Ein kleiner Piks von großer Bedeutung für die weltweite Pandemiebekämpfung
Um das Infektionsgeschehen global zu verfolgen, bedarf es einfacher, kosteneffektiver SARS-CoV-2-Antikörpertests. Venöse Blutentnahmen zur serologischen (Antikörper-)Testung erfordern medizinisches Personal und das Einhalten von Kühlketten. Mit „Do-it-yourself“-Blutentnahmesets (so genannte Finger-Prick-Tests) können Menschen durch einen Piks in die Fingerkuppe und wenige Blutstropfen selbst eine Probe entnehmen (siehe Videoanleitung*), die dann getrocknet mit der Post verschickt werden kann, um im Labor getestet zu werden. Die Analyse von Trockenblutproben wird in manchen medizinischen Bereichen bereits eingesetzt, z. B. bei Neugeborenenscreenings. Für SARS-CoV-2 Antikörpertests mangelte es bisher noch an einem zuverlässigen hochdurchsatz-fähigen Laborverfahren für umfangreiche serologische Untersuchungen von DBS-Proben.
Ein Team von Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern vom Tropeninstitut am LMU Klinikum München hat im Jahr 2020 ein geeignetes Testverfahren entwickelt, das weltweit anwendbar ist. Das Verfahren basiert auf dem qualitativen Roche Elecsys® Anti-SARS-CoV-2 Anti-N-Test, der Antikörper gegen das Nukleokapsid-Antigen (N) detektiert.
Der halb automatisierte Arbeitsablauf ermöglicht einen hohen Probendurchsatz:In der Vorbereitung werden die Trockenblutproben durch Panthera-Puncher™ (PerkinElmer) aus den Filterpapierkarten ausgestanzt und anschließend für die weitere Analyse aufbereitet. Innerhalb einer Zehn-Stunden-Schicht können so bis zu 2.500 Proben sicher bearbeitet werden.
Um die Qualität und Zuverlässigkeit zu belegen, validierten die Wissenschaftler*innen ihr Testverfahren mit 1.710 Proben-Pärchen aus der Münchner KoCo19 Studie (Prospektive COVID-19 Kohorte München, KoCo19). Die Proben-Pärchen sind venöse Blutproben und DBS-Proben vom gleichen Zeitpunkt. Deren Werte wurden miteinander verglichen und anschließend eine Machbarkeitsanalyse innerhalb der Kohortenstudien durchgeführt.
Danach wurden zwei großangelegte Beprobungs-Kampagnen durchgeführt: Einmal wurden von 10.247 Angestellten der Deutschen Post/DHL Trockenblutproben analysiert sowie 4.465 DBS-Proben der KoCo19-Kohorte. Ein großer Anteil der Proben stammte dabei von Probanden, die nur wenige (oligosymptomatische) oder gar keine (asymptomatische) COVID-19 Symptome entwickelt und damit niedrige SARS-CoV-2-Antikörpertiter hatten. Auch diese konnten zuverlässig identifiziert werden.
Hohe Zuverlässigkeit des DBS-Analyseverfahrens – bereit für den globalen Einsatz
Die Validierungsergebnisse bestätigten eine hohe Zuverlässigkeit des entwickelten DBS-Laborverfahrens. Die darauffolgende Machbarkeitsstudie ergab eine Sensitivität** von 99,2 Prozent sowie eine Spezifität** von 98,65 Prozent des DBS im Vergleich zur venösen Blutprobe. Dabei lieferte das Verfahren auch bei oligo- oder asymptomatischen Infektionsverläufen und entsprechend geringen Antikörperkonzentrationen zuverlässige Ergebnisse. Eine weitere Erkenntnis war, dass 99,87 Prozent der von Probanden zu Hause selbst erzeugten DBS-Proben auf Filterpapierkarten qualitativ für die Analyse geeignet waren. Die Studie belegt damit auch, dass Probanden durch schriftliche Instruktionen und Video-Anleitungen selbst erfolgreich hochwertige Trockenblutproben auf Filterpapier bereitstellen können.
Insgesamt zeigte sich, dass das von den Forschern entwickelte halb-automatisierte Verfahren für die Hochdurchsatzanalyse von DBS-Proben höchst zuverlässig für flächendeckende serologische Untersuchungen (Anti-N-Serologie) ist. Besonders in Entwicklungsländern ermöglicht diese einfach anwendbare Probeentnahme-strategie, um effektiv und kostengünstig zuverlässige Daten zu gewinnen. Wird das Analyseverfahren für immunologische Untersuchungen weltweit angewandt, kann dies dazu beitragen, die Pandemie auf globaler Ebene besser zu verstehen.
Das Labor am Tropeninstitut des LMU Klinikums führt aktuell DBS-basierte serologische Analysen für verschiedenste Partner im In- und Ausland durch und stellt seine fachliche Expertise der Wissenschaftsgemeinschaft zur Verfügung.
Einschränkend ist, dass die bisherige Studie nur den Ansatz für die Anti-Nukleokapsid-Serologie von SARS-CoV-2 bestätigt. Diese muss langfristig durch eine Anti-Spike-basierte Serologie ergänzt werden, um Impftiter von Infektionstitern zu unterscheiden und damit auch den Erfolg von COVID-19 Impfungen messen zu können. Ein quantitatives Verfahren hierzu ist am Tropeninstitut des LMU Klinikums bereits in der finalen Entwicklung.
Finanzierung
Die Studie ist begleitend und ergänzend zur KoCo19 Studiengruppe (Repräsentative SARS-CoV-2 Studie in München, “Prospektive COVID-19 Kohorte München - KoCo19”), unter Beteiligung von: Helmholtz Zentrum München, Universität Bonn, Universität Bielefeld, Bundesministerium für Bildung und Forschung (Projekt01KI20271) und dem Institut für Mikrobiologie der Bundeswehr (Medical Biodefense Research Program). Für diese Projekte stellten Euroimmun, Roche Diagnostics, Mikrogen und Viramed Kits und Geräte für Analysen zu vergünstigten Preisen zur Verfügung.
Originalpublikation:
Weitere Informationen:
Wissenschaftlicher Ansprechpartner:
PD Dr. med. Andreas Wieser
Tropeninstitut (Abteilung für Infektions- und Tropenmedizin), LMU Klinikum München,Max von Pettenkofer-Institut der LMU
Pressekontakt:
Judith Eckstein, M.A.
Tropeninstitut (Abteilung für Infektions- und Tropenmedizin), LMU Klinikum