Gemeinsames integriertes Versorgungsprojekt von Kinder- und Erwachsenenpsychiatrie in der Innenstadt
Hintergrund des gemeinsamen Versorgungsprojektes ist, dass in der aktuellen Versorgungspraxis bislang psychisch erkrankte Heranwachsende bis zum 18. Lebensjahr (bei krankheitsbedingten Entwicklungsverzöge-rungen teilweise bis zum 21. Lebensjahr) von der Kinder- und Jugendpsychiatrie, -psychosomatik und -psychotherapie, junge Erwachsene ab dem 18. Lebensjahr von der Erwachsenenpsychiatrie und –psychotherapie versorgt werden. Dieser Wechsel der Zuständigkeit verbunden mit unterschiedlichen Behandlungsschwerpunkten fällt jedoch genau in die Mitte einer sensiblen und sehr vulnerablen Entwicklungsperiode, der Adoleszenz. In dieser Entwicklungsphase treten psychische Erkrankungen häufig erstmalig auf, wie beispielsweise eine Depression oder eine Psychose. Gleichzeitig bietet diese Lebensphase auch ein wichtiges Zeitfenster, um möglichst frühzeitig Erkrankungsrisiken zu erkennen und durch evidenzbasierte Prävention und Behandlung das Erkrankungs-, Wiedererkrankungs- und Chronizitätsrisiko zu vermindern. Die besonderen Herausforderungen dieser Entwicklungsphase für den Behandlungserfolg werden auf der neuen Transitionsstation von einem interdisziplinären Team angenommen. Schwerpunktmäßig werden auf der Transitionsstation Jugendliche und junge Erwachsene mit psychischen Störungen behandelt, welche einen frühen Beginn und ein erhöhtes Risiko für einen chronischen Verlauf aufweisen. Hierzu gehören insbesondere Patienten und Patientinnen mit Frühzeichen schwerer affektiver und psychotischer Erkrankungen, mit psychischen Erkrankungen wie beispielsweise Angst- und Zwangserkrankungen sowie mit beginnenden Störungen der Persönlichkeit und/oder des Essverhaltens.
Statements zur Eröffnung der Transitionsambulanz
Prof. Dr. med. Peter Falkai, Direktor der Klinik für Erwachsenen-Psychiatrie und -psychotherapie
„Die Eröffnung der Transitionsstation bedeutet für die Erwachsenen-psychiatrie, dass sie endlich ein optimales diagnostisches und therapeutisches Angebot für junge Erwachsene anbieten kann, die bisher mit den reiferen Erwachsenen zusammen behandelt werden mussten. Das bedeutete oftmals auch, dass junge Menschen, die das erste Mal in der Psychiatrie behandelt wurden, auch mit mehrfach erkrankten älteren Patient:innen zusammengekommen sind, die sich in einem anderen Lebensabschnitt befinden und somit auch andere therapeutische Bedürfnisse haben. 75 % der psychischen Erkrankungen entstehen und manifestieren sich erstmalig in dieser Altersspanne. Wir wollen früh erkennen, effektiv helfen um einen ungünstigen Verlauf der Erkrankung zu verhindern. Dazu gehört, dass wir mit der Kinder-und Jugendpsychiatrie ein Team zusammenstellen konnten, welches gerade die Vorstufen psychischer Erkrankungen kennt und spezifische psychotherapeutische Interventionen zu ihrer Behandlung anwenden kann.“
Prof. Dr. med. Schulte-Körne, Direktor der Klinik und Poliklinik für Kinder- und Jugendpsychiatrie, Psychosomatik und Psychotherapie
„Die Coronapandemie hat insbesondere psychisch kranke Jugendliche belastet, wir haben eine deutliche Zunahme an schweren depressiven Störungen und Essstörungen erlebt. Mit der Transitionsstation schaffen wir gerade für diese jungen Erwachsenen ein Behandlungsangebot, das es bisher nicht in München gibt. Ich freue mich sehr, dass unter einer gemeinsamen Leitung der Kinder- und Jugendpsychiatrie und der Erwachsenenpsychiatrie ein neu entwickeltes Behandlungsangebot für junge Menschen geschaffen wurde, das spezifische Behandlungsangebote für die 16-24Jährige erstmals in München anbietet. Wir erleben eine stetig wachsende Anzahl psychisch erkrankter Jugendlichen, die in der Coronapandemie noch zugenommen hat. Erstmals bieten wir ein spezifisches stationäres Behandlungsangebot für Jugendliche und junge Erwachsene an, die bisher nur schlecht versorgt wurden.“
Dr. med. Selina Kornbichler, Fachärztin für Kinder- und Jugendpsychiatrie und Psychotherapie, und oberärztlich gemeinsam mit Prof. Dr. Koutsouleris zuständig für die Psychiatrische Transitionsstation
„Ich bin sehr froh, dass das seit vielen Jahren geplante und lange ersehnte Kooperationsprojekt der Kliniken der Kinder- und Jugendpsychiatrie sowie der Erwachsenenpsychiatrie, unsere gemeinsame Transitionsstation, dank vielseitiger Unterstützung nun endlich eröffnet werden konnte. Im klinischen Alltag sieht man den hohen Bedarf und die große Nachfrage eines Behandlungsangebotes, welches gezielt adoleszente Patient:innen beim Übergang aus dem Jugend- in das Erwachsenenalter begleitet und diese neben der Behandlung ihrer psychischen Erkrankung bei den zunehmend hohen Anforderungen betreffend Selbstständigkeit, Eigeninitiative und Eigenverantwortung unterstützt. Bei unseren Patient:innen bemerken wir einerseits eine hohe emotionale und teilweise noch kindlich anmutende Bedürftigkeit sowie Unsicherheit bzgl. des eigenen Ichs und der eigenen Zukunftsperspektive, andererseits den ausgeprägten Wunsch nach Autonomie und dem Treffen eigener Entscheidungen. Durch die Behandlung in einem multiprofessionellen und nun auch interdisziplinären Team sehen wir die Chance, die Jugendlichen und jungen Erwachsenen sowohl bei der Diagnostik und Behandlung der Erkrankung als auch bei der Bewältigung individueller Entwicklungsaufgaben optimal unterstützen zu können.“
Prof. Dr. Nikolaos Koutsouleris, Klinik für Erwachsenen- Psychiatrie und -psychotherapie, zuständig für die Psychiatrische Transitionsstation
„Ein Großteil der psychischen Erkrankungen beginnt bis zum 25. Lebensjahr und betrifft damit die besonders vulnerable Gruppe der Heranwachsenden.Wenn wir in diesem frühen Lebensabschnitt therapeutisch und präventiv tätig werden, können wir den jungen Menschen wesentlich zielgenauer und nachhaltiger helfen als in späteren Erkrankungsphasen. Die diagnostischen und therapeutischen Angebote der neuen interdisziplinäre Transitionsstation adressieren genau diese bisher nicht ausreichend berücksichtigten Risiken Jugendlicher und junger Erwachsener mit komplexen psychischen Beschwerden. Gleichzeitig legt das Team der Station den Fokus der therapeutischen Arbeit auf die individuellen psychischen, familiären und sozialen Ressourcen der Heranwachsenden, um diese zu stärken und so die Wahrscheinlichkeit von ungünstigen Erkrankungsverläufen zu minimieren.“
Ansprechpartner
Prof. Dr. med. Peter Falkai
Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie LMU Klinikum München Campus
Prof. Dr. med. Gerd Schulte-Körne
Klinik und Poliklinik für Kinder- und Jugendpsychiatrie, Psychosomatik und Psychotherapie LMU Klinikum München Campus