Es begann Ende der 1980er Jahre mit der Erstbeschreibung von Interleukin-1. Schon damals dachten nicht wenige Krebsforscher*innen, dass damit die Therapie von bösartigen Tumoren entscheidend verbessert werden könnte. Aber aus den großen Hoffnungen, sagt Sebastian Kobold, „wurde zunächst einmal nichts“. Denn obwohl die Familie dieser Kommunikationsmoleküle des Immunsystems auf inzwischen mehr als 40 verschiedene Moleküle wuchs, war es nicht damit getan, sie den Patient*innen einfach therapeutisch zu verabreichen. Denn die immensen Nebenwirkungen standen in keinem Verhältnis zum Effekt.
Dass dieses Forschungsfeld letztlich trotzdem durchgestartet ist, lag an den großen Fortschritten in der Molekularbiologie und der Genetik im vergangenen Jahrzehnt. In diesem Zuge, erklärt Kobold, entschlüsselten die Forscher*innen weltweit immer detaillierter das enge Zusammenspiel von Immunsystem, gesunden und bösartig entarteten Zellen – mit den Interleukinen mittendrin. Wobei sich die Janusköpfigkeit dieser Botenstoffe zeigte, wie Kobold es ausdrückt: „Interleukine haben sowohl eine wichtige Rolle in der Krebsentstehung als auch in der Tumorkontrolle und -zerstörung.“
Das gesteigerte Wissen zeitigt mehr und mehr Anwendungsstrategien, die oft schon in klinische Studien mit Krebspatient*innen getestet werden.
Beispiele:
- Es wurden Agenzien entwickelt, die einerseits den gewünschten Anti-Tumor-Effekt zum Beispiel von IL-2 und IL-15 imitieren – mit offenbar weniger Nebenwirkungen als die „Originale“
- Andererseits haben Forscher*innen Moleküle entworfen, die den unerwünschten tumorfördernden Effekt von zum Beispiel IL-2 und IL-15 zunichtemachen
- Die sogenannten CAR-T Zellen der Immuntherapien gegen Krebs werden in einem innovativen Ansatz zusätzlich mit Interleukinen ausgerüstet, um das Immunsystem gegen Tumore noch stärker zu aktivieren
- Sogenannte IL-1-Beta-Antikörper könnten die Entzündung bremsen, die das Wachstum von Tumoren antreibt
„Wir könnten jetzt die Endstrecke einer Idee sehen, die vor Jahrzehnten begonnen hat“, sagt Mediziner Kobold – und wünscht sich die Interleukine schon in einigen Jahren als „festen Teil eines ganzen Arsenals an unterschiedlichen Krebstherapien, die für jeden Patienten und jede Patientin individuell zusammengestellt wird, um den Effekt zu maximieren und die Nebenwirkungen zu minimieren.“