Frau Prof. Kreth, was muss man sich unter einer „ketogenen Diät“ vorstellen?
Prof. Kreth: Der menschliche Organismus kann seine Energieversorgung über die Verwendung verschiedener Energiequellensicherstellen. Hierzu zählen Zucker, Fette, Proteine, aber auch Ketonkörper. Ketone stellen einen evolutionär wichtigen alternativen Energieträger dar, der das Überleben des Menschen bei eingeschränkter Nahrungszufuhr sicherstellt. Sie werden aus Fetten in der Leber bei einer deutlichen Reduktion der Kohlenhydratzufuhr (auf unter etwa 50 g/Tag) gebildet. Diese Ketone dienen sämtlichen Geweben als sehr potente Energielieferanten. Dies ist insbesondere für das ansonsten streng glukoseabhängige Gehirn wichtig. Bei einer ketogenen Diät verzichtet man weitgehend auf Zucker, Getreide, Obst und stärkehaltige Pflanzen zugunsten von Salat, grünem Gemüse und fettreicheren Lebensmitteln, wie Fisch, Fleisch, Käse, Nüsse, Samen, Avocados, Kokosprodukten und Olivenöl.
Welche Ergebnisse konnten sie in Ihrer Studie veröffentlichen?
Prof. Kreth: Überraschenderweise führte bereits eine dreiwöchige ketogene Diät gesunder Probanden zu einer erheblichen Verbesserung der Leistungsfähigkeit der T-Zell Immunität. Dies betraf sämtliche T-Zellpopulationen, also T-Helferzellen, zytotoxische T-Lymphozyten, aber auch regulatorische T-Zellen. Zudem wurde die Bildung von T-Gedächtniszellen zur Vermittlung einer langfristigen Immunität deutlich gesteigert. Diese immunologischen Verbesserungen basieren auf einer grundlegenden Neuausrichtung des T-Zell Stoffwechsels hin zu aerober mitochondrialer Zellatmung, wodurch ein höheres zelluläres Energieangebot zur Verfügung steht.
Was könnte das für Patienten bedeuten?
Prof. Kreth: Unsere Ergebnisse zeigen, dass eine ketogene Ernährungsintervention ein sehr wirkungsvolles Tool zur Leistungssteigerung der humanen T-Zell Immunität ist. Dies wird sicher in der Behandlung zahlreicher Erkrankungen zukünftig eine wichtige Rolle spielen. Der gedankliche Bogen kann von Infektionen über Autoimmunerkrankungen bis hin zu Tumoren gespannt werden. Wir müssen diese Fragen in den nächsten Jahren im Rahmen kontrollierter klinischer Studien evaluieren. Man muss allerdings kein Prophet sein, um vorherzusagen, dass der Immunmetabolimus in den therapeutischen Konzepten der Zukunft sicher zunehmend Beachtung finden wird. Man könnte auch sagen: Die Biochemie kehrt in die Medizin zurück!
Könnte die Reduzierung der Kohlenhydrataufnahme auch ein Mittel zur Prävention von Erkrankungen sein?
Prof. Kreth: Die Ausnutzung des ganzen Spektrums der Stoffwechselmöglichkeiten dient dem Überleben und der Erhaltung der Gesundheit. Es ist zu vermuten, dass die Implementierung von ketogenen Phasen in die Ernährung des Gesunden präventiv von großem Nutzen sein könnte, nicht nur zur Reduktion von Übergewicht, sondern auch zur Verbesserung der Immunabwehr. In welchem Ausmaß und in welchen Situationen dies nützlich sein kann, muss noch wissenschaftlich untersucht werden.
Welche weiteren Forschungsarbeiten Ihrer Arbeitsgruppe sind nun geplant?
Prof. Kreth: Wir untersuchen derzeit die klinische Translation unserer Ergebnisse in einer intensivmedizinischen Studie mit Sepsispatienten in Zusammenarbeit mit der Universitätsklinik Bochum. Wir erwarten die ersten Ergebnisse noch im Verlauf dieses Jahres. Zudem haben wir gerade begonnen, die Auswirkungen einer längerfristigen ketogenen Ernährung – also über drei Monate statt drei Wochen – zu untersuchen.
Suchen Sie dafür noch Freiwillige?
Prof. Kreth: Unsere Studie hat großes Interesse bei Mitarbeitern der Klinik und bei Studenten gefunden, die als freiwillige Probanden engagiert mitgewirkt haben. Hierfür möchten wir uns an dieser Stelle bedanken. Und ja, wir suchen auch weiterhin Freiwillige für unsere Studien.
Das Interview hat die Pressestelle des LMU Klinikums geführt.