Die zugelassenen CAR-T-Zellen gegen CD19 eignen sich für die AML jedoch nicht, denn CD19 ist auf der Oberfläche der AML-Zellen (in der Regel) nicht vorhanden. Auch die klinischen Ergebnisse mit CAR-T-Zellen, die sich gegen andere Oberflächenmoleküle von AML-Zellen gerichtet haben, waren nach Angaben der Wissenschaftler bisher ernüchternd. Denn die CAR-T-Zellen waren nicht in der Lage, zwischen gesunden und den entarteten Zellen zu unterscheiden – mit entsprechend großen Nebenwirkungen.
Also haben sich der Mediziner Sebastian Kobold und der Physiker Carsten Marr zusammen mit Kolleg:innen des LMU Klinikums und des Institute of AI for Health von Helmholtz Munich auf die Suche nach alternativen Molekülen gemacht, die idealerweise ausschließlich auf der Oberfläche von AML-Zellen zu finden sind. Mit Hilfe umfangreicher bioinformatischer Analysen und der Integration von Expressionsdaten von mehr als einer halben Million einzelner Zellen kristallisierten sich aus 25.000 potenziellen Zelloberflächenmolekülen schließlich zwei Kandidaten heraus. Sie werden im Fachjargon CSF1R und CD86 genannt. „Eine solche Analyse wäre vor wenigen Jahren noch nicht möglich gewesen, da die entsprechenden Einzelzelldaten erst seit Kurzem existieren“, sagt Marr, der die KI-gestützte Klassifizierungs-Analyse im Rahmen der Studie bei Helmholtz Munich leitete.
Anschließend stellten die Forschenden im Labor des LMU Klinikums CAR-T-Zellen her, die sich gegen genau diese Moleküle richten. Die Zellen wurden dann an unterschiedlichen AML-Modellen getestet, unter anderem auch mit AML-Zellen aus Patient:innen. Ergebnis, so Kobold: „Diese CAR-T-Zellen sind einerseits wirksam gegen die AML, andererseits bekämpfen sie kaum gesunde Zellen.“
Die Studie zeigt auf eindrucksvolle Weise, wie die Synergie interdisziplinärer Forschungsgruppen zu Durchbrüchen in der Gesundheitsforschung führen kann, um Patient:innen bestmöglich zu behandeln. Das nächste Ziel der Forschenden: Sie wollen Verfahren zur GMP (Good manufacturing practice)-fähigen Herstellung dieser CAR-T-Zellen entwickeln, die dann auch in klinischen Studien mit AML-Patient:innen verwendet werden dürfen. Das soll im Rahmen des „Bayerischen Zelltherapie-Katalysators“ passieren, der von der Bayerischen Forschungsstiftung unterstützt wird. Die ersten Tests mit den Patient:innen erwartet Kobold in zwei bis drei Jahren.