Benigne Prostatahyperplasie (Prostataadenom)
Hier möchten wir Ihnen einen guten Überblick über die neuesten Diagnose- und Therapiemöglichkeiten der gutartigen Prostatavergrößerung (Prostataadenom, Benigne Prostatahyperplasie, BPH) an unserer Klinik zu geben.
Die Urologische Klinik des Klinikums der Universität München, Campus Grosshadern hat einen besonderen Schwerpunkt auf der Behandlung der gutartigen Prostata-Vergrößerung. Im Jahre 2022 wurden 661 Operationen bei gutartiger Prostatavergrößerung durchgeführt, darunter 159 endoskopische Prostataresektionen ("TUR-P" mit mono- und bipolarer Resektion) und 496 HoLEP-Laserbehandlungen. Die Prostatabehandlung hat im Klinikum Grosshadern Tradition. 2003 wurde hier deutschlandweit die erste „Greenlight-Laserung“ durchgeführt. Seitdem wurden zahlreiche neue Techniken wie z.B. der Dioden-Laser untersucht.
Die für den einzelnen Patienten bestmögliche konservative und operative Therapie müssen im Gespräch sorgfältig abgewogen werden. Im Folgenden werden Ihnen die Grundlagen sowie die Eckpfeiler der medikamentösen und chirurgischen Therapie der gutartigen Prostata-Vergrößerung vorgestellt. Hilfreiche Links können zur weiteren Information genutzt werden.
Sicherlich ist es in diesem zunächst recht unpersönlichen Rahmen nicht möglich auf alle Ihre individuellen Fragen und Sorgen eine passende Antwort zu geben. Wir möchten Ihnen daher gerne anbieten, sich mit uns per Email oder im Rahmen eines persönlichen Vorstellungstermins über diese Erkrankung sowie die entsprechenden Diagnose- und Therapiemöglichkeiten an unserer Klinik eingehend zu informieren.
Wir stehen Ihnen gerne für weitere Fragen zur Verfügung.
Ihre
Prof. Dr. med. Christian Stief
Klinikdirektor
PD Dr. med. Philipp Weinhold
Leitender Oberarzt
Kontaktmöglichkeit:
Email: philipp.weinhold@med.uni-muenchen.de
Telefon-Nr. zur Terminvereinbarung in der Spezialsprechstunde:
089 / 4400-73531
Probleme beim Wasserlassen („Miktion“) sind häufig beim älter werdenden Mann, können aber auch im jüngeren Alter sowie bei Frauen vorkommen. Prinzipiell werden Störungen der Harnblasenspeicherung und der Harnblasenentleerung unterschieden und als Symptome des unteren Harntraktes (Lower Urinary Tract Symptoms, „LUTS“) bezeichnet. Harnblasenentleerungsstörungen werden durch Symptome wie einer Startverzögerung, Harnstrahlabschwächung, einer verlängerten Miktionsdauer sowie einem Restharngefühl charakterisiert. Harnspeicherstörungen werden in häufiges Wasserlassen am Tag („Pollakisurie“), nächtliches Wasserlassen („Nykturie“) und einem überfallsartigen Bedürfnis, die Blase zu entleeren („imperativer Harndrang“) mit oder ohne Inkontinenz unterteilt. Beim Mann wurden diese Symptome historisch auf eine gutartige Vergrößerung der Prostata bei benigner Prostata-Hyperplasie (BPH) zurückgeführt. Die Symptome der Harnblasenspeicherstörung werden auch unter dem Syndrom der „überaktiven Blase“ (Overactive Bladder, „OAB“) subsumiert. Die Prävalenz der OAB beträgt bei Männern 11% und bei Frauen 13% und scheint so bei beiden Geschlechtern ähnlich hoch zu sein. Sowohl männliche als auch weibliche OAB Symptome sind häufig assoziiert mit urodynamisch bewiesener Detrusor-Überaktivität (Detrusor Overactivity, „DO“)
Subanalysen der MTOPS-Studie haben die Risikofaktoren für das Fortschreiten der Erkrankung untersucht. Prostatavolumen ≥31 ml, PSA ≥1,6 ng/dl, maximaler Harnstrahl von weniger als 10,6 ml/sec, Restharnvolumina von mehr als 39 ml sowie Patienten im Alter von ≥ 62 Jahren zu Beginn der Behandlung stellten die wichtigsten Risikofaktoren dar. Die genaue Ätiologie der der benignen Prostata-Hyperplasie ist unklar. Eine wichtige Rolle scheint der hormonelle Einfluss auf die Prostata zu sein. Testosteron wird durch die 5-alpha-Reduktase zu Dihydrotestosteron umgewandelt. DHT stellt den aktiven Metaboliten dar. Eunuchen, d. h. Männer, die vor ihrer Pubertät kastriert wurden und damit kein DHT produzieren, weisen rudimentär ausgeprägte Prostatae auf und bilden keine BPH.
Die Altersabhängigkeit der Erkrankung wurde bereits diskutiert. Die Rolle des metabolischen Syndroms ist dabei umstritten. Voraussetzung für das Vorhandensein des metabolischen Syndroms sind Adipositas, Diabetes mellitus, Fettstoffwechselstörungen (erhöhtes Cholesterin bzw. LDL) sowie arterieller Hypertonus. Eine positive Familienanamnese scheint die Entwicklung der BPH zu begünstigen. Die histologische Aufarbeitung von Prostata-Gewebe bei Patienten mit BPH zeigte fast immer entzündliche Infiltrate, wobei keine Korrelation mit einer bakterieller Genese zu bestehen scheint. Im Tiermodell wurden autoimmune Komponenten mit chronischer Entzündungsreaktion festgestellt.
Der natürliche Verlauf der BPH wurde in zahlreichen Längsschnittstudien und in den Placebo-Armen klinischer Studien untersucht. In der sog. MTOPS-Studie (Medical Therapy Of Prostatic Symptoms) wurden 3047 Männer mit mäßig - bis schweren LUTS und einer Harnstrahlrate von 4-15 ml/sec wurden über einen Zeitraum von 4,5 Jahren mit Placebo, einem Alpha1-Adrenozeptor-Antagonist (Doxazosin), einem 5-Alpha-Reduktase-Hemmer (Finasterid) oder der Kombination aus beiden Medikamenten behandelt. Im Placebo-Arm dieser Studie zeigten sich insgesamt 16,6 % der Männer im Progress (122/737 Männer). Dabei trat am häufigsten eine Verschlechterung der Symptome auf (97/122 Männer), was einer Rate von 14 % über 5 Jahren entsprach. Das Auftreten eines akuten Harnverhaltes (18/122 Männer, 2 % über 5 Jahre) sowie ein BPH-bedingter Eingriff (sekundäres Studienziel, 37/737 Männer, 5% im Laufe von 5 Jahren) waren deutlich seltener.
Eine eingehende Anamnese mit besonderem Augenmerk auf Begleitmedikation, Erkrankungen des unteren Harntraktes sowie neurologische Begleiterkrankungen ist bei jedem Patienten unverzichtbar. Die körperliche Untersuchung beinhaltet u. a. die digital-rektale Untersuchung (DRU). Zahlreiche Studien haben gezeigt, dass die DRU das Prostatavolumen deutlich unterschätzt und daher wenig hilfreich ist. Allerdings geben Konsistenz und Form der Prostata (Knoten, Asymmetrie, Induration) möglicherweise einen Hinweis auf das Vorliegen eines Prostatakarzinoms. Die Urinanalyse zum Ausschluss einer Harnwegsinfektion und die Bestimmung des PSA gehören zur Routinediagnostik. Dabei ist zu beachten, dass das PSA verschiedene Zwecke erfüllt: zum einen ist es ein sog. „proxy“-Parameter zur Bestimmung der Prostatagrösse, falls diese nicht transrektal sonographisch bestimmt werden kann. Des Weiteren dient die PSA-Bestimmung dem Ausschluss eines Prostatakarzinoms. Dabei sollte bedacht werden, dass eine PSA-Bestimmung hier nur sinnvoll erscheint, wenn ein erhöhter Wert das weitere Vorgehen verändern sollte. Es gelten darüber hinaus die üblichen Bestimmungen bei der Vorsorge eines Prostata-Karzinoms. Falls die Patienten bei der Erstuntersuchung einen akuten Harnverhalt präsentieren sollten, kann eine Katheterisierung mit zusätzlicher medikamentöser Begleitmedikation (Alpha1-Adrenozeptor-Antagonist wie Alfuzosin oder Tamsulosin) versucht werden. Bei Rezidiven eines AHV ist einebaldige chirurgische Intervention unumgänglich. Validierte Fragebögen wie z.B. der internationale Prostata-Symptom-Score (IPSS; Download des IPSS-Fragebogens als PDF-Datei) ermöglichen die Quantifizierung der Symptome.
Eine Frage zur Beeinträchtigung der Lebensqualität wird ebenfalls gestellt. Nach Summation der Punkte wird die Ausprägung der subjektiven Symptomatik in mild (0-7 Punkte), mäßig (8-18 Punkte) und schwer (19 Punkte und mehr) festgestellt (siehe Abb). Patienten mit einem Punktewert von weniger als 8 Punkten und geringer Beeinträchtigung der Lebensqualität werden „nicht aktiv“ behandelt („watchful waiting“). Darunter versteht man die regelmäßige Kontrolle und Re-Evaluation der Befunde mit der Möglichkeit einer späteren Intervention. Patienten mit mäßiger oder schwerer Symptomatik werden einer weiteren Diagnostik zugeführt, die beim urologischen Facharzt stattfinden sollte. Dabei wird eine Restharnmessung mit Hilfe eines transabdominellen Ultraschalls durchgeführt; dabei sollten Restharnvolumina von ≤50 ml vorliegen. Der transrektale Ultraschall dient vornehmlich der Grössenbestimmng der Prostata. Die sichere Diagnose eines Prostatakarzinoms ist auf Grund der unspezifischen sonographischen Charakteristika eines Prostatakarzinoms nicht möglich. Von der Prostata-Größe kann sowohl die Wahl der medikamentösen Therapie als auch die Art des operativen Eingriffes abhängig gemacht werden. Eine Harnstrahlmessung stellt eine nicht-invasive Möglichkeit zur Evaluation des Grades infravesikaler Obstruktion sowie Kontraktionskraft der Blasenmuskulatur dar. Da eine Differenzierung zwischen infravesikaler Obstruktion (auf Grund von BPH, BPE, Harnröhrenstriktur, etc.) und erniedrigter Kontraktionskraft der Blasenmuskulatur hiermit nicht möglich ist, ist die Interpretation der Befunde oft schwierig.
Eine weitere Differenzierung kann, wie oben beschrieben, aussschliesslich mit speziellen invasiven Tests wie der urodynamischen Untersuchung gemacht werden. Hierbei wird durch Messung der intravesikalen, urethralen und intraabdominellen Druckverhältnisse (annähernd bestimmt mit einem transrektalen und transurethralen Katheter) eine Differenzierung ermöglicht. Verschiedene Nomogramme ermöglichen dabei die Bestimmung einer möglichen Blasenauslassobstruktion. Diese Technik ist vor allem bei Patienten mit komplexer neurologischer Anamnese und bekannter Blasenfunktionsstörung vor einer chirurgischen Intervention unerlässlich. Wie bereits geschildert ist die Bestimmung des Obstruktionsgrades schwierig. Neue Studien haben daher den Stellenwert der sonographischen Blasenwanddickenmessung untersucht. Die Rationale dabei ist, dass jede infravesikale Obstruktion mit einer Zunahme der Blasenwanddicke (Hypertrophie der Blasenmuskulatur) einhergeht. Der Grad der Obstruktion korreliert daher mit der Dicke der Blasenmuskulatur (siehe Abbildung).
Die zystoskopische Beurteilung der Harnröhre und Harnblase ist v. a. bei Patienten mit Mikro- oder Makrohämaturie zum Ausschluss eines Urothelkarzinoms unbedingt durchzuführen.
Für die medikamentöse Therapie des Benignen Prostatasyndroms (BPS) steht eine Reihe von unterschiedlichen Substanzklassen zur Verfügung. Traditionell werden v. a. in Deutschland gerne pflanzliche Substanzen („Phytopharmaka“) verordnet, des Weiteren haben α1 Rezeptorblocker und 5-Alpha-Reduktase-Inhibitoren ihre Wirksamkeit in vielen Studien unter Beweis gestellt. Neue Wirkstoffe und Wirkstoffkombinationen wie Phosphodiesterase-5-Hemmer oder die Kombination von Anticholinergika mit α1 Rezeptorblockern haben zum Ziel, neben den Symptomen des Benignen Prostatasyndroms auch gleichzeitig bestehende Erkrankungen wie eine Erektile Dysfunktion oder eine überaktive Blase („OAB“) zu therapieren.
Das Benigne Prostatasyndrom ist eine progrediente Erkrankung, bei der vor allem das individuelle Risiko des Patienten für einen Progress in die Auswahl der entsprechenden Medikation einfließen sollte. Nur eine einzige Substanzklasse, die 5-Alpha-Reduktase-Inhibitoren, kann nach heutigem Wissensstand das Fortschreiten der Erkrankung und damit das Risiko für einen akuten Harnverhalt oder die Notwendigkeit einer Operation senken. Alle übrigen Substanzen verringern ausschließlich die Symptome der betroffenen Patienten und müssen daher als Dauermedikation eingenommen werden, ein Umstand, über den die Patienten aufgeklärt werden müssen.
Die verfügbaren Wirkstoffe stellen in ihrer Gesamtheit den Goldstandard in der Therapie der leichten bis mittelschweren BPS-Beschwerden dar. Dabei ist jedoch zu beachten, dass es Kontraindikationen zur medikamentösen Therapie gibt, welche eine operative Therapie notwendig machen, sofern der Patient für einen operativen Eingriff geeignet ist. Zu diesen Kontraindikationen zählen eine BPS-bedingte Makrohämaturie, Blasensteine, Niereninsuffzienz oder rezidivierende Harnwegsinfektionen. Patienten mit den genannten Komplikationen sollten – sofern das Operationsrisiko vertretbar ist – einer operativen Therapie zugeführt werden.
Für die operative Therapie steht eine Vielzahl unterschiedlicher Verfahren zur Verfügung. Dabei sollte auf das individuelle Riskoprofil des Patienten durch Verwendung spezieller Techniken eingegangen werden. Die transurethrale Resektion der Prostata (TUR-P) stellt den Goldstandard dar. Allerdings sind im Laufe des letzten Jahrzehnts verschiedene Techniken hinzugekommen, die aus unterschiedlichen Gründen eine Konkurrenz zur TUR-P darstellen. Dabei unterscheiden sich die verschiedenen Verfahren in der Art des Gewebeabtrags.
Es wird differenziert zwischen resezierenden Verfahren (mononpolare und bipolare TUR-P sowie Thulium-Laser-Resektion der Prostata), enukleierenden Verfahren (offene bzw. roboterassistierte Adenomenukleation, Holmium-Laser-Enukleation der Prostata (HoLEP)), vaporisierenden Verfahren (photoselektive Vaporisation der Prostata („Greenlight-Laser“), Vaporisation durch Diodenlaser sowie Plasmavaporisation der Prostata) und thermischen Verfahren (transurethrale Nadelablation der Prostata, transurethrale Mikrowellenablation sowie konvektive Wasserdampfablation der Prostata (Rezum)).
Grundsätzlich sollte nach ausführlicher Diagnostik mit dem Patienten ein Gespräch geführt werden, um mit ihm die verschiedenen medikamentösen und chirurgischen Optionen zu besprechen und eine auf ihn individuell zugeschnittene Therapie festzulegen.