Ergebnis: „Auf einer validierten Skala der Symptomatik verbesserten sich die Patienten unter der neuen Medikation um zwei Punkte, was funktionell sehr relevant ist“, wie Michael Strupp betont. Nebenwirkungen: bislang keine. Sobald die Patienten, die das Medikament anfangs zwölf Wochen lang nahmen, NALL wieder absetzten und stattdessen das Placebo bekamen, verschlechterte sich ihr Zustand. „Außerdem haben wir Hinweise darauf, dass das Medikament das Fortschreiten der Erkrankung verzögert“, sagt der Neurologe. Das bedeutet: Je früher im Leben die Erkrankung erkannt wird und die Therapie beginnt, umso besser. Typischerweise beginnt das Leiden schon im frühen Kindesalter.
Mit ihren Kollegen der Universität Oxford haben die Wissenschaftler des LMU Klinikums auch den Grund für die deutliche Verbesserung der Symptomatik und den zellschützenden Effekt aufgeklärt. NALL – anders als die normale Aminosäure Leucin – wird über einen speziellen Transporter mit hoher Kapazität durch Zellmembranen geschleust und erreicht so hohe Konzentrationen in allen Zellen einschließlich Nervenzellen. In Zellen beeinflusst es den Glukosestoff- und Energiestoffwechsel positiv. Resultat: Es wird mehr „ATP“ aus jedem Glukosemolekül produziert. ATP ist der universelle Energielieferant unserer Zellen, sozusagen unser Benzin. Dieser Energieschub „bringt Nervenzellen und andere Zellen in eine deutlich robustere Verfassung“, sagt Strupp, „und dann funktionieren die Lysosomen auch besser“. Lysosomen sind die „Organellen“ der Zellen, die diese von Abbauprodukten reinigen. Überdies stellt NALL die normale Erregbarkeit der Nervenzellen wieder her, die ebenfalls gestört ist.
Auch bei anderen Erkrankungen ist diese Erregbarkeit von Nervenzellen nicht in Ordnung. Kleinere Studien der Münchner Mediziner deuten an, dass NALL auch hier einen positiven Effekt hat. Last but not least, wer weiß: Vielleicht kann NALL eines Tages auch bei weiteren Erkrankungen, vor allem solchen mit einem vorzeitigen Altern von Nervenzellen, wirksam sein.
Originalpublikation:
Trial of N-Acetyl-l-Leucine in Niemann–Pick Disease Type C
T. Bremova‑Ertl, U. Ramaswami, M. Brands, T. Foltan, M. Gautschi, P. Gissen, F. Gowing, A. Hahn, S. Jones, R. Kay, M. Kolnikova, L. Arash‑Kaps, T. Marquardt, E. Mengel, J.H. Park, S. Reichmannová, S.A. Schneider, S. Sivananthan, M. Walterfang, P. Wibawa, M. Strupp, and K. Martakis; N Engl J Med 2024; 390:421-31.
DOI: 10.1056/NEJMoa2310151