Harnsteine (Urolithiasis)
Liebe Patientinnen und Patienten,
auf den folgenden Seiten möchten wir Ihnen die Erkrankung der Urolithiasis oder das Harnsteinleiden näher erläutern. Vermutlich sind Sie über Interesse an unserer Klinik hierauf gestoßen oder sogar, weil Sie selbst von dieser Krankheit betroffen sind. Sollten Sie noch weitere Fragen haben, können Sie sich auch gerne persönlich an unserer Spezialsprechstunde für Nierensteine in unserer urologischen Poliklinik vorstellen. Falls möglich, bringen Sie bitte alle notwendigen Unterlagen und CDs gleich mit.
Terminvereinbarung unter Tel. 089 / 4400 – 73531.
Das Harnsteinleiden lässt sich beinahe als Volkserkrankung bezeichnen. Bis zu 10% aller Menschen im Alter von 50 bis 64 Jahren sind davon betroffen (Hesse et al. Eur Urol 2003). Die Tendenz der letzten 50 Jahre zeigt einen Anstieg sowohl der Gesamtanzahl der Erkrankung (Prävalenz) sowie der Neuerkrankungen (Inzidenz). 1% aller Patient*innen in unseren Notaufnahmen sind vorstellig aufgrund dieser Erkrankung. Leider kehrt diese Erkrankung auch häufig wieder. Knapp die Hälfte aller Patient*innen erleben erneut eine Harnsteinepisode, meistens innerhalb von fünf Jahren nach dem Erstereignis (Ferraro et al. J Nephrol 2017).
Das häufigste Symptom, mit dem ein Harnsteinleiden auffällt, ist die Nierenkolik (s.u.). Weitere mögliche Symptome sind Blutbeimengung im Urin, chronische Flankenschmerzen oder wiederkehrende Harnwegsinfektionen.
Die Nierenkolik ist ein extrem schmerzhaftes Ereignis und wird regelmäßig als das schmerzhafteste Ereignis in der Erinnerung unserer Patientin*innen berichtet. Die Ursache dieser Schmerzen erklärt sich wie folgt:
Löst sich ein Nierenstein aus dem Nierenbecken und wandert in den Harnleiter, bildet er ab einer bestimmten Größe (meistens schon ab 3 bis 5 mm) ein Abflusshinderniss für Urin. Hieraufhin kommt es zu einem Urinstau und zu einem Druckanstieg im Nierenbecken. Unser Körper bemerkt dies über bestimmte Drucksensoren und meldet eine Gefahr. Dieser Druckanstieg stellt mittelfristig nämlich eine Gefahr für den Filtrationsapparat der Niere dar. Als Gegenmaßnahme leitet der Körper unwillkürliche und extrem schmerzhafte Kontraktionen des Harnleiters ein und versucht diesen Stein in Richtung Harnblase auszutrieben. Diese Kontraktionen geschehen typischerweise in Wellen, weswegen die Patienten sehr häufig wechselnde Beschwerden zwischen Ruhe und extremen Schmerzen beschreiben. In über der Hälfte der Fälle gehen Harnleitersteine von selbst ab und benötigen außer medikamentöser Unterstützung (am wichtigsten Schmerzmittel!) keine weitere Operation. Hierbei ist es meist möglich unter der Einnahme von Schmerzmitteln sowie viel Bewegung (Treppensteigen, Trampolinspringen etc.) und einer Erhöhung der Trinkmenge (3l Wasser täglich) den Stein in die Harnblase zu befördern. Nachdem der Stein in die Harnblase gelangt ist, hören die Beschwerden schlagartig auf. Die Passage des Steins aus der Harnblase über die Harnröhre läuft meist unbemerkt ab.
In bestimmten Fällen ist jedoch eine endoskopische Intervention notwendig. Dies trifft zu bei:
- Harnwegsinfektion: Gibt es Hinweis auf eine Harnwegsinfektion, also eine bakterielle Besiedlung des Urins, stellt der Harnstau aufgrund des Nierensteins eine große Gefahr der Blutvergiftung dar und muss sofort therapiert werden.
- Nierenschädigung: Gibt es Hinweise auf eine Einschränkung der Nierenfunktion durch den Nierenstein muss ebenfalls eine endoskopische Intervention eingeleitet werden.
- Größe des Nierensteins: Überschreitet der Nierenstein eine gewisse Größe (ca. > 5-7mm) ist eine spontane Passage des Harnleiters unwahrscheinlich. Hierbei kann es sein, dass trotz fehlenden Zeichen der Harnwegsinfektion oder Nierenschädigung eine endoskopische Intervention empfohlen wird.
Die Diagnostik des Nierensteinleidens beginnt in der Regel mit einer Ultraschalluntersuchung. Hier lassen sich Steine im Nierenbecken sehr gut darstellen. Steine im Harnleiter lassen sich mit Ultraschall nur schwer darstellen, jedoch lässt sich zusammen mit den Symptomen der Patient*in sowie einem vorliegenden Harnstau ein Stein im Harnleiter sehr sicher vorhersagen.
Zur Sicherung der Diagnose Nierenstein und vor einer endoskopischen Intervention ist eine Computertomographie (CT) unabdingbar. Hier lassen sich Nierensteine mit einer höchstmöglichen Sicherheit erkennen. In der Regel wird hierbei nur eine geringe Strahlendosis verwendet und ein Kontrastmittel ist nicht notwendig. Eine bestimmte Form der CT erlaubt sogar Rückschlüsse auf die Zusammensetzung des Nierensteins: die sog. Dual-Energy CT. Diese CT kann ein Vorliegen von Harnsäuresteinen vorhersagen. Das ist besonders relevant, da man diese Art von Nierensteinen komplett medikamentös auflösen kann ohne die Notwendigkeit der endoskopischen Intervention. Leider ist dies bisher nur bei Harnsäuresteinen möglich.
Bei der Therapie des Harnsteinleidens muss man zwischen einer notfallmäßigen Ableitung eines Nierenstaus sowie der eigentlichen Steintherapie unterscheiden.
Im Fall einer Harnwegsinfektion, einer beginnenden Schädigung der Niere oder nicht-kontrollierbaren Schmerzen hat die Ableitung des ursächlichen Harnstaus oberste Priorität. Dies lässt sich auf zweierlei Arten erreichen. Die bevorzugte Variante ist die endoskopische Anlage einer Harnleiterschiene. Hierbei wird eine Blasenspiegelung durchgeführt und eine dünner Schlauch am Stein vorbei in das Nierenbecken gelegt. Bei Bedarf geschieht dies in Dämmerschlaf oder Vollnarkose. Die Harnleiterschiene ist meist 28cm, ca. 2mm dick, besteht aus Polyurethan und ist am Anfang und Ende elastisch eingekringelt. Damit hält sie sich in Position zwischen Nierenbecken und Harnblase. Sie wird bis es zur eigentlichen Steintherapie belassen und ist von außen nicht sichtbar. Eine sehr häufige und legitime Frage der Patienten ist, warum man im Rahmen der endoskopischen Anlage der Harnleiterschiene nicht ebenfalls den Nierenstein entfernen kann. Dies liegt vor allem daran, dass im Rahmen der Nierenkolik der Harnleiter stark verengt und angespannt ist. Dies macht in den meisten Fällen eine Passage es mit unseren heutigen Endoskopen unmöglich, ohne die Gefahr den Harnleiter zu verletzen. Dies könnte dauerhafte Schäden zur Folge haben und ist bei einer gutartigen Erkrankung wie Nierensteinen nicht zu rechtfertigen. In der Regel wird nach der Anlage der Harnleiterschiene 10 bis 14 Tage gewartet, bis die eigentliche Steintherapie eingeleitet wird. In dieser Zeit weitet sich der Harnleiter ausreichend, sodass der Harnleiter sicher für Endoskope passierbar ist. Für den Fall, dass neben dem Stein keine Harnleiterschiene angelegt werden kann, muss in Ausnahmefällen der Harnstau über die Flanke der Patient*in mittels einer Drainage (oder sog. Nephrostomie oder Nierenfistel) abgeleitet werden.
Die Harnleiterschiene selbst kann leider ebenfalls Beschwerden verursachen. Dies äußert sich gelegentlich in Form von drückenden Schmerzen in der Flanke sowie in der Harnblase. Dies kann auch zu einem häufigen Harndrang führen. In seltenen Fällen, vor allem bei der gleichzeitigen Einnahme von Blutverdünnern, kann der Urin mit der Harnleiterscheine blutig gefärbt sein. Dies ist meist jedoch unbedenklich. Als Fremdkörper, bietet die Harnleiterschiene ebenfalls ein Risiko für Harnwegsinfektionen. Des Weiteren können Harnleiterschienen dauerhaft verkrusten oder versteinen. Deswegen ist es in der Regel so, dass Harnleiterschienen nach 3 Monaten gewechselt oder entfernt werden sollten. Generell wird jedoch versucht die Zeit mit Harnleiterschiene auf ein Minimum zu verkürzen und schnellstmöglich die Steintherapie einzuleiten.
Die Steintherapie mittels Harnleiterspiegelung ist die häufigste Form der Steintherapie. Hierbei wird mit einem dünnen Endoskop (nur ca. 2,5mm – 3mm Durchmesser) der Harnleiter bis zum Stein passiert und dieser anschließend mit Hilfe eines feinen Körbchens geborgen. Sollte der Stein zu groß für die Passage des Harnleiters sein, wird er mit einem Laser zerkleinert und anschließend geborgen. Insgesamt dauert ein solcher Eingriff 15min bis 1,5h und ist mit einem stationären Aufenthalt von 2-3 Tagen verbunden.
Nach einer URS kann es manchmal sein, dass die Schleimhaut des Harnleiters anschwillt und damit ein Abflusshindernis darstellt. Dies löst sich innerhalb weniger Stunden bis Tage von selbst, jedoch ist nicht auszuschließen, dass dies zwischenzeitlich zu einer Kolik führen könnte. Sollte sich intraoperativ während einer URS hierauf ein Hinweis zeigen, wird nach erfolgreicher URS eine „protektive“ Harnleiterschiene angelegt Diese wird anschließend im Verlauf von wenigen Tagen ambulant entfernt.
Sind Nierensteine besonders groß oder füllen gar Teile des Nierenbeckens aus, ist die PCNL häufig die richtige Wahl der Therapie. Hierbei handelt es sich um ein minimal-invasives, endoskopisches Verfahren bei dem ein Schaft über die Flanke in das Nierenbecken eingeführt wird. Hierüber wird anschließend der Nierenstein endoskopisch gelasert und über den Schaft evakuiert. Dies hat den Vorteil, dass man größere Fragmente über den Schaft bergen kann, als man es bei der URS über den Harnleiter könnte. Hierdurch kann man in relativ kurzer OP Dauer eine größere Menge Steinmaterial bergen als bei der URS. Der Schaft hatte früher einen Durchmesser bis zu 1 cm. Heutzutage wird in der Regel eine sog. Mini-PCNL durchgeführt mit Schaftdicken von ca. 6mm. An unserer Klinik wird ausschließlich die Mini-PCNL durchgeführt. Sollte es die Situation erfordern, können wir die PCNL mit einer gleichzeitigen URS im sog. Rendezvous-Verfahren zu verbinden. Dies hat den Vorteil, dass die Flexibilität des URS mit dem Fassungsvermögen des Schaftes der PCNL verbunden werden kann. Insgesamt dauert eine Mini-PCNL in der Regel 1-2h und ist mit einem stationären Aufenthalt von 3 – 5 Tagen verbunden.
Die ESWL ist immer noch für viele Patienten die geläufigste Form der Steintherapie. Hierbei wird der Nierenstein mit Hilfe von fokussierten Stoßwellen unter Ultraschall- und Röntgenkontrolle zerstoßen. Die Patient*in muss anschließend die entstanden Fragmente spontan ausscheiden. Viele Patient*innen haben hierbei die Wunschvorstellung der schonenden und schmerzfreien Steinfreiheit. In der Tat wird die ESWL deusctjedoch immer seltener angewendet. Sie erfordert häufig mehrere Sitzungen, ist ohne eine gleichzeitige Narkose relativ schmerzhaft und birgt das Risiko einer möglichen Nierenkolik durch die abgehenden Fragmente. Im Vergleich mit den technischen Fortschritten der URS und PCNL (immer bessere Bildqualität, dünnere Durchmesser, moderne Laser etc). zeigt die ESWL deswegen deutlich schlechtere Steinfreiheitsraten. In der Regel wird die ESWL nur noch bei günstig liegenden Steinen im Nierenbecken angewendet, welche eine geringe Härte aufweisen. Die Härte des Nierensteins lässt sich in der CT abschätzen.
Um nach überstandener Episode eines Nierensteinleidens möglichst keinen Rückfall zu erleiden, braucht es eine geeignete Metaphylaxe. Hierbei spielt die ursprüngliche Zusammensetzung des Nierensteins eine wichtige Rolle. Nach jeder Steintherapie in unserer Klinik wird eine Steinanalyse eingeleitet. Hiernach orientiert sich anschließend auch unsere Empfehlung für die Metaphylaxe.
Generell ist, unabhängig von der Zusammensetzung des Steins, die wichtigste Empfehlung eine Erhöhung der Trinkmenge. Mehrere Studien haben übereinstimmend gezeigt, dass man mit einem Trinkvolumen von 2l täglich das Risiko der Entstehung eines Nierensteins senken kann. Eine weitere wichtige Empfehlung ist die Reduktion der täglichen Menge an Kochsalz. Die Aufnahme von Kochsalz mit unserer täglichen Ernährung hängt fast proportional mit dem Risiko für die Bildung von Nierensteinen zusammen. Eine weitere wichtige Empfehlung ist generell eine mögliche Reduktion von vorliegendem Übergewicht (falls vorhanden), sowie ausreichende körperliche Bewegung.
Unabhängig von Empfehlungen zur Metaphylaxe sollten bei wiederkehrenden Nierensteinleiden ein grundlegendes Problem des Hormonhaushaltes bzw. genetische Erkrankungen ausgeschlossen bzw. bestmöglich therapiert werden.