„Schon an die Bauchspeicheldrüse gedacht?“
Ein Tumor an der Bauchspeicheldrüse gilt als stilles Risiko im Oberbauch. Häufig lange nicht erkannt, zählt der Bauchspeicheldrüsenkrebs, auch Pankreaskarzinom genannt, zu den tödlichsten Krebsarten. Dabei machen vor allem die rasche Ausbreitung des Tumors und die aggressive Metastasenbildung die Erkrankung so gefährlich.
In Deutschland erhalten jedes Jahr über 20.000 Menschen die Diagnose „Bauchspeicheldrüsenkrebs“, das Erkrankungsrisiko steigt mit zunehmendem Alter. Seit einigen Jahren nehmen die Krankheitsfälle stetig zu. „Nach aktuellen wissenschaftlichen Hochrechnungen wird der Bauchspeicheldrüsenkrebs noch im Laufe dieses Jahrzehnts zur zweithäufigsten krebsbedingten Todesursache in Deutschland werden “, sagt Professor Volker Heinemann, Direktor des Krebszentrums München (CCC München).
70 bis 80 Prozent der Betroffenen befinden sich zum Zeitpunkt der Diagnose bereits in einem Stadium, das nicht mehr heilbar ist. Denn Symptome wie Rückenbeschwerden oder ein dumpfer Bauchschmerz sind meist unspezifisch und werden oft erst einmal nicht als Alarmsignale erkannt. Diesen fatalen Umstand greift auch das Motto der Vortragsveranstaltung „Schon an die Bauchspeicheldrüse gedacht?“ auf – verbunden mit der Empfehlung für Ärzte und Betroffene, mögliche Krankheitshinweise, aber auch mögliche Risiken künftig noch stärker zu beachten.
So ist inzwischen unbestritten, dass es einen Zusammenhang zwischen Diabetes und einem Bauchspeicheldrüsenkrebs gibt – und dieser Zusammenhang lässt sich für eine Früherkennung nutzen: „Bei einem Prozent der Patienten mit einem frisch erkannten Diabetes wird ein Pankreaskarzinom innerhalb der nächsten zwölf Monate diagnostiziert. Identifizieren wir diese Patienten, können wir 50 Prozent der Pankreaskarzinome früher erkennen und behandeln – und so das Überleben der Patienten verlängern“, erklärt die Direktorin der Medizinischen Klinik und Poliklinik II am LMU Klinikum, Professorin Julia Mayerle.
Weitere Risikogruppen sind Patienten mit einer familiären Belastung sowie Patienten mit einer chronischen Pankreatitis. „Für diese Patienten ist eine kontinuierliche Überwachung an einem spezialisierten Pankreaszentrum auf jeden Fall sinnvoll“, so Professorin Mayerle. Dabei könnten auch neue blutbasierte Tests die Überwachung unterstützen.
Neue Ansätze der Präzisionsonkologie
Dass Bauchspeicheldrüsenkrebs in so vielen Fällen nur schwer erfolgreich zu behandeln ist, hängt jedoch nicht allein mit einer oftmals späten Diagnose, sondern auch mit dem Tumor selbst und seinen vielen genetischen Veränderungen zusammen. Hier könnten nun die neuen therapeutischen Ansätze der Präzisionsonkologie wertvolle Dienste leisten. Im Fokus stehen dabei vor allem die Mutationen im KRAS-Gen, die wesentlich an der Entstehung eines Pankreaskarzinoms beteiligt sind und die mit KRAS-Inhibitoren passgenau behandelt werden können. „Noch lässt sich nicht genau sagen, mit welcher Erfolgsquote wir rechnen können, aber wir sind vorsichtig optimistisch, dass dieser neue zielgerichtete Behandlungsansatz das Potenzial hat, ein Gamechanger zu sein“, sagt der Direktor der Klinik für Allgemein-, Viszeral- und Transplantationschirurgie am LMU Klinikum und Leiter des Pankreaszentrums am CCC MünchenLMU Professor Jens Werner.
Optimierte OP-Techniken
Bisher ist die vollständige Entfernung des Tumors die einzige Möglichkeit bzw. Voraussetzung für eine Heilung. Eine der größten Herausforderungen bei einer Operation am Pankreaskarzinom besteht jedoch in der Gefahr eines Tumorrezidivs: „Auch nach einer kurativen Operation kommt es mitunter zu einem Wiederauftreten des Tumors“, erklärt PD Dr. Bernhard Renz, Koordinator des Pankreaszentrums am CCC MünchenLMU . Aktuelle Fortschritte in der Pankreaschirurgie ermöglichen jedoch eine präzisere Entfernung von Tumoren und bieten Betroffenen verbesserte Heilungschancen. Am Pankreaszentrums des CCC MünchenLMU arbeiten führende Spezialisten daran, die Methoden in der Pankreaschirurgie weiter zu optimieren, um Rückfälle zu minimieren und die postoperative Lebensqualität zu erhöhen.
Die Ergebnisse durch die Weiterentwicklung der operativen Therapie sind verheißungsvoll: Dank einer neuen OP-Methode, der sogenannten Triangle-Operation, konnte die Zahl der Lokalrezidive signifikant gesenkt werden. „Hierbei handelt es sich um eine innovative Technik, die wir mitentwickelt haben und bei der systematisch auch die zentralen Lymphknoten im Operationsgebiet vollständig entfernt werden“, erklärt Professor Jens Werner. „Diese Methode ermöglicht es uns, die lokale Tumorentfernung mit höherer Präzision durchzuführen und das Risiko eines erneuten Tumorwachstums am gleichen Ort signifikant zu reduzieren.“
Trotz der ermutigenden Ansätze in Früherkennung und Therapie dieser schweren Erkrankung bedarf es weiterer Anstrengungen, um das ganze Potenzial moderner Krebsmedizin und Krebsforschung für Betroffene zugänglich zu machen – darin sind sich die Mediziner und ihr Kooperationspartner, der Arbeitskreis der Pankreatektomierten (AdP e.V.), einig. „Denn“, so der Vorsitzende der Regionalgruppe München der AdP e.V. Dieter Muck, „das Ziel muss weiterhin sein, dass mehr Betroffene eine heilende Therapie erhalten: Jede frühzeitige Diagnose ist ein Schritt zur Rettung eines Menschenlebens.“
Vorsorge und Früherkennung zählen
Auch in diesem Jahr will der Welt-Pankreaskrebstag, der immer im November stattfindet, verstärkte Aufmerksamkeit auf den gefährlichen Bauchspeicheldrüsenkrebs lenken. Anlässlich dieses Aktionstags lädt das LMU Klinikum am Mittwoch, 20. November, von 16:30 bis 19:30 Uhr zu einer Vortragsveranstaltung ins St.-Vinzenz-Haus am Campus Innenstadt ein, auf der die Expertinnen und Experten aus den Fachrichtungen Gastroenterologie und Hepatologie, Viszeralchirurgie sowie Onkologie des LMU Klinikums dieses Jahr unter dem Motto „Schon an die Bauchspeicheldrüse gedacht?“ unter anderem die Themen „verbesserte Vorsorge und Diagnostik“ aufgreifen und neueste Studienergebnisse vorstellen werden. Die Arbeitsgemeinschaft der Pankreatektomierten (AdP e.V.) informiert über ihre Angebote, die sich an Betroffene und deren Angehörigen richtet. Das detaillierte Programm gibt es online: Welt-Pankreaskrebstag 2024 am LMU Klinikum
Im Rahmen der Veranstaltung wird das St.-Vinzenz-Haus am Campus Innenstadt des LMU Klinikums lila beleuchtet. Das ist die Farbe der „World Pancreas Cancer Coalition“, die den Welt-Pankreaskrebstag im Rahmen des „Pancreatic cancer awareness month“ veranstaltet. Am 21. November 2024 findet er zum 11. Mal statt.
Kontakt
Univ. Prof. Dr. med. Julia Mayerle
Direktorin der Medizinischen Klinik und Poliklinik II
Univ. Prof. Dr. med. Jens Werner
Leiter des Pankreaszentrums am CCC MünchenLMU und Direktor der Klinik für Allgemein-, Viszeral- und Transplantationschirurgie
PD Dr. Bernhard Renz
Koordinator des Pankreaszentrums am CCC MünchenLMU
Prof. Dr. med. V. Heinemann
Direktor des Krebszentrum CCC München LMU – Comprehensive Cancer Center