Muskuloskelettale Beckenschmerzen
Krankheitsbilder
Bilaterale Fusion des ISG
Das Iliosakralgelenk (ISG) ist ein häufig übersehener oder erst spät erkannter Schmerzgenerator bei tiefen Rückenschmerzen. Wie bei jedem Gelenk des Körpers kann auch dieses Abnutzungserscheinungen zeigen, eine sogenannte „Arthrose“, welche man z.B. im Röntgenbild nachweisen kann. Viele Patienten jedoch haben ISG-Schmerzen ohne dass im Röntgen Arthrosezeichen vorliegen - daher wird zunächst fälschlich von einem „unauffälligen“ ISG ausgegangen. Daher kommt es oft zu einer späten Diagnosestellung. Das häufig mechanisch bedingte Problem des ISG ist teils eine „Blockade“, bei dem es zu einschießenden Schmerzen kommt, die auch über längere Zeiten bestehen können, teils jedoch auch eine „Instabilität“ des ISG. Beide sind auf Röntgenuntersuchungen meist nicht nachweisbar.
Entscheidend für die Diagnostik des ISG ist (nach einer obligaten rheumatologischen Abklärung) jedoch der klinische Untersuchungsbefund sowie eine positive Testinfiltration mit lokalem Betäubungsmittel.
Die klinischen Tests bestehen hauptsächlich aus einer manuellen Untersuchung (Lokalisieren von Druckschmerz) sowie aus verschiedenen Belastungstests (Kompression, Distraktion, Faber- und Gaenselentest und andere) sowie der Kontrolle des „Vorlaufphänomens“ welches ein blockiertes ISG nachweisen kann.
Im Falle einer ISG-Blockade wird im Normalfall eine manualtherapeutische Deblockierung angestrebt. Diese kann teilweise über Jahre effektive Besserung bringen. Durch Sekundärprophylaxe wie Stärkung der Muskulatur, Haltungs- und Gangoptimierung sowie Vermeidung von „Triggertätigkeiten“ welche zu einem erneuten Anfall führen wird versucht, die Häufigkeit von Beschwerden deutlich zu verringern.
Orthopädisch können akute Schmerzzustände oder die konservative Therapie durch Infiltrationen mit lokalem Betäubungsmittel und einem Kortisonpräparat unterstützt werden. Man geht dabei von einer nicht-bakteriellen Entzündung („Reizzustand“) des Gelenks aus, welcher durch die immunsupprimierende Wirkung des Kortisons beendet wird.
Häufig jedoch zeigt sich das Beschwerdebild im Laufe der Jahre zunehmend und therapieresistent, so dass eine Eskalation notwendig wird.
Ein weiterer Schritt kann daher die „Denervierung“ der Nervenäste erfolgen welche das ISG versorgen und den Schmerz weiterleiten. Hier gibt es perkutane und endoskopische Verfahren zur sogenannten Thermodenervation. Hierbei wird durch einen Wechselstrom das Nervengewebe „verkocht“ so dass der Schmerz nicht mehr weitergeleitet werden kann.
Bei instabilem ISG oder bei Versagen der Denervierungstherapie gibt es seit wenigen Jahren eine weitere Therapieoption: die Fusion (Versteifung) des ISG durch spezielle Implantate. Diese werden minimalinvasiv von seitlich eingebracht und stellen das Gelenk sofortig ruhig. Im Laufe der Monate und Jahre kommt es häufig zu einer zusätzlichen knöchernen Fusion des Gelenks. Durch die eliminierte Bewegung im ISG kommt es meist zu einer deutlichen Schmerzreduktion. Hierzu gibt es bereits eine sehr gute internationale Studienlage.
Für die Fusion des ISG allerdings ist eine klare Indikation jedoch unabdingbar. Dazu gehört eine ausreichende konservative Therapie im Vorfeld sowie eine klare Lokalisation des Schmerzes auf das ISG in den diagnostischen Tests, inklusive einer Röntgen-gesteuerten Infiltration die wir selbst durchführen. Nur wenn alle Kriterien erfüllt sind, kommen Sie für eine solche Operation in Frage.
In unserer Klinik werden alle ISG-Fusionen mittels iFuse(R) Implantat durchgeführt, dessen Wirksamkeit und Sicherheit in vielen Studien nachgewiesen wurde. Außerdem wird bei uns jede dieser Operationen mittels Computernavigation (Brainlab Navigationssystem) durchgeführt und im OP-Saal selbst mittels CT überprüft. Dies ist vor Allem bei veränderter Anatomie (sogenanntes „dysmorphes Sakrum“) das Mittel der Wahl. Außerdem kann damit eine optimale 3D-Implantatlage und -länge und damit die höchste biomechanische Wirksamkeit gewährleistet werden.
Gerne können Sie mich auch bei Fragen kontaktieren:
christopher.becker@med.uni-muenchen.de
oder
symphysen-sprechstunde@med.uni-muenchen.de
MRT einer Osteitis pubis
Im Sport und insbesondere im Leistungssport spielen Leistenschmerzen (akut oder chronisch) eine wichtige Rolle. Solche Leistenschmerzen haben vielfältige Ursachen und bedürfen einer differenzierten und interdisziplinären Abklärung.
Als Differenzialdiagnosen kommen gleich mehrere infrage. Von einer „weichen Leiste“ bis hin zu Leistenhernien (Leistenbruch), über Risse oder Teilrisse der Adduktorensehne bis hin zu einem Schambeinbruch und/oder Knochenmarködeme in diesem Bereich. Urologische oder gynäkologische Probleme, genau wie Wirbelsäulenprobleme können ebenfalls Leistenschmerzen verursachen und müssen in die Differenzialdiagnostik mit eingebunden werden.
In vielen Fällen handelt es sich beim Sportler um multifaktorielle Ursachen der Leistenschmerzen. Oft kommt es insbesondere bei Sportarten mit vielen Richtungswechseln (Fußball, Handball, Basketball, etc.) oder Läufern zu chronischer Überbelastung der sog. „pubic plate“. Hierunter versteht man die gemeinsame „Sehnen- / Gewebeplatte“ an der Symphyse, welche durch die Sehnen von M. adductor longus / M. rectus abdominis und weiteren Gewebefasern, welche bis in den Diskus interpubicus und die Symphysengelenkkapsel ziehen. Interessanterweise ziehen Sehnenfasern des M. adductor longus bis hin zur Gegenseite durch die Symphysenkapsel, was unter anderem erklären kann, warum oft beidseitige Leistenbeschwerden bzw. Adduktorenentzündungen beim Sportler vorliegen.
Zur exakten Diagnose von wird eine ausführliche Anamnese erhoben und die körperliche Untersuchung mit speziellen Provokationstests durchgeführt. Danach kommt meist eine MRT-Untersuchung (s. Bild) einschließlich einer dynamischen MRT-Untersuchung zur Anwendung. Hier können Knochenstrukturen (Knochenmarködem/ Insuffizienzfraktur) und insbesondere Weichteile wie Sehnen, Muskeln, Leistenkanal etc. suffizient beurteilt werden. Diagnostische Infiltrationen mit Kontrastmittel in die Symphyse können nötig werden, um das genaue Ausmaß der Kapsel-/ Weichteilverletzung an Symphyse und perisymphysär beurteilen zu können. Die Diagnostik der Leistenstrukturen wird mit klinischer Untersuchung und Ultraschalldiagnostik auch durch unsere Kooperationspartner durchgeführt.
Der überwiegende Teil der Leistenbeschwerden beim Sportler sind mittels konservativer Therapie gut therapierbar. Um die bestmögliche Therapie interdisziplinär zu gewährleisten ist aber eine exakte Diagnose essenziell!
Konservative Therapien umfassen spezielle Physiotherapie, Infiltrationen, Prolotherapie und entzündungshemmende Schmerzmittel. Außerdem hat sich die Stoßwellentherapie als probates Mittel zur Therapie von Symphysenschmerzen/ Schambeinentzündung gezeigt.
Falls eine operative Therapie nötig sein sollte, wird dies auch in einem interdisziplinären Team aus Unfallchirurgie und Viszeralchirurgie zur bestmöglichen Versorgung des Patienten ermöglicht und immer minimal-invasiv durchgeführt.
Zur optimalen Versorgung unserer Patienten arbeiten wir interdisziplinär mit Physiotherapie, Viszeralchirurgie & Schmerztherapie zusammen. Ziel ist es schnellstmöglich ein „return to sports“ zu ermöglichen und bestmöglich eine Wiederkehr der Symphysenschmerzen bzw. „Schambeinentzündung“ zu verhindern.
Gerne können Sie mich auch bei Fragen kontaktieren:
christopher.becker@med.uni-muenchen.de
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symphysen-sprechstunde@med.uni-muenchen.de
Beispiel einer Symphysenlockerung
Im Schwangerschaftsverlauf auftretende Symphysenschmerzen, also Schmerzen im Bereich des Schambeins, sind ein häufig unterschätztes Problem.
Aktuellen Studien zufolge leidet fast jede zweite Schwangere unter Schmerzen am Schambein bzw. an der Symphyse. Auch nach der Geburt des Kindes besteht diese Symptomatik bei ungefähr jeder vierten Schwangeren weiter.
Eine gewisse Weitung und Dehnung der Symphyse entsteht in der Schwangerschaft als Resultat eines natürlichen Prozesses, dem hormonelle Veränderungen und ein erhöhter Druck von Innen auf das Becken zugrunde liegen. So kann sich das Becken weiten und dadurch auf das Wachstum der Schwangerschaft und die Geburt „vorbereiten“.
In der Regel vergehen die Beschwerden nach einigen Wochen bis Monaten. Beckenschmerzen nach Schwangerschaft betreffen meist den vorderen Beckenring, sind aber oft durch die Instabilität der Symphyse auch im Iliosakralgelenk vorhanden.
Besteht jedoch eine Weitung der Symphyse über das physiologische Maß hinaus oder kommt es durch die Geburt zu einer Sprengung der Symphyse mit einhergehender Verletzung des Kapsel-Band-Apparats, führt dies zu einer vermehrten Beweglichkeit der Symphyse (siehe Röntgenbild). Es liegt eine „Symphysenlockerung“ vor. Dies wiederrum kann zu einer Reizung im Gelenkspalt der Symphyse führen (Symphysitis = Entzündung der Symphyse). Durch die verlangsamte oder sogar ausbleibende Heilung leiden die Patientinnen häufig unter Schmerzen beim Gehen, Stehen, im Einbeinstand und auch in Ruhe sowie unter Bewegungseinschränkungen. Häufig werden diese Beschwerden nicht ausreichend ernst genommen und teils als „natürliche“ Folge der Geburt akzeptiert.
Bessern sich die oben beschriebenen Beschwerden nach Geburt jedoch nicht zügig und führen zu einer Einschränkung im Alltag, sollte eine weiterführende Diagnostik eingeleitet werden und individualisierte Therapie erfolgen. Ziel ist die Vermeidung einer Chronifizierung der Schmerzen und die Wiederherstellung der ursprünglichen Lebensqualität.
Die Diagnostik besteht in der Regel aus einer ausführlichen Anamnese sowie einer körperlichen Untersuchung. Im Anschluss muss eine bildgebende Diagnostik mittels Sonografie, Röntgenuntersuchung oder MRT (Magnetresonanztomographie) durchgeführt werden, um sowohl eine Weitung, eine vermehrte Beweglichkeit, entzündliche Prozesse und Verletzungen des Kapsel-Band-Apparats darzustellen.
Je nach vorliegender Ursache und Ausmaß der Beschwerden wird dann eine entsprechende individuelle Therapie eingeleitet. Diese beinhaltet verschiedene Ansätze:
Entzündungshemmende Schmerzmittel in Kombination mit gezielter Physiotherapie zur Stärkung der Rumpfmuskulatur können die Symptome häufig lindern. Infiltrationstherapie, Prolotherapie und Akupunktur sollten zunächst ebenfalls versucht werden. Eine Stoßwellentherapie kann zu einer „Anregung“ der Regeneration der Symphyse bzw. der Gelenkkapsel führen.
Im Falle einer ausgeprägten Weitung mit begleitender Instabilität der Symphyse und dem Versagen konservativer Therapiemethoden, kann auch durch ein minimal-invasives operatives Verfahren, welches auf der Wiederherstellung und Verstärkung des körpereigenen Bandapparats beruht, die Stabilität am vorderen Beckenring wiederhergestellt werden.
In unserer Spezialsprechstunde für muskuloskelettale Beckenschmerzen bestehen Kooperationen mit Physiotherapie, Gynäkologie & Schmerztherapie zur ganzheitlichen Betreuung unserer Patienten.
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