Zentralstelle Off-Label-Use
Informieren. Erklären.Finden.
Wir stellen Ihnen hier verschiedene Informationen rund um den Einsatz von Fertigarzneimitteln außerhalb ihrer zugelassenen Anwendungsgebiete zur Verfügung.
Als "Off-Label-Use" bezeichnet man den Einsatz von Fertigarzneimitteln außerhalb ihrer zugelassenen Anwendungsgebiete. Was genau in diese Kategorie fällt, ist in Deutschland nicht eindeutig festgelegt. In der Regel fassen wir als "Off-Label-Use" alle Fälle zusammen, in denen wir von der Zulassung eines Arzneimittels abweichen, egal ob bei der Indikation, bei der Dosierung, bei der Behandlungsdauer oder beim Applikationsweg. Off-Label-Use umfasst also z. B. auch das Zermörsern von Arzneimitteln für die Sondengabe.
Die Palliativmedizin hat es mit komplexen Krankheitsbildern zu tun, für deren Therapie uns häufig keine zugelassenen Arzneimittel zur Verfügung stehen. Der zulassungsüberschreitende Einsatz von Arzneimitteln ist deshalb fester Bestandteil der palliativmedizinischen Pharmakotherapie. Er bedeutet für alle Beteiligten eine große Herausforderung und konfrontiert sie mit besonderen Risiken; zu bedenken sind Fragen der Therapiesicherheit ebenso wie rechtliche Aspekte (z. B. die Kostenübernahme durch die gesetzlichen Krankenversicherungen). Zugleich eröffnet der Off-Label-Use aber auch große Chancen, wenn man ihn verantwortungsvoll, wohlüberlegt und kontrolliert handhabt. Unter den richtigen Voraussetzungen lassen sich dadurch wichtige Erkenntnisse gewinnen, die über den Einzelfall hinaus weiteren Palliativpatient:innen zugutekommen können.
Beispiel: subkutane Applikation
Nur wenige palliativmedizinisch eingesetzte Substanzen sind auch für den subkutanen Applikationsweg zugelassen.
Deshalb handelt es sich bei der subkutanen Applikation oft um Off-Label-Use!
Für viele Substanzen liegen uns Daten zur subkutanen Anwendbarkeit vor. In der Regel handelt es sich dabei aber um Fallberichte und Fallserien mit wenigen Patient:innen, also nicht um systematische Untersuchungen, sondern lediglich um Erfahrungsberichte. Dennoch lassen sich solche publizierten oder auch nur persönlich gesammelten Erfahrungen im klinischen Alltag als Orientierungshilfe nutzen, wenn keine offiziellen Empfehlungen zur subkutanen Applikation eines Arzneistoffes existieren.
Wichtige Aspekte dabei sind:
- Die Substanz ist gut wasserlöslich. Es sind keine Lösungsvermittler nötig, um die Substanz überhaupt erst in Lösung zu bringen.
- Das Applikationsvolumen ist gering.
- Die Substanz ist möglichst wenig reizend.*
- Osmolarität und pH-Wert sind sich im physiologischen Bereich.**
* Hinweise, dass eine Substanz reizend ist, kann z. B. die Fachinformation geben. Besondere Aufmerksamkeit verdient z. B. der Vermerk, dass eine Substanz bei extravasaler Anwendung Nekrosen auslösen kann.
** Möglicherweise sind Osmolarität und pH-Wert allerdings nur von untergeordneter Bedeutung. Mittlerweile ist bekannt, dass Patient*innen auch Substanzen mit hohen Osmolaritäten und extremen pH-Werten bei s.c.-Applikation gut tolerieren. Beispiele sind Midazolam (pH 2,9–3,7) und Omeprazol (pH 9,3–10,3) sowie Metamizol oder Levetiracetam.
Dass ein Arzneimittel für ein Anwendungsgebiet, einen Applikationsweg oder eine Dosierung nicht zugelassen ist, bedeutet nicht zwangsläufig, dass es sich für diese Anwendung grundsätzlich nicht eignet; ebenso wenig bedeutet es, dass es schädlich oder verboten wäre, das Arzneimittel außerhalb seiner Zulassung einzusetzen. Dafür gilt allerdings eine besondere Sorgfalts- und Dokumentationspflicht.
Es liegt im Ermessen des Behandlers, unter verschiedenen anerkannten Therapiemethoden jene auszuwählen, die sich für die zu behandelnde Person am besten eignet. Selbstverständlich muss der Arzt bei der Wahl einer Therapie seine Sorgfaltspflicht einzuhalten. Es gilt, vermeidbaren Schaden von der zu behandelnden Person fernzuhalten –unabhängig von der verbleibenden Lebenserwartung. Wenn es keine sinnvolle Alternative gibt, führt oft kein Weg am Off-Label-Use vorbei.
Für viele Arzneimittel ist ein Off-Label-Einsatz in der Palliativmedizin seit langem etabliert und gut dokumentiert. Trotzdem ist eine Zulassung dieser Anwendungen häufig nicht zu erwarten, weil nicht die ärztliche Verordnungspraxis, sondern die Interessen der Pharmafirmen das Zulassungsverfahren steuern.
Nur der Hersteller eines Arzneimittels kann seine Zulassung beantragen. Zulassungsverfahren sind allerdings zeit- und kostenintensiv. Der Anreiz für pharmazeutische Unternehmen, sich in dieses aufwändige Verfahren zu begeben, ist entsprechend gering, gerade bei Wirkstoffen, die bereits seit vielen Jahren im Handel verfügbar und deshalb vergleichsweise kostengünstig sind. Dagegen ist der Aufwand für Studien, die für eine erweiterte Zulassung nötig wären, gerade in der Palliativmedizin sehr hoch. Es rentiert sich für Pharmafirmen also oft nicht, solche erweiterten Zulassungen zu beantragen.
Das bedeutet für die Palliativversorgung, dass wir unsere Erfahrungen zum Off-Label-Use eigenverantwortlich dokumentieren, prüfen und pflegen müssen, um gewonnene Erkenntnisse für unsere weitere Arbeit zu nutzen. Das Kompetenzzentrum Palliativpharmazie leistet dazu u. a. mit seiner Sammlung von Kompatibilitätsdaten zu Mischinfusionen einen wichtigen Beitrag.
Umfassende, evidenzbasierte Informationen zur Arzneimitteltherapie in der Palliativversorgung (Indikation, Applikationsweg, Dosierung, Anwendungsdauer, Patientenalter) finden Sie kostenfrei und einfach zugänglich in dieser Datenbank:
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