Studie zu therapeutischer Kommunikation
Positive Worte während der Narkose verringern Schmerzen. Der Einsatz von positiven Worten während einer Vollnarkose verringert postoperative Schmerzen und den Bedarf an Schmerzmitteln. Zu diesem Ergebnis kommt ein Forscherteam der Universitätskliniken der LMU München, Köln, Kassel, Regensburg und der Ruhr Universität Bochum. Über die Ergebnisse ihrer Studie berichten die Forschenden in der Weihnachtsausgabe des renommierten British Medical Journal [1], das dem Thema auch ein Editorial widmet [2].
Insgesamt wurden an den fünf Zentren 385 Patientinnen und Patienten unterteilt in zwei Gruppen in die Studie eingeschlossen. Die Patient*Innen hörten nach Beginn der Narkose über die Dauer der Operation hinweg eine Tonaufnahme mit positiven und unterstützenden Worten, so genannte therapeutische Suggestionen, zusammen mit Musik über einen Kopfhörer. Eine Kontrollgruppe erhielt Kopfhörern, hörte jedoch keine Tonaufnahme.
Innerhalb der ersten 24 Stunden nach der Operation empfanden die mit Suggestionen behandelten Patient*Innen geringere Schmerzen. Damit mussten sie weniger häufig mit Opioid-Schmerzmitteln behandelt werden als Patienten der Kontrollgruppe. Auch die individuell notwendige Schmerzmittel-Dosis wurde durch die therapeutische Suggestion um ein Viertel verringert.
Therapeutische Kommunikation wirkt dabei über selbst unter Narkose wahrgenommene auditive Reize. „Ein wichtiger Hinweis an medizinisches Personal im Operationssaal auch bei narkotisierten Patienten die Worte mit Bedacht zu wählen und auf eine ruhige Geräuschkulisse zu achten“ beurteilt Studienleiter Prof. Ernil Hansen (Klinik für Anästhesiologie der Universität Regensburg) die Studienergebnisse. Andererseits seien die akustischen Stimulationen ohne Nebenwirkungen und ließen sich ohne Zusatzkosten dazu nutzen, die postoperative Schmerzwahrnehmung signifikant zu senken und damit auf Schmerzmittel mit ihren potentiellen Nebenwirkungen zu verzichten. Bereits durch die Anwendung bei sechs Patienten konnte bei einem Patienten eine Opioidgabe nach Operation völlig vermieden werden.
Ein weiterer Aspekt wurde in der Subkohorte am Studienzentrum München mit dem langjährigen Forschungsschwerpunkt zu kognitiven Leistungen nach chirurgischen Eingriffen [3] wie Orientierung und Delir untersucht. Es zeigte sich dabei, dass die Patient*Innen nach therapeutischer Kommunikation bereits bei Aufnahme im Aufwachraum signifikant besser orientiert waren als die Patienten der Kontrollgruppe, die nur ein leeres Tonband hörten. Vor allem in der Prävention eines sogenannten Aufwachdelirs könnte diesem Ergebnis eine interessante Rolle zukommen. Eine frühe Reorientierung wird insbesondere zur nicht-pharmakologischen Prävention des postoperativen Delirs empfohlen [4].
Prof. Hansen hat in den vergangenen Jahren an der Klinik für Anaesthesiologie bereits eine Vielzahl an Mitarbeitern in therapeutischer Kommunikation unterrichtet. Durch eine angenehme Kommunikationsumgebung im Operationssaal und auf Intensivstationen können Ängste vermindert und Nebenwirkungen verhindert werden. Nun wurde in dieser Studie die Wirksamkeit einer therapeutischen Kommunikation selbst unter Narkose nachgewiesen.
Link zur Publikation im British Medical Journal: http://dx.doi.org/10.1136/bmj.m4284
Literatur
[1] Nowak et al., BMJ 2020; 371 doi: 10.1136/bmj.m4284 https://www.bmj.com/content/371/bmj.m4284.full.pdf
[2] McIsaac D., BMJ 2020; 371 doi: 10.1136/bmj.m4547 https://www.bmj.com/content/371/bmj.m4547
[3] http://www.klinikum.uni-muenchen.de/Klinik-fuer-Anaesthesiologie/de/forschung/postoperative-kognitive-defizite/index.html
[4] Aldecoa et al., Eur J Anaesthesiol. 2017 Apr;34(4):192-214. doi: 10.1097/EJA.0000000000000594.
Kontakt
PD Dr. Thomas Saller