Prof. Martin Kerschensteiner für Multiple-Sklerose-Forschung ausgezeichnet
Multiple Sklerose (MS) ist eine Autoimmunerkrankung, bei der das körpereigene Immunsystem, das eigentlich vor körperfremden und gefährlichen Eindringlingen schützen soll, sich gegen den eigenen Körper richtet und die Nervenfasern in Gehirn und Rückenmark angreift. Eine wesentliche Rolle spielen hierbei vor allem falsch programmierte T-Zellen. Beide Sobek Hauptpreisträger 2023 eint daher nicht nur, dass sie aus München kommen, sondern sich ebenfalls hauptsächlich der Erforschung der T-Zell-Regulation und der akuten wie chronischen Gewebeschädigung im Zusammenhang mit der MS verschrieben haben.
Professor Dr. med. Martin Kerschensteiner studierte Humanmedizin in Aachen und München, promovierte 1999 zum Thema „Protektive Mechanismen humaner T-Zellimmunität“ am Max-Planck-Institut, Martinsried. Nach mehrjähriger Forschungstätigkeit, unter anderem an der Harvard Medical School in Boston, leitet er seit 2013 das Institut für Klinische Neuroimmunologie am LMU Klinikum in München. 2001 erhielt er den ersten Sobek Nachwuchspreis. Prof. Kerschensteiner identifizierte unter anderem 18 Regulatoren für die MS, die bereits zu Beginn einer MS (mit-)verantwortlich für die Entstehung von Entzündungsherden sind. Außerdem gelang es dem 52-Jährigen, neuronale Bahnsysteme selektiv zu markieren und axonale Schädigungen erstmals durch in vivo Mikroskopie sichtbar zu machen. Von großer Bedeutung ist auch seine Entdeckung eines vorübergehenden, potenziell reversiblen Stadiums der entzündlichen Axonschädigung. Hier liegen wichtige Ansatzpunkte für zukünftige neuroprotektive und neuroregenerative Therapiestrategien.
Professor Dr. med. Thomas Korn studierte Medizin in Würzburg und London und durchlief die Weiterbildung zum Facharzt in Würzburg, gefolgt von vielen Jahren wissenschaftlicher Arbeit an der Harvard Medical School. Seit 2017 ist er stellvertretender Direktor der Neurologischen Klinik des Klinikums rechts der Isar und seit 2019 Leiter des Instituts für Experimentelle Neuroimmunologie der Technischen Universität (TU) München. Der 51-jährige Wissenschaftler beschäftigt sich unter anderem mit der Frage, wo die auto-aggressiven T-Zellen überhaupt herkommen. So entscheide der Ort ihrer Aktivierung darüber, wo im zentralen Nervensystem sie sich ansiedeln und welche regulatorischen und schädigenden Wirkungen sie haben. Ein weiterer Schwerpunkt seiner Arbeit liegt auf der T-Helferzell-Regulation, den Determinanten bei der Entstehung von T-Helferzell-Antworten und auf den von Th17-Zellen gesteuerten Schädigungsmechanismen. Seine Studienergebnisse haben eine hohe translationale Relevanz für die MS als Autoimmunerkrankung.
Für eine bessere Zukunft mit MS
Beide Preisträger publizieren ihre Forschungsergebnisse in hochrangigen wissenschaftlichen Journalen und gehören zu den meistzitierten Wissenschaftlern ihrer Disziplin. Ministerialdirektor Dr. Hans J. Reiter, Amtschef des Ministeriums für Wissenschaft, Forschung und Kunst Baden-Württemberg, bezeichnete die Forschungsleistung der beiden Preisträger in seiner Laudatio als zukunftsweisend. „Mit ihren bisherigen Forschungsarbeiten schaffen die beiden Forschungspreisträger die Basis für ein besseres Verständnis der Multiplen Sklerose und für die Entwicklung noch zielgerichteter Therapien gegen diese nach wie vor unheilbare Erkrankung. Damit schenken sie vielen MS-Erkrankten eine wertvolle Perspektive“, so der Ministerialdirektor. Die Verleihung des Sobek Forschungspreises unterstreiche die Bedeutung der herausragenden wissenschaftlichen Arbeit von Prof. Dr. med. Martin Kerschensteiner und Prof. Dr. med. Thomas Korn. „Der Preis soll auch Ansporn sein für Ihre künftige wichtige Forschungsarbeit.“
Den mit 15.000 Euro dotierten Nachwuchspreis 2023 erhielt Dr. med. Dr. rer. biol. hum. Max Kaufmann, Assistenzarzt in der Klinik und Poliklinik für Neurologie am Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf (UKE) und Gruppenleiter am Institut für Neuroimmunologie und Multiple Sklerose des UKE. Ein Ehrenpreis für das Lebenswerk wurde Prof. em. Dr. med. Adriano Fontana aus Zürich verliehen. Mit den Preisen zeichnete die Roman, Marga und Mareille Sobek Stiftung erneut herausragende Wissenschaftler aus, die mit ihren Forschungsergebnissen neue Perspektiven für die Diagnose und Therapie der MS eröffnen. Die jährliche Preisverleihung findet in Zusammenarbeit mit AMSEL, Aktion Multiple Sklerose Erkrankter, Landesverband der DMSG in Baden-Württemberg e.V., und DMSG-Bundesverband sowie unter Schirmherrschaft des Ministeriums für Wissenschaft, Forschung und Kunst Baden-Württemberg statt.
Hintergrund-Informationen
Multiple Sklerose (MS) ist die häufigste Erkrankung des Zentralnervensystems. Aus bislang noch unbekannter Ursache werden die Schutzhüllen der Nervenbahnen an unterschiedlichen Stellen angegriffen und zerstört, Nervensignale können in der Folge nur noch verzögert oder gar nicht weitergeleitet werden. Die Symptome reichen von Taubheitsgefühlen über Seh-, Koordinations- und Konzentrationsstörungen bis hin zu Lähmungen. Die bislang unheilbare, aber mittlerweile behandelbare Krankheit bricht gehäuft zwischen dem 20. und 40. Lebensjahr aus. In Deutschland leiden rund 240.000 Menschen an MS. Weltweit sind schätzungsweise 2,5 Millionen Menschen an MS erkrankt.
Roman, Marga und Mareille Sobek-Stiftung
Mit dem Sobek-Forschungspreis der Stiftung aus Renningen, Baden-Württemberg, werden richtungsweisende Leistungen von Wissenschaftlern an Hochschulen und außeruniversitären Forschungseinrichtungen im Bereich der Multiplen Sklerose und der dazugehörenden Grundlagenforschung ausgezeichnet. Entscheidungskriterien sind allein Qualität und Exzellenz der Forschungsleistung. Es kann sowohl eine außerordentliche wissenschaftliche Einzel- als auch eine Gesamtleistung gewürdigt werden.
Die Sobek-Stiftung verleiht ihren Forschungspreis auf Vorschlag eines wissenschaftlichen Beirates in Zusammenarbeit mit der AMSEL, Aktion Multiple Sklerose Erkrankter, Landesverband der DMSG in Baden-Württemberg e.V. und der Deutschen Multiple Sklerose Gesellschaft, Bundesverband e.V. (DMSG). Die Schirmherrschaft für die Preisverleihung hat das Ministerium für Wissenschaft, Forschung und Kunst in Baden-Württemberg.
AMSEL e.V.
Die AMSEL, Aktion Multiple Sklerose Erkrankter, Landesverband der DMSG in Baden-Württemberg e.V. ist Fachverband, Selbsthilfeorganisation und Interessenvertretung für MS-Kranke in Baden-Württemberg. Die Ziele der AMSEL: MS-Kranke informieren und ihre Lebenssituation nachhaltig verbessern. Der AMSEL-Landesverband hat rund 7.200 Mitglieder und über 60 AMSEL-Gruppen in ganz Baden-Württemberg. Mehr unter www.amsel.de
DMSG, Bundesverband e.V.
1952/1953 als Zusammenschluss medizinischer Fachleute gegründet, vertritt die Belange Multiple Sklerose Erkrankter und organisiert deren sozialmedizinische Nachsorge. Die Deutsche Multiple Sklerose Gesellschaft mit Bundesverband, 16 Landesverbänden und derzeit 852 örtlichen Kontaktgruppen ist eine starke Gemeinschaft von MS-Erkrankten, ihren Angehörigen, über 4.000 engagierten ehrenamtlichen Helfern und 292 hauptberuflichen Mitarbeitern. Insgesamt hat die DMSG rund 44.000 Mitglieder. Mit ihren umfangreichen Dienstleistungen und Angeboten ist sie heute Selbsthilfe- und Fachverband zugleich, aber auch die Interessenvertretung MS-Erkrankter in Deutschland. Schirmherr des DMSG-Bundesverbandes ist Christian Wulff, Bundespräsident a.D. Weitere Informationen unter www.dmsg.de.
Ansprechpartner:
Prof. Dr. med. Martin Kerschensteiner
Leiter des Instituts für Klinische Neuroimmunologie | LMU Klinikum