Um ein solches Orakel zu etablieren, hat ein internationales Team von Forschenden zunächst in einem ersten Schritt ein sogenanntes Machine-Learning-Modell erstellt. Will heißen: Die Wissenschaftler haben diese Art der Künstlichen Intelligenz mit MRT-Bildern von Gehirnen gesunder Menschen gefüttert. Das Modell sollte anhand der Hirnscans selbstständig lernen, das individuelle Gewicht der Personen zu bestimmen. „Und unser Algorithmus schafft das recht gut“, sagt der Münchner Psychiater.
Zweiter Schritt: Die Forschenden haben ihr System angewendet auf die MRT-Hirnscans von Patienten mit psychischen Erkrankungen. „In diesen Fällen hat unser Prognose-Modell systematische Fehler gemacht“, erklärt Koutsouleris, „es hat das Gewicht der dazugehörigen Patienten falsch ermittelt.“ Bei Vorliegen einer Schizophrenie zum Beispiel hat es das Gewicht überschätzt, weil bestimmte Hirnregionen dieser Menschen – zum Beispiel die vordere Großhirnrinde, in der Teile des Belohnungssystems verankert sind – kleiner sind als üblich. Dieses System steuert maßgeblich unser Essverhalten“, so Koutsouleris weiter, „und unser Vorhersagemodell hatte zuvor bei den gesunden Leuten gelernt: Weniger Volumen in diesen Gehirnregionen bedeutet höheres Gewicht.“ Schizophrenie-Patienten haben bei Erstdiagnose zwar kleinere Hirnvolumina, aber nicht zwingend einen höheren Body-Mass-Index (BMI).
Dritter Schritt: Die Forschenden haben ein Jahr lang den BMI der Patienten nach der Erstdiagnose und der anfänglichen Gewichtseinschätzung verfolgt: „Und da sehen wir, dass tatsächlich jene Patienten stark zunehmen, bei denen sich unser KI-Modell in Richtung eines zu hohen BMIs verschätzt hatte.“ Das ist vor allem bei Schizophrenie-, aber auch bei Depressionspatienten der Fall. Koutsouleris: „Die Differenz zwischen dem geschätzten und dem wirklich beobachteten BMI, der sogenannte BMI-Gap, hat eine Vorhersagekraft für die weitere Gewichtsentwicklung der Patienten.“