Nachsorge
Das Harnblasenkarzinom wird unterteilt in nicht-muskelinvasive Blasentumoren (NIMBC) und muskelinvasive Tumoren (die mit Zystektomie behandelt werden).
In etwa 75% der Fälle ist bei Patienten mit einem Harnblasenkarzinom die Erkrankung auf die Mukosa (Ta, Cis) oder Submukosa (T1) beschränkt. Diese Stadien werden daher als nicht-muskelinvasive Blasenkarzinome (NIMBC) definiert. Die krankheitsspezifische Mortalität ist dabei verglichen mit den invasiven Harnblasenkarzinomen (T2-4) gering. Aufgrund der Rezidivneigung und des Progressionsrisikos der NMIBC muss eine regelmäßige Tumornachsorge durch den Urologen erfolgen.
Grundlage der urologischen Tumornachsorge des NMIBC ist die Zystoskopie. Ergänzend werden Untersuchungen wie Urinzytologie, urinbasierte Tumormarker, Sonographie, Ausscheidungs-Urogramm (AUG/IVU) oder das CT-Urogramm (CT-AUG) bzw. das MRT-Urogramm (MRT-AUG) in Abhängigkeit vom Risikoprofil des NMIBC durchgeführt.
Das Nachsorgeschema und die Untersuchungsintervalle des NMIBC werden entsprechend dem individuellen Risiko des Patienten im Hinblick auf das Rezidiv- und Progressionsrisiko nach den Kriterien der EORTC (European Organisation for Research and Treatment of Cancer) gewählt.
Risikoklassifikation
Konsensbasierte Empfehlung
EK
Nach Diagnose eines nicht-muskelinvasiven Blasenkarzinoms soll eine Risikoklassifikation des Tumors (low, intermediate, high risk) entsprechend dem Rezidiv- und Progressions-Risiko nach den EORTC-Kriterien durchgeführt werden.
Es wurde keine systematische Literaturrecherche für diese Fragestellung durchgeführt. Stattdessen erfolgte eine Adaptation der NICE-Leitlinien-Literaturrecherche mit Übernahme der Evidenztabellen auf der Basis einer systematischen Literaturrecherche. In einer Meta-Analyse wurden insgesamt 2596 Patienten aus sieben EORTC-Studien mit nicht-muskelinvasivem Urothelkarzinom der Harnblase (Ta, T1, Cis) zusammengefasst und im Hinblick auf ihr Rezidiv- und Progressionsrisiko analysiert. Das sich daraus ergebende EORTC Scoring-System basiert auf 6 klinischen und pathologischen Faktoren:
• Anzahl der Tumore
• Tumorgröße
• Rezidivrate
• T-Stadium
• Vorhandensein von CIS
• Tumor Grading (WHO 1973)
Die Risikotabellen der EORTC (www.eortc.org, Prognostic Calculator Software) lassen eine gute Risikoabschätzung zu und wurden auch in anderen Leitlinien (EAU, NICE) implementiert.
Einteilung in Risikogruppen
Übersicht konsensbasierte Definition der Risikogruppen des nicht muskelinvasiven Harnblasenkarzinoms (Auszug aus der aktuellen S3 Leitlinie Blasentumore)
Low-risk NMIBC
- Solitär pTa G1 <3cm
- Solitär pTa G2 (low grade) <3cm
- PUNLMP (papillary urothelial neoplasm of low malignant potential)
Intermediate-risk NMIBC
- Solitär pTaG1 ≥3cm
- Multifokal pTaG1
- Solitär pTaG2 (low grade) ≥3cm
- Multifokal pTaG2 (low grade)
- pTa G2 (high grade)
- Jeder pTaG2 (wenn keine genaueres Grading bekannt ist)
- Jedes Karzinom aus der Low-risk-Gruppe, das innerhalb von 12 Monaten rezidiviert
High-risk NMIBC
Alle Karzinome mit folgenden Kriterien:
- pTaG3
- pT1G2
- pT1G3 (high grade)
- pTis (Cis)
- Aggressive histologische Varianten des Urothelkarzinoms mit lymphoepithelialer, plasmazytoider, plattenepithelialer, mikropapillärer und / oder kleinzelliger Komponente sowie nested Variante
-
-
Nachsorge des Low-risk NMIBC
Evidenzbasierte Empfehlung
Empfehlungsgrad B
Patienten mit einem low-risk nicht-muskelinvasiven Blasenkarzinom sollten nach Erstdiagnose und transurethraler Resektion eine Zystoskopie nach 3 und 12 Monaten erhalten. Bei Rezidiv-Freiheit sollte das Zystoskopie-Intervall auf einmal pro Jahr erweitert werden. Wird kein Rezidiv festgestellt, sollte die urologische Nachsorge nach 5 Jahren beendet werden.
Konsensbasiertes Empfehlung
EK
Für die Nachsorge von Patienten nach nicht-muskelinvasivem Blasenkarzinom können Urinzytologie und Immunzytologie zusätzlich zur Zystoskopie eingesetzt werden.
Konsensbasiertes Empfehlung
EK
Beim Erstbefund eines low-risk nicht-muskelinvasiven Blasenkarzinoms sollte keine routinemäßige bildgebende Verlaufskontrolle des oberen Harntrakts in der Nachsorge erfolgen.
-
Nachsorge des Intermediate-risk NMIBC
Evidenzbasierte Empfehlung
Empfehlungsgrad A
Patienten mit einem intermediate-risk nicht-muskelinvasiven Blasenkarzinom sollen eine Zystoskopie im 1. Jahr alle drei Monate, im 2. und 3. Jahr alle 6 Monate und ab dem 4. Jahr einmal jährlich erhalten.
Konsensbasiertes Empfehlung
EK
Bei Patienten mit einem intermediate-risk nicht-muskelinvasiven Blasenkarzinom sollte die Urinzytologie ergänzend zur Zystoskopie in der Nachsorge eingesetzt werden.
Konsensbasiertes Empfehlung
EK
Wenn eine bildgebende Abklärung des oberen Harntraktes in der Verlaufskontrolle bei nicht-muskelinvasivem Blasenkarzinom indiziert ist, dann sollte bevorzugt eine Dünnschicht-CT-Urographie durchgeführt werden.
Konsensbasiertes Empfehlung
EK
Alternativ zur CT-Urographie kann ein MRT mit mehreren Untersuchungszeitpunkten vor und nach Kontrastmittelapplikation oder ein Urogramm durchgeführt werden.
-
Nachsorge des High-risk NMIBC
Evidenzbasierte Empfehlung
Empfehlungsgrad A
Patienten mit einem high-risk nicht-muskelinvasiven Blasenkarzinom sollen eine Zystoskopie in den ersten 2 Jahren alle 3 Monate, im 3. und 4. Jahr alle 6 Monate und ab dem 5. Jahr einmal jährlich erhalten.
Konsensbasiertes Empfehlung
EK
Bei Patienten mit einem high-risk nicht-muskelinvasiven Blasenkarzinom soll die Zystoskopie in der Nachsorge nicht durch Urinmarker ersetzt werden.
Konsensbasiertes Empfehlung
EK
Die Urinzytologie ist eine hochspezifische urinbasierte Diagnosemethode für high- grade nicht-muskelinvasives Blasenkarzinom in der Nachsorge von Urothelkarzinomen.
Konsensbasiertes Empfehlung
EK
Bei Patienten mit einem high-risk nicht-muskelinvasiven Blasenkarzinom sollte die Urinzytologie ergänzend zur Zystoskopie in der Nachsorge eingesetzt werden.
Konsensbasiertes Empfehlung
EK
Wenn eine bildgebende Abklärung des oberen Harntraktes in der Verlaufskontrolle bei nicht-muskelinvasivem Blasenkarzinom indiziert ist, dann sollte bevorzugt eine Dünnschicht-CT-Urographie durchgeführt werden.
Konsensbasiertes Empfehlung
EK
Alternativ zur CT-Urographie kann ein MRT mit mehreren Untersuchungszeitpunkten vor und nach Kontrastmittelapplikation oder ein Urogramm durchgeführt werden.
Nachsorge nach radikaler Zystektomie
Konsensbasierte Empfehlung
EK
Bei Patienten nach radikaler Zystektomie und Harnableitung soll eine regelmäßige Nachsorge erfolgen, um sowohl Tumorrezidive, wenn behandlungsrelevant, als auch funktionelle Störungen erfassen zu können.
Konsensbasiertes Empfehlung
EK
Die Nachsorge-Intervalle zur Detektion von Tumorrezidiven mittels Bildgebung sollten bei Patienten nach radikaler Zystektomie und Harnableitung in Abhängigkeit vom Tumorstadium erfolgen. Lokal begrenzte Blasentumore (< pT2pN0cM0):
- Erste Nachsorge nach 3-6 Monaten
- 1. bis 2. Nachsorgejahr: 6-Monatsintervalle
- 3. bis 5. Nachsorgejahr: 12-Monatsintervalle
- Ab 6. Nachsorgejahr: Bei neuer Hydronephrose oder positiver Urinzytologie
Lokal fortgeschrittene Blasentumore (> pT3 und/oder pN1):
- Erste Nachsorge nach 3-6 Monaten
- bis 3. Nachsorgejahr: 6-Monatsintervalle
- 4. bis 5. Nachsorgejahr: 12-Monatsintervalle
- Ab 6. Nachsorgejahr: Bei neuer Hydronephrose oder positiver Urinzytologie
Die Nachsorge-Intervalle zur Detektion von funktionellen Störungen sollten bei Blasentumor-Patienten nach radikaler Zystektomie und Harnableitung langjährig erfolgen.
- 1. Nachsorgejahr: 3-Monatsintervalle
- 2. bis 5. Nachsorgejahr: 6-Monatsintervalle
- Ab 6. Nachsorgejahr: 12-Monatsintervalle
In der Nachsorge von Blasentumor-Patienten nach radikaler Zystektomie soll zur Detektion von Tumorrezidiven eine Computertomographie des Abdomens und des Thorax mit Kontrastmittel inkl. urographischer Phase durchgeführt werden.
In der Nachsorge von Blasentumor-Patienten nach radikaler Zystektomie soll zur Detektion von Tumorrezidiven im oberen Harntrakt eine zellbasierte Urinuntersuchung (Urinzytologie, FISH) durchgeführt werden.
In der Nachsorge des Harnröhrenstumpfes nach radikaler Zystektomie sollen eine Urethroskopie und eine Urin-Spülzytologie durchgeführt werden.