Ein Jahr Corona-Pandemie in Deutschland
Insgesamt wurden seit Anfang März letzten Jahres 238 Intensivpatienten mit COVID-19 im LMU Klinikum behandelt. Die Höchstzahl an gleichzeitig am LMU Klinikum auf den COVID-Intensivstationen behandelten Patienten lag in der ersten Welle in der Woche vom 20. April 2020 bei 34. Diese Zahl wurde in der zweiten Welle am 4. Januar 2021 mit 37 COVID-19-Intensivpatienten überschritten. „Insbesondere nach den Weihnachtsfeiertagen haben wir einen weiteren, deutlichen Anstieg der Patientenzahlen auf unseren Intensivstationen beobachtet. Mittlerweile sind die Zahlen wieder langsam rückläufig“, sagt Prof. Bernhard Zwißler, Direktor der Klinik für Anaesthesiologie.
Nachsorge-Ambulanz für COVID-19-Patienten mit Langzeitfolgen
Ein besonderes Augenmerk gilt am LMU Klinikum den COVID-19-Patienten mit Langzeitfolgen. „Etwa zehn bis 15 Prozent leiden nach derzeitigem Forschungsstand auch mehr als drei Monate nach einer durchgemachten SARS-CoV-2 Infektion noch unter Symptomen wie körperlicher Abgeschlagenheit, Luftnot, Kopfschmerzen und Beeinträchtigung des Geruchsinns“, sagt Dr. Elham Khatamzas, Funktionsoberärztin für Infektiologie am LMU Klinikum. Dies betrifft Patienten mit leichten und schweren Verläufen sowie alle Altersgruppen. Die Ärzt*innen der Nachsorge-Ambulanz betreuen die COVID-19-Patienten meist nach einem stationären Aufenthalt. Sie erfassen die bestehenden Symptome systematisch und untersuchen Folgeschäden an verschiedenen Organsystemen.
Breite und international vernetzte Forschung zu SARS-CoV-2 und COVID-19
Neben der Versorgung der COVID-19-Patienten sind Wissenschaftler*innen und Ärzt*innen am LMU Klinikum seit der ersten Stunde auch in der Forschung zu SARS-CoV-2 und COVID-19 aktiv – und national und international in Forschungsnetzwerke eingebunden. Ende Januar 2021 sind im Forschungsportal der Medizinischen Fakultät der LMU bereits insgesamt 165 in renommierten Fachzeitschriften veröffentlichte Originalarbeiten zu SARS-CoV-2 und COVID-19 erfasst.
Hervorzuheben sind insbesondere folgende Publikationen sowie Forschungsinitiativen:
- Die weltweit erste Bestätigung der symptomlosen Übertragbarkeit durch Dr. Camilla Rothe und Prof. Michael Hölscher von Ende Januar 2020 (New England Journal of Medicine, https://www.nejm.org/doi/10.1056/NEJMc2001468 und siehe auch New York Times: "How the world missed COVID19's silent spread")
- Frühe Testungen und Kohorten-Studien in der Bevölkerung durch die Infektions- und Tropenmedizin und Virologie (New York Times: "With broad, random tests for antibodies, Germany seeks path out of lockdown")
- Kohorten-Studien an Mitarbeiter*innen des LMU Klinikums durch das Max von Pettenkofer Institut und verschiedene klinische Einheiten (https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/33388756/)
- Die Einrichtung eines Klinikums-weiten Registers für Patientendaten und Bioproben (CORKUM) durch Prof. Michael von Bergwelt, Prof. Oliver Keppler, Dr. Johannes Hellmuth und Dr. Maximilian Münchhoff. Dieses Projekt erhält eine Anschubfinanzierung durch LMUExcellent.
Auch am Nationalen Forschungsnetzwerk COVID-19 (NFN) bzw. dem Netzwerk Universitätsmedizin (NUM) ist das Klinikum beteiligt. Im Rahmen dieser Bundesförderung ist das Klinikum mit dem Projekt „Palliativmedizin in Pandemiezeiten“ (PallPan, Leitung Prof. Claudia Bausewein) federführend und an zehn weiteren Konsortien mit beteiligt.
Aus zusätzlichen Haushaltsmitteln des Staatsministeriums in Höhe von 1,5 Millionen Euro werden 13 weitere Projekte an der Medizinischen Fakultät finanziert, die bis Sommer 2021 einen zeitnahen Beitrag zur Pandemiebewältigung leisten sollen.
Sequenzierung von Mutationen
Zur Erfassung der Mutationslage für das neue Coronavirus, SARS-CoV-2, hat das Max von Pettenkofer-Institut bereits im März 2020 gemeinsam mit dem Genzentrum der LMU München die Hochdurchsatz-Sequenzierung und die Analyse PCR-positiver respiratorischer Proben am LMU Klinikum etabliert. Diese Untersuchungen werden regelmäßig durchgeführt und entsprechende Daten haben bereits zur Aufklärung von Transmissionsketten beigetragen sowie wichtige Erkenntnisse über potenzielle Risikokonstellationen ermöglicht. Diese Vorarbeiten haben nun auch den umgehenden Ausbau der Beurteilung der Verbreitung der aktuell diskutierten SARS-CoV-2-Varianten erlaubt.
Strukturelle und organisatorische Flexibilität
„Wir haben die Herausforderungen der Pandemie nur dank unserer engagierten, kompetenten und qualifizierten Mitarbeiter*innen bewältigen können“, betont Prof. Dr. Markus M. Lerch, Ärztlicher Direktor des LMU Klinikums. Dazu zählen in erster Linie Ärzt*innen, Forscher*innen, Pflegekräfte, aber auch jene, die für die erforderlichen Strukturen und Abläufe sorgen, wie Techniker*innen, Reinigungskräfte, Patiententransportdienst, Logistik, Einkauf, Speisenversorgung, Seelsorge und viele mehr. „Sie alle waren gefordert, auf die stets dynamische Entwicklung mit flexiblen Lösungen zu reagieren“, so Lerch weiter.
Einsatz von 135 Medizinstudent*innen während erster Welle
Es wurden zudem völlig neue Wege beschritten, um den zusätzlichen personellen Mehrbedarf vor allem in der ersten Welle abbilden zu können. Gemeinsam mit dem Studiendekanat, der Pflegedirektion und der Personalabteilung konnten innerhalb kurzer Zeit 135 Medizinstudent*innen eingesetzt werden – vorwiegend auf den Corona-Intensiv- und Normalstationen, in Corona-Forschungsbereichen, zum Corona-Screening und in den Corona- Checkpoints.
„Die zusätzlichen Personalressourcen im Pflegedienst wurden sowohl für die grundpflegerische Unterstützung direkt am Patientenbett als auch für tertiäre Unterstützungstätigkeiten auf den COVID-Stationen eingesetzt“, erklärt Marcus Huppertz, Pflegedirektor am LMU Klinikum.
Psychosoziale Unterstützung für Mitarbeitende, Patienten und Angehörige
Unterstützung erhielten Mitarbeitende auch durch ein internes Programm zur psychosozialen Unterstützung während der Pandemie. Die Kooperation aus Psychiater*innen, Seelsorger*innen und Psycholog*innen stellte Informationen im Intranet zur Verfügung, bot aber auch telefonische und webbasierte Beratungen an. Das Angebot war auch für stationäre Patienten sowie deren Angehörige verfügbar.
ACC-Studie zu Antikörpern und Stressbelastung der Mitarbeiter*innen
Die interdisziplinäre All-Corona-Care-Studie (ACC-Studie) des LMU Klinikums und des Max von Pettenkofer-Instituts, an der 7.554 von ca. 11.000 Mitarbeiter*innen teilgenommen haben, war nicht nur eine der deutschlandweit größten Antikörper-Untersuchungen zu SARS-CoV-2, sondern zielte auch darauf ab, zu erfassen, wie groß die Stressbelastung der Mitarbeiter*innen während der Hochphase der ersten Welle der Coronavirus-Pandemie war.
PD Dr. Kristina Adorjan, stellvertretende Direktorin der Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie: „Es hat sich gezeigt, dass rund 20 Prozent der Belegschaft erheblichen psychischen Belastung ausgesetzt waren. Das gilt für Personal in medizinisch-pflegerischen Berufen, aber auch für Verwaltungsmitarbeiter*innen.“
Aktueller Stand aus der Intensivmedizin (28.1.2021)
"Die Covid-19 Situation auf unseren Intensivstationen hat sich in den letzten Wochen etwas entspannt. Seit dem Höchststand um den Dreikönigstag, als an unserem Klinikum 37 Patienten mit Covid-19 Erkrankung intensiv-medizinisch behandelt werden mussten, ist die Zahl um etwa ein Drittel zurückgegangen. Allerdings hält sie sich, anders als in vielen anderen Kliniken, seit ca. zwei Wochen stabil auf diesem nach wie vor hohem Niveau. Das liegt daran, dass wir als Universitätsklinikum viele besonders schwere oder komplizierte Fälle von Intensivstationen anderer Krankenhäuser übernehmen. Beispielsweise um mit einem extrakorporalen Lungenunterstützungsverfahren (ECMO) die Lungenfunktion teilweise oder vollständig zu ersetzen, wenn eine herkömmliche Beatmung nicht mehr ausreicht.
So wurden von den 54 Covid-19 Patienten, die wir seit dem 1. Januar 2021 auf unsere Intensivstationen aufgenommen haben, 22 (41Prozent) von Intensivstationen anderer Krankenhäuser übernommen. Derzeit werden 4 Covid-19 Patienten gleichzeitig mit ECMO behandelt. Da es sich bei allen diesen Patienten um besonders komplexe Fälle handelt, ist die Belastung für das Pflege- und Ärzteteam der Intensivstationen außerordentlich hoch.
Täglich erreichen uns weitere Anfragen aus ganz Südbayern, obwohl die Infektionszahlen insgesamt deutlich rückläufig sind. Im Intensivgeschehen bildet sich dieser Trend jedoch erst mit einer Verzögerung von drei bis vier Wochen ab und aufgrund der besonderen Funktion der Universitätskliniken ist es dort noch einmal etwas mehr verzögert. Insgesamt rechnen wir jedoch auch am LMU Klinikum mit einem weiteren langsamen Rückgang der Covid-19 Intensivzahlen. Die „neuen“ Mutationen spielen bei der Entwicklung bisher noch keine spürbare Rolle.
Die Intensivbetten, die durch den Rückgang der Covid-19 Zahlen frei wurden, konnten wir sofort wieder für die vielen täglich eintreffenden Notfälle nutzen, aber auch für Patienten, deren zwischenzeitlich aufgeschobene dringliche Operationen und Eingriffe nachgeholt werden."
Ein Drittel der Belegschaft ist schon geimpft
Ende Dezember hat das LMU Klinikum mit den Mitarbeiter-Impfungen gegen das SARS-CoV2 begonnen. Bis heute haben sich 3.708 Mitarbeiter*innen mit dem mRNA-Impfstoff von Biontech/Pfizer impfen lassen, 700 von ihnen haben bereits die zweite Impfdosis erhalten. „Ich freue mich, dass die Bereitschaft unserer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zur Impfung sehr hoch ist und wir mit dem uns zur Verfügung gestellten Impfstoff bereits ein Drittel unserer Belegschaft impfen konnten“, sagt der Ärztliche Direktor Prof. Markus Lerch.
LMU Klinikum als zuverlässiger Arbeitgeber
„Insgesamt haben die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sich enorm engagiert und den Maßnahmen zu ihrem Schutz und der zur Verfügung gestellten Ausstattung und Information vertraut“, bestätigt Markus Zendler, Kaufmännischer Direktor. „Mit unseren rund 11.000 Mitarbeitenden zählen wir zu den größten Arbeitgebern in München. Wir beschäftigen Berufsgruppen aus dem medizinischen, pflegerischen, medizinisch-technischen und dem Verwaltungsbereich, wie z. B. Medizintechnik, IT oder Finanzen. Unsere Mitarbeitenden kommen aus über 100 Ländern.“ Zu den Maßnahmen, die die Belegschaft vor einer Infektion mit dem SARS-CoV-2 schützen sollen, gehören Mitarbeiter-Testungen, die Möglichkeit zum mobilen Arbeiten im Homeoffice für all jene, deren Arbeitsaufgaben dies zulassen, sowie die ausreichende Bereitstellung von persönlicher Schutzausrüstung in den erforderlichen Bereichen.
Aktueller Stand aus der Notaufnahme (28.1.2021)
"Die Anzahl der COVID-Patienten und der Patienten mit Verdacht auf COVID-Erkrankung in der Notaufnahme hat in den ersten beiden Januar-Wochen deutlich abgenommen und ist seither stabil. Aktuell werden ca. ein bis zwei Patienten pro Tag mit COVID-19 stationär aufgenommen. Aufgrund der sinkenden Inzidenzraten gehen wir für die nächsten zwei Wochen von keiner steigenden Anzahl an Krankenhauseinweisungen von COVID-19 Patienten aus.
Getestet werden nach wie vor alle Patienten mit klinischen Hinweisen auf eine COVID Erkrankung (Fieber, Husten, Atemwegsymptome, Geruchs- oder Geschmacksverlust) oder mit relevantem Kontakt zu COVID-erkrankten Patienten. Zudem werden alle Patienten, die im Klinikum stationär aufgenommen werden, auf eine Infektion mit SARS-CoV-2 getestet. Eine Sequenzierung erfolgt am LMU Klinikum bei allen positiven Isolaten.
Die Arbeit in der Notaufnahme ist durchaus belastend für alle Pflegekräfte und Ärzte, unter anderem aufgrund der Notwendigkeit der strikten Isolationskriterien potentiell infektiöser Patienten. Insgesamt ist dies aber mit der Arbeitsbelastung während bekannter Grippewellen vergleichbar und alle gehen sehr professionell damit um. Das Angebot der Impfung ist eine auch emotional wichtige Unterstützung – die Impfbereitschaft bei Pflegekräften und Ärzten in der Notaufnahme ist sehr hoch."