Nierenzellkarzinom
Das Nierenzellkarzinom ist nach dem Prostatakarzinom und dem Harnblasenkarzinom die dritthäufigste urologische Krebserkrankung und steht an siebter Stelle aller in Deutschland verzeichneten Krebserkrankungen. In Deutschland erkranken jährlich über 12.000 Menschen. Das Auftreten von Nierenzellkarzinomen in der Bundesrepublik zeigt eine stets steigende Tendenz. Der Häufigkeitsgipfel dieser Erkrankung liegt zwischen dem 55. und 70. Lebensjahr. 90% der Karzinome befinden sich dabei im funktionellen Nierengewebe, dem Parenchym, das für die Entgiftung des Blutes zuständig sind, 10% betreffen das Sammelsystem des Urins, das sogenannte Hohlsystem.
Risikofaktoren
Als Risikofaktoren für die Entstehung gelten Cadmium, Blei, Lösemittel, Thorotrast, Teer und Holzschutzmitteln. Ausgeprägtes, dauerhaftes Übergewicht begünstigt ebenfalls die Entstehung von Nierenzellkarzinomen ebenso wie Nikotin- und übermäßiger Kaffeegenuss. Vermehrt werden Nierenzellkarzinome bei Patienten mit polyzystischen Nierenerkrankungen oder bei Dialysepatienten beobachtet.
Familiäre Häufung
Nierenzellkarzinome treten selten familiär auf. Bei betroffenen Familien finden sich gehäuft genetische Veränderungen mit Veränderungen zwischen den Chromosomen 3 und 8. Die häufigste genetische Erkrankung ist das v. Hippel-Lindau-Syndrom , bei dem neben den Nierentumoren auch charakteristische Veränderungen an der Haut, den Nebennieren und am zentralen Nervensystem auftreten.
Verschiedene Tumore – ein Name
Mittlerweile wird das Nierenzellkarzinom in mehrere unterschiedlich Untergruppen eingeteilt, die sich durch unterschiedliche Entstehungsorte und unterschiedliche biologisches Verhalten unterscheiden. Abgegrenzt werden dabei neben dem Urothelkarzinom u.a. sogenannte klarzellige von papillären, granularzelligen und chromophoben Nierenzellkarzinomen, die allesamt einen unterschiedlichen Krankheitsverlauf aufweisen und zum Teil auch spezifisch unterschiedlich behandelt werden müssen.
Spezialsprechstunde
An der Urologischen Klinik der Universität München gibt es eine Spezialsprechstunde für Patienten mit Nierentumor (Dienstag 8:00 - 15:00 Uhr). Die Telefonnummer zur Terminvereinbarung ist 089 4400 73531.
Die Entdeckung dieses Karzinoms geschieht in den meisten Fällen zufällig durch die allgemeine Untersuchung der Patienten mit dem Ultraschall oder durch Computertomographien, die wegen anderer Probleme der Patienten durchgeführt werden.
In einigen Fällen führen die Patienten allgemeine Tumorsymptome wie Müdigkeit, Abgeschlagenheit, Mattigkeit, unklares Fieber, Nachtschweiß, Flankenschmerzen oder Blut im Urin zum Arzt. Auch Veränderungen der Leberwerte, eine Erhöhung der Blutsenkung oder eine Abnahme der roten Blutkörperchen können auf Nierentumore hindeuten. Ein Blutwert der Nierentumore an sich aufdecken könnten (Tumormarker) existiert jedoch leider nicht.
Im Gegensatz zu den meisten Tumoren wird die Diagnose eines Nierentumors nicht durch eine Tumorbiopsie gestellt, sondern weitgehend durch bildgebende Verfahren gesichert.
Durch die Ultraschall-Untersuchungen oder Computer- bzw. Kernspin-Tomographie (CT, MRT) werden Nierenzellkarzinome zunehmend im Frühstadium entdeckt. Dennoch finden sich in etwa 15-30% bereits bei der ersten Diagnosestellung weit fortgeschrittene Karzinome, die sogar bereits Metastasen gebildet haben können.
Die Ultraschalluntersuchung hat das Risiko, dass bei lediglich orientierender Untersuchung der Niere kleiner Tumore unter Umständen übersehen werden können. Erst bei einer zeitintensiven gründlichen Untersuchung mit modernen Geräten können dann auch kleinere Tumore entdeckt werden. Die bessere Alternative bieten sogenannte Schnittbildverfahren, wie die Computertomographie und die Kernspintomographie. Dabei ist keine der beiden Techniken der anderen wirklich überlegen, wobei zu berücksichtigen ist, dass die Kernspintomographie eine organspezifische Untersuchungstechnik darstellt, die bei speziellen Fragestellungen hilfreich sein kann. Die Schwierigkeit bei der Beurteilung der Untersuchungsergebnisse ist jedoch, dass die Genauigkeit der Untersuchungsverfahren oftmals nicht ausreicht um eine verlässliche Diagnose zu stellen. In 80% der Fälle ist von einer bösartigen Veränderung der Niere auszugehen, sofern die gefundene Veränderung der Niere nicht einer einfachen, unkomplizierten Nieren-Zyste entspricht. Zur definitiven Klärung der Situation ist dann jedoch eine Gewebeprobe notwendig.
Die Entnahme einer Gewebeprobe kann dabei auf verschiedene Wege erfolgen: zum einen mittels der chirurgischen Nierenfreilegung, zum anderen mittels einer durch die Haut hindurch erfolgten Probebiopsie. Allerdings besteht das Risiko der Tumorzellverschleppung bei der Nadelbiopsie, so dass in der Regel die Operation notwendig wird, die dann gleich zu einer Entfernung des Tumors der Niere führen sollte.
Computertomographie mit einem zentral in der Niere sitzenden Tumor der linken Niere
Großer Nierentumor rechts mit Ausbildung eines Tumorzapfens durch die große Körperhohlvene bis zum Herzen
Die Behandlung der Nierentumore basiert im Wesentlichen auf einer chirurgischen Therapie. Dabei muss entweder die gesamte betroffene Niere entfernt, oder nur der Nierentumor. Da die Nieren zur Entgiftung des Organismus notwendig sind, verlieren die Patienten mit der Niere auch einen Teil ihrer Entgiftungsfunktion. Dies ist mit einer schlechteren Überlebensprognose verbunden, so dass moderne Kliniken nur noch den Nierentumor entfernen und die Niere an sich belassen. Dies gelingt mittlerweile bei den meisten Patienten, so dass nur noch bei sehr großen oder aggressiven Tumoren die gesamte Niere entnommen werden muss.
Zur Entfernung der Niere oder des Nierentumors kommen verschiedene Operationstechniken zum Einsatz. Dabei können auch die modernen Verfahren der Bauchspiegelungstechnik (Laparoskopie) eingesetzt werden, um mit kleinen Schnitten eine rasche Erholung zu ermöglichen. Bei der Teilentfernung der Niere ist jedoch noch immer das offene Operieren als Standard zu sehen, da mit diesem Verfahren die Niere besser geschont wird und auch in schwierige Situationen mit ungünstiger Lage des Tumors noch immer einen Erhalt der Niere ermöglicht werden kann. Tumore kleiner 4cm sollten dabei unbedingt unter Erhalt der betroffenen Niere operiert werden. Auch größere Tumore sollten zumindest so operiert werden, dass zumindest der Nierenerhalt versucht wird.
Prognose
Die Prognose der Erkrankung hängt vor allem von der Tumorgröße und dem Wachstumsmuster ab. Vorraussetzung für ein langes Überleben ist dabei vor allem die Qualität der chirurgischen Entfernung. Dabei zeigt sich in den internationalen Statistiken nicht nur, dass Zentren mit großer Erfahrung ein längeres Überleben für die von ihnen betreten Patienten erzielen, sondern dass das Überleben in Deutschland im internationalen Vergleich am längsten ist. Dies liegt sicher an der aggressiven und engagierten Therapie die in Deutschland allen Patienten zur Verfügung steht.
Nachsorge
Die Nachsorge kann ein Wiederauftreten der Erkrankung frühzeitig entdecken, so dass evtl. noch lebensrettende Therapien erfolgen können. Die Nachsorge an der LMU folgt dabei einer Risikoadaptierten Empfehlung.
Ein wesentlicher Bestandteil der Behandlung der metastasierten Erkrankung ist die chirurgische Entfernung der Metastasen, sofern dies möglich ist. Dadurch lässt sich das Überleben der Patienten erheblich verbessern. Zusätzlich wird eine systemische Therapie mit Medikamenten durchgeführt.
Kaum ein Gebiet in der Krebstherapie hat in den letzten Jahren einen so grundlegenden Wandel in der Behandlung der fortgeschrittenen Erkrankung erlebt, wie die Therapie mit Medikamenten beim metastasierten Nierenzellkarzinom. Basierte früher die Behandlung der Metastasen auf einer Stimulation des Immunsystems, die mit erheblichen Nebenwirkungen verbunden war, so stehen heute mehrere Medikamente zur Verfügung, die Tumore gezielt angreifen und deren Blutgefäße zerstören, sowie deren Neubildung (Angiogenese) verhindern. Diese sogenannten Angiogenesehemmer verlängern dabei das Überleben der Patienten erheblich, obwohl die Metastasen nicht komplett verschwinden. Die Therapie führt eher zu einer chronischen Erkrankung, ähnlich dem Diabetes, die einer anhaltenden Behandlung zugeführt werden muss. Neben der Angiogenese-Inhibition kommen auch immunologische Therapieformen zum Einsatz, z. B. sog. Immuncheckpoint-Inhibitoren. Diese modernen Behandlungsformen entwickeln sich derzeit immer weiter fort, wobei auch hier wieder die großen Zentren einen besseren Zugang zu den modernen Therapien bieten können.
Die Urologische Klinik des LMU Klinikums München hat zur Behandlung von Patienten mit Nierenzellkarzinom ein interdisziplinäres Zentrum gegründet und zählt damit zu den Vorreitern bei der Therapie dieser Erkrankung.