Zeitumstellung: Das passiert im Körper
Im Frühling eine Stunde vor und im Herbst eine Stunde zurück, seit vielen Jahren ist das Tradition in Deutschland und vielen anderen westlichen Ländern. Ziel ist es, die helle Tageszeit bestmöglich zu nutzen. Das aktuelle Konzept der Sommerzeit geht ins Jahr 1980 zurück, als man davon ausging, dadurch Kosten sparen zu können. „Es ist inzwischen längst wissenschaftlich bewiesen, dass die Zeitumstellung keine Kosten einspart“, sagt Prof. Martha Merrow, sie ist Expertin für molekulare Chronobiologie an der Medizinischen Fakultät der LMU. Stattdessen ist heute klar, dass die Zeitumstellung mehr Auswirkungen auf den menschlichen Körper als auf die Energiekosten hat.
Merrow forscht zu der sogenannten zirkadianen Uhr, also der körpereigenen Uhr. Sie und viele andere Forschende untersuchen, wie diese zirkadianen Uhren den menschlichen Körper und Rhythmus bestimmen. Fakt ist: Der Körper hat eine eigene Uhr und richtet sich mit ihr nach dem Stand der Sonne aus. Die mechanische Uhr sollte ebenfalls die Sonnenzeit anzeigen. Durch die Umstellung auf die Sommerzeit gelingt das aber nicht, sie ist plötzlich zu früh, relativ zur Sonne gesehen. Das wird dadurch verschärft, dass wir die mechanische Uhr hauptsächlich für gesellschaftliche Verpflichtungen nutzen: Arbeits- und Schulzeit etwa oder Besprechungen und Verabredungen. Damit überschreiben wir die Signale der inneren Uhr.
Schlafforschende sprechen hier von einem sogenannten social jetlag: denn der Körper ist immer eine Stunde zu spät. Eine Stunde zu spät zum Schlafen, zum Essen und auch zum Aufwachen. Viele Menschen nutzen deshalb häufiger einen Wecker während der Sommerzeit und verkürzen damit ihren Schlaf. „Das kann allerdings Folgen auf den Körper haben, denn langfristiger Schlafentzug kann zu Depression oder Adipositas führen“, erklärt Merrow.
Die Wissenschaftlerin wünscht sich deshalb, dass die Zeitumstellung abgeschafft wird und jeder Mensch individuell seine Zeit einteilen kann. Laut einer EU-Entscheidung aus dem Jahr 2019 soll die Zeitumstellung tatsächlich beendet werden. Bislang ist aber noch unklar, ob das tatsächlich von den Mitgliedsstaaten übernommen wird.
Drei Tipps, um sich auf die Zeitumstellung vorzubereiten
1. Fünf Tage im Voraus können Sie abends mit dem Tragen einer Brille mit orangefarbenen Gläsern beginnen. Es filtert blaues Licht und sorgt dafür, dass Sie früher müde werden. Das hilft Ihnen dabei früher ins Bett zu gehen und früher aufzustehen. Ihre zirkadiane Uhr wird sich aufgrund der veränderten Lichtumgebung früher bewegen.
2. An den Tagen nach der Zeitumstellung hilft es, den Tag im Freien zu beginnen. Das Licht im Freien ist deutlich intensiver als in einer Wohnung und sorgt dafür, dass die innere Uhr den früheren Beginn des Tages sofort erkennt.
3. Bei Bedarf: Um sich besser an die Zeitumstellung anzupassen, können Sie die Blaulicht-Schutzbrille auch nach der Zeitumstellung abends weiter tragen.
Wie funktioniert die zirkadiane Uhr? Wie kommt der social jetlag zustande? Welchen Einfluss haben Wecker? Das erkärt Prof. Martha Merrow in diesem Video (Englisch mit deutschen Untertiteln) und gibt Tipps, die dabei helfen können den Minijetlag zu verkürzen und besser in die Sommerzeit zu kommen.
Über Prof. Martha Merrow
Prof. Martha Merrow beschäftigt sich seit Jahrzehnten mit der zirkadianen Uhr und war Mitautorin des Munich ChronoType Questionniare, das die Chronotypen von Menschen kategorisiert. Der Chronotyp bezieht sich darauf, wie sich die zirkadiane Uhr an den Sonnenzyklus anpasst. Denn die meisten Menschen haben einen eigenen Rhythmus und fühlen sich entweder früher oder später wohler, das ist ebenfalls eine Manifestation der zirkadianen Uhr. Prof. Merrow leitete das Institut für Medizinische Psychologie an der Medizinischen Fakultät der LMU von 2012 bis 2023. Seit Oktober 2023 hat sie sich von der Lehrtätigkeit zurückgezogen, setzt aber ihre Forschung zur zirkadianen Uhr fort.