte Myotoxizität im entzündlich veränderten Muskel bzw. die komplementvermittelte Mikroangiopathie und den Nachweis von Autoantikörpern gestützt.
Sie unterteilen sich in:
- Autoimmunmyopathien/»Idiopathische« Myositiden
- Dermatomyositis (DM)
- Immunnekrotisierende Myopathie (IMNM)
- Einschlusskörpermyositis (inclusion body myositis, IBM)
- Polymyositis (PM)
- Antisynthetase-Syndrom assoziierte Myositis (ASS)
Das Auftreten von Muskelschwäche und -atrophien, die sich bei der DM und IMNM typischerweise akut, bei der PM/ASS-Syndrom meist subakut und bei der IBM immer primär chronisch entwickeln, kennzeichen diese Erkrankungsgruppe. Die proximalen Muskeln der Arme und Beine ist in der Regel am schwersten betroffen. Paresen bei der IBM können asymmetrisch und distal verteilt sein. Ebenso ist die Kopfhebermuskulatur, seltener die des Pharynx, mit involviert, sodass es zu Schwierigkeiten beim Halten des Kopfes und zur Dysphagie kommen kann. Bei der DM sind zusätzliche Haut- und Gelenkserscheinungen charakteristisch, welche neben den Muskelsymptomen auftreten oder diesen sogar vorausgehen können. Bis zu 50 % der Patienten leiden an Muskelschmerzen (DM > IMNM > ASS/PM) oder Arthralgien (DM, ASS). Auch ein Raynaud-Phänom kann auftreten. Bei ca. 10 % DM mit Jo-1-Antikörper und aber auch anderen Antisynthesase-Syndromen kann eine interstitielle Lungenerkrankung (fibrosierende Alveolitis) auftreten.
- Dermatomyositiden (DM) charakterisiert die kombinierte Haut- und Muskelbeteiligung. Amyopathische Verläufe ohne klinische Muskelbeteiligung sind selten beschrieben. Die klassische DM kennzeichnet eine Hautmanifestation mit heliotropes Erythem, betont an Augenlidern, Wangen und Oberkörper (shawl sign, V-sign), sowie im Bereich der lateralen Oberschenkel (Halfter-Zeichen – holster sign); chronische Läsionen mit De- und Hyperpigmentierungen; schuppige Erosionen an den Fingerknöcheln (Gottron’sches Zeichen); schmerzhaft erweiterte Kapillaren an der Basis der Fingernägel (Keining’sches Zeichen); aufgeraute Haut an Handflächen, Fingern und ggf. Fußsohlen (»Mechanikerhände«); subkutane Verkalkungen (u. a. juvenile DM, Antisynthetase-Syndrome); neben kutanen auch intestinale Ulzerationen als Hinweis auf Gefäßschädigung (v. a. juvenile DM).
Muskulär besteht eine subakute proximale Tetraparese der Beine und geringer der Arme. Das extramuskuläre Spektrum umfasst eine Mitaffektion von Lunge, Gefäßen bis zu einer koronaren Herzbeteiligung (Vaskulitis). Bei Kindern sind lebensbedrohliche Verläufe mit schwerer Herzbeteiligung und Darmblutungen, Nierenversagen und ausgeprägten Ödemen beschrieben. - Die Anti-Mi-2-positive DM kennzeichnet eine schwere, meist akut-subakute DM mit Tetraparese, hohen Kreatinkinase-Werten und klassischer Hautbeteiligung. Innere Organe sind eher nicht mitbetroffen.
- Die TIF1γ-Autoantikörpern DM betrifft erwachsene Patienten über 40 Jahre und haben ein sehr deutlich erhöhtes Risiko (75 %), an einem Malignom in den 3 Jahren vor oder nach DM Diagnose. Klinisch findet sich eine pseudo-psoriasiforme Hautmanifestation in lichtexponierten Arealen; Poikiloderma und blasen-bildende Läsionen sind ebenfalls beschrieben.
- Die anti-NXP2-Autoantikörper DM hat ebenfalls ein deutlich erhöhtes Risiko für Malignome. Verkalkungen der Muskulatur sind, sowohl bei Kindern als auch Erwachsenen, bei chronischem Verlauf beschrieben. Ebenso sind ödematöse Hautveränderungen vorhanden.
- Die seltener anti-SAE Autoantikörper DM manifestiert sich mit einer belastungsinduzierten Dyspnoe und Dysphagien. Auch hier ist eine Assoziation mit Malignomen beschrieben.
- Die anti-MDA5-Autoantikörper DM kennzeichnet nur eine geringe muskuläre Schwäche. Die Gesamtprognose ist ungünstig, da bei bis zu 50 % der Patienten eine schwere, therapierefraktäre interstitielle Lungenerkrankung auftritt.
- Immun-mediierte nekrotisierende Myopathie (IMNM): Die IMNM manifestiert sich als eine subakute, manchmal chronisch-progrediente proximale und axiale Tetraparese mit deutlicher CK-Erhöhung. Meist handelt es sich um reine Muskelerkrankungen, es kann aber bis zu 30% eine kardiale und pulmonale Beteiligung vorliegen. Zwei Autoantikörper sind assoziiert: anti-SRP- und anti-HMGCR-Autoantikörper. Alle Altersgruppen können betroffen sein. Bei beiden Autoantikörpern korrelierte die Titerhöhe mit der Muskelkraft und den CK-Werten. Patienten mit einem anti-HMGCR-AK haben ein leicht erhöhtes Risiko für Malignomentstehung, was für anti-SRP-AK bisher nicht zutrifft. Anti-SRP-positive Patienten können eine pulmonale und selten kardiale Beteiligung haben.
- Einschlusskörpermyositis (IBM): Die IBM ist die häufigste chronische Myositis des Erwachsenen ab dem 50. Lebensjahr, Kinder mit IBM sind nicht bekannt. Klinisch besteht die Trias aus langsam progredienter asymmetrischer distaler Quadrizepsparese, Paresen und Atrophien der langen Fingerbeuger (ulnarbetont) sowie einer progressiven Schluckstörung, die weitestgehend therapierefraktär ist. Die Muskelbiopsie ist zur Diagnosestellung essenziell. Der anti-cN1A/MUP44-Autoantikörper, der mit einer IBM assoziiert wurde hat eine geringe Sensitivität, da er auch bei etwa 30 % der Patienten mit Sjögren-Syndrom oder systemischem Lupus erythematodes ohne Muskelbeschwerden im Serum nachweisbar ist. Die routinemäßige Bestimmung ist nicht sinnvoll, da keine Hinweise für eine klinische oder prognostische Relevanz existieren.
- Polymyositis: Die Polymyositis als eigene Entität muss grundsätzlich neu überdacht werden. Die Diagnose PM sollte nur gestellt werden, wenn ein erwachsener Patient klinisch eine subakute proximal betonte Tetraparese ohne jede Hautsymptomatik, erhöhte CK-Werte und ein typisches EMG, aber keine Autoantikörper im Serum aufweist. Zudem sollte eine toxische, paraneoplastische oder genetische alternative Ursache ausgeschlossen sein.
- Anti-Synthetase-Syndrom-assoziierte Myositis: Das ASS definiert sich durch den Nachweis Autoantikörpern, die sich gegen t-RNA-Synthetasen richten (Jo-1, Mi-2, PL-7, PL-12, EJ, OJ, KS, Zo, Ha Antikörper). Betroffene leiden unter einer Myositis, interstitieller Lungenerkrankung, Arthralgien, Mechanikerhänden/-füßen, Raynaud-Syndrom und ggf. Fieber in verschiedener Gewichtung. Typische Hauterscheinungen einer DM finden sich nicht.
Klinische Symptome, Messung der Kreatinkinase, Autoantikörper im Serum, Elektromyografie, MRT der Muskulatur und Muskelbiopsie sind die Stützpfeiler der autoimmunen Myositis-Diagnostik. Es besteht eine nur relative Korrelation zwischen der Kreatinkinasehöhe und den Parsegraden bzw. Ausmaß der Muskelatrophie bei Myositiden. Ergänzend kann bei grenzwertigen CK-Werten die Bestimmung von Aldolase und/oder Myoglobin sinnvoll sein.Bei erregerbedingten Myositiden ist eine Muskelbiopsie nur in der Ausnahme bei z. B. Rhabdomyolyse indiziert. Je nach Schweregrad der Klinik sind Kontrollen von EKG, Lungenfunktion, Röntgenbild des Thorax und Differenzialblutbild erforderlich, bei hoher CK-Aktivität zudem die Überwachung der Nierenfunktion.
Unterschieden wird zwischen immunsuppressiver Therapie und supportiven Maßnahmen wie Physiotherapie und Schmerztherapie.
- DM/PM/ASS:
- Kortikosteroide (Prednison, Prednisolon) sind Mittel der 1. Wahl bei DM/PM/Overlap/MIRS, akut beginnt man mit 1–2 mg/kg KG für 2–4 Wochen mit anschließender langsamer Dosisreduktion bis zur alternierenden Verabreichung jeden 2. Tag. Im Verlauf wird häufig die ergänzende Gabe eines Immunsuppressivums notwendig.
- Immunsuppressiva: Die Auswahl des geeigneten Immunsuppressivums erfolgt empirisch und richtet sich am Effizienz-/Sicherheitsprofil. Typische Substanzen sind Azathioprin, Methotrexat, Mycophenolatmofetil, Ciclosporin, Tacrolimus, und Cyclophosphamid.
- Immunglobuline (intravenös: IVIG, subkutan: SCIG): sind Mittel der 2. Wahl bei DM, ggf. bei der kindlichen DM Mittel der 1. Wahl. Bei der PM und INNM können IVIG bei nicht ausreichendem Therapieerfolg zusätzlich verabreicht werden.
- Immuntherapien: Bei therapierefraktärem Verlauf werden u.a. bei der DM CD-20-Antikörper mit Erfolg eingesetzt.
- Einschlusskörpermyositis (IBM)
- Die IBM ist weitgehend therapierefraktär, Kortikosteroide und Immunsuppressiva haben sich empirisch mit wenigen Ausnahmen als unwirksam erwiesen Ein Therapieversuch mit Glukokortikosteroiden über bis zu 6 Monate ist zu rechtfertigen. Es besteht Konsensus der deutschen Muskelzentren, dass ein sechsmonatiger Therapieversuch mit ca. vierwöchentlichen IVIG-Infusionen erfolgen sollte, da bei einigen Patienten zumindest eine vorübergehende Stabilisierung des Krankheitsverlaufs erzielt werden konnte. Auch eine relevante Dysphagie rechtfertigt einen Therapieversuch mit IVIG. Nach 6 Monaten sollte der Therapieerfolg klinisch u.a. mittels des IBM-FRS Scores beurteilt werden. Rechtzeitig ist ein integratives palliatives Behandlungskonzept zu implementieren.
Stand: 09/2024