Innovationen bei der Behandlung von Darmkrebs
Künstliche Intelligenz in der Detektion von Darmkrebs
Künstliche Intelligenz (KI) ist in vielen Bereichen der Medizin auf dem Vormarsch, auch in der Detektion von Polypen im Darm, aus denen Darmkrebs entstehen kann. Es gibt unterschiedliche Wege, KI in der Koloskopie zu nutzen. „KI ist in multiplen Bereichen unterstützend“, sagt Prof. Dr. Julia Mayerle, Direktorin der Medizinischen Klinik II des LMU Klinikums München. Die Vorteile von KI in der Detektion von Darmkrebsvorläufern beschreibt die Professorin so: „Wir finden etwa 35 Prozent mehr Vorläuferläsionen (Polypen), die kleiner als ein Zentimeter sind, die dann entfernt werden. Das ist eine erhebliche Verbesserung der diagnostischen Sensitivität. KI ist also eindeutig ein Diagnose-Verbesserer.“ Zudem unterstütze Künstliche Intelligenz bei der Erstellung von Befunden sowie bei der Kodierung. Die modernen „Eye movement“-Systeme ermöglichen eine gezieltere Suche nach Polypen. Das System filtert die vielen menschlichen Störbewegungen des Auges, der Diagnostizierende kann also gezielter gucken. „Insofern sind KI-fähige Prozessoren eine echte Neuerung und ihr Einsatz in der Medizin wird zunehmen“, erklärt Prof. Dr. Mayerle. Der klinische Nutzen für das Überleben der Patienten müsse allerdings erst noch durch Studien belegt werden.
OP-Roboter bringen minimal-invasive Chirurgie voran
Die minimal-invasive Chirurgie (MIC) – als Laparoskopie (Bauchspiegelung) oder mit Hilfe eines OP-Roboters durchgeführt– ist der heutige Standard bei der chirurgischen Therapie des Darmkrebses. Diese sogenannte Schlüssellochtherapie reduziert das operative Trauma deutlich; die Patient:innen können wenige Tage nach der Operation aus der Klinik entlassen werden.
„OP-Roboter haben die MIC in den letzten zwei Jahrzehnten maßgeblich vorangebracht“, sagt Prof. Dr. Jens Werner, Direktor der Klinik für Allgemein-, Viszeral- und Transplantationschirurgie. Durch eine optimale Bildauflösung und bis zu zehnfache Vergrößerung werden auch feinste Nerven und Gefäße dargestellt – was eine besonders schonende Vorgehensweise erlaubt. Da die Instrumente mit Gelenken ausgestattet sind, können die Chirurg:innen auch schwierige Operationen auf engstem Raum präzise durchführen. Die Handbewegungen des Operateurs sind somit auch exakter. In spezialisierten Darmkrebszentren wie am LMU Klinikum werden innovative Techniken verwendet, die die Funktion der betroffenen Organe und ihrer Umgebung erhalten: So können heutzutage durch ein sogenanntes Neuromonitoring (Überwachung der Nervenfunktion) die Kontinenzleistung, die Harnblasen- oder auch die Sexualfunktion intraoperativ überwacht werden. Mit einer neuen intraoperativen Gewebefärbung mit Indocyaningrün (ICG) können Gewebeschichten markiert und damit der Tumor mit den Lymphknoten sowie die blutversorgenden Gefäße noch exakter präpariert werden.
Neue Hoffnung bei Darmkrebs durch Immuntherapien
Immuntherapien regen das körpereigene Immunsystem so an, dass es den Tumor aus eigener Kraft besiegt. Es gelingt, Darmkrebspatienten alleine mit einer Infusion, die das Immunsystem gezielt stimuliert, zu behandeln. Bei Darmkrebspatienten mit Mikrosatelliteninstabilität verzeichnen die Immuntherapien beachtliche Erfolge. Die Mikrosatelliteninstabilität (MSI) bezeichnet eine Schwäche der Zellen des betroffenen Patienten, Schäden in der Erbsubstanz zu reparieren. Ein Patient mit MSI erkrankt deshalb leichter an Krebs, da seine Zellen nicht so gut in der Lage sind, sich selbst wieder zu reparieren. Ob eine MSI vorliegt, kann man inzwischen mit einem Test nachweisen. Die Immuntherapie ist in der Lage, diese Schwäche auszunützen: Gerade die Krebszellen sind wegen der MSI angreifbarer. Mit sogenannten Checkpoint-Inhibitoren gelingt es, auch die versteckten Krebszellen „aufzudecken“, sodass das Immunsystem sie erkennt und bekämpft. Prof. Dr. Volker Heinemann, Direktor des Comprehensive Cancer Center München-LMU, sagt: „Bei Patienten mit festgestellter MSI ist die Immuntherapie mit Checkpoint-Inhibitoren so effektiv, dass man derzeit untersucht, ob man zum Beispiel beim Enddarmkrebs ganz auf die übliche OP sowie Chemo- und Strahlentherapie verzichten kann.“ Die Immuntherapie mit Checkpoint-Inhibitoren wird als Infusion verabreicht. Sowohl bei Patienten, bei denen der Krebs noch nicht gestreut hat, als auch bei bereits metastasierender Erkrankung gibt es sehr gute Erfahrungen mit der Immuntherapie bei Mikrosatelliteninstabilität.
Vernetzte Expertise an zertifiziertem Darmkrebszentrum
„Durch neueste wissenschaftliche Erkenntnisse, modernste Techniken und die enge interdisziplinäre Zusammenarbeit unserer Expert:innen können wir unsere Patient:innen noch individueller behandeln, insbesondere bei Metastasierung und Rezidiven“, sagt PD Dr. Florian Kühn, Leiter des Darmkrebszentrums am LMU Klinikum. Denn: Ein Viertel aller Darmkrebspatient:innen weisen bei Erstdiagnose bereits Metastasen auf und bis zu 50 Prozent der Patient:innen entwickeln im Laufe ihrer Erkrankung Fernmetastasen. Im LMU Klinikum arbeiten international bekannte Spezialist:innen aus den Fachbereichen Chirurgie, Gastroenterologie, Onkologie, Strahlentherapie, Radiologie, Pathologie, sowie Anästhesie und Intensivmedizin eng zusammen. Das Darmkrebszentrum am LMU Klinikum behandelt ca. 300 Patient:innen mit Darmkrebs im Jahr. Es ist von der Deutschen Krebsgesellschaft (DKG) mehrmals zertifiziert worden; die Klinik für Allgemein-, Viszeral- und Transplantationschirurgie am LMU Klinikum ist eines von drei bundesweit ausgezeichneten Chirurgischen Exzellenzzentren für die Behandlung von Darmerkrankungen.
Darmkrebstelefon
Das Darmkrebszentrum am LMU Klinikum bietet ein Darmkrebstelefon für Zuweiser:innen und Patient:innen an. Diese können unter der Telefonnummer 089 4400-78800 Termine in den verschiedenen Sprechstunden (z.B. Chirurgie, Onkologie) oder für spezielle Untersuchungen (z.B. Koloskopie) vereinbaren. Das Telefon ist montags bis freitags von 8 bis 15:30 Uhr besetzt.
Veranstaltungen im Darmkrebsmonat März
Im März sind Expert:innen des LMU Klinikums auch auf zwei Symposien zu Innovationen in der Darmkrebsbehandlung vertreten. Diese wenden sich an Fachpublikum und Journalist:innen.
Am Mittwoch, 1. März 2023, findet von 13 bis 18:40 Uhr das kostenfreie Live-Online-Event „Darmkrebsvorsorge 3.0 - Experten berichten“ als Auftaktsymposium zum Darmkrebsmonat März statt. Rund 20 Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler sowie engagierte Persönlichkeiten des nationalen Gesundheitssystems präsentieren den Status quo der nationalen Darmkrebsvorsorge und geben einen Ausblick auf die Zukunft der Prävention von Darmkrebs. Veranstalter sind das Netzwerk gegen Darmkrebs e.V., die beiden Münchner Universitätsklinika und die Felix-Burda-Stiftung. Von Seiten des LMU Klinikums wird der Ärztliche Direktor Prof. Markus M. Lerch das Symposium eröffnen; Prof. Julia Mayerle, Direktorin der Medizinischen Klinik und Poliklinik II, übernimmt den Vorsitz des Diskussionsrunde „Zukunft der nationalen Darmkrebsvorsorge“.
Weitere Informationen: https://www.netzwerk-gegen-darmkrebs.de/darmkrebsvorsorge-auftaktsymposium
Beim ebenfalls kostenfreien Symposium „Chirurgie im Dialog – Innovative Therapiestrategien bei Darmkrebs“ am Mittwoch, 15. März, von 17 bis 19 Uhr der Klinik für Allgemein-, Viszeral- und Transplantationschirurgie am LMU Klinikum stellen Expert:innen verschiedene Neuerungen in der Diagnose, Chirurgie sowie Therapie von Darmkrebs vor. Auf dem Programm stehen unter anderem Vorträge zur Immuntherapie und neoadjuvanten Therapie (TNT), zur Rolle von KI in der Detektion von Darmkrebs, zu Innovationen in der chirurgischen Therapie des Rektumkarzinoms sowie die Prähabilitation bei geriatrischen Patienten.
Weitere Informationen: https://www.lmu-klinikum.de/aktuelles/veranstaltungen/223e1899f7180db6
Patientengeschichte
Ansprechpartner
Priv.-Doz. Dr. med. Florian Kühn
Darmkrebszentrum am LMU Klinikum, CCC München