Beckenresektion ohne Rekonstruktion
Beckenresektion (interne Hemipelvektomie) ohne Rekonstruktion
Wie bereits weiter oben bei der Tumorendoprothetik des Beckens dargestellt, gibt es eine Reihe von Möglichkeiten Beckendefekte, auch das Hüftgelenk selbst, nach einer Resektion zu ersetzen. Im Laufe der Jahre lernte man, dass der vollständige Beckenschluß mit Ersatz des Hüftgelenkes und Verbindung sowohl nach vorne (ventral) an das Schambein, als auch nach hinten (dorsal) zwar anatomisch die Beckenkontinuität wieder herstellt, biomechanisch aber mehr Probleme macht als löst. Das Becken ist ein sehr "mobiler" Knochen, es gibt hier ständig Mikrobewegungen. Diese führen bei festen Beckenschluß auf Dauer zur Lockerung der Implantatverbindung oder zum Bruch. In der Folge wurden Implantate entwickelt, die sich lediglich im oberen Bereich, dem Os ileum (Darmbein) mit dem Knochen verbinden. Leider ist das Becken eine für Implantate kritische Region. Nach der Tumorentfernung bleiben oft nur sehr wenige Weichteile um die Implantate zu decken, sie vor Infektion zu schützen. Zudem gibt es am Becken mit dem After, den Harnorganen oder der Scheide immer wieder Regionen, aus denen Keime sehr leicht in die Wunde einwandern und die Implantate infizieren können. Die Komplikationsrate auch in erfahrenen Zentren ist bei Beckeneingriffen immer höher als in anderen Regionen. Um die schlechte Weichteildeckung zu optimieren und das Infektionsrisiko insgesamt zu reduzieren, kam man auf die Idee, gar keine Implantate einzusetzen und ein natürliches "Schlackergelenk" (Flail Hip) zu schaffen. Die damit erzielten Ergebnisse sind bei ausreichender Möglichkeit des Muskel- und Nervenerhaltes der Rekonstruktion mit Implantaten oft überlegen, insbesondere ist die Komplikationsrate deutlich geringer. Gerade bei jungen Patienten, die vieles besser kompensieren können als ältere Erwachsene sind die Ergebnisse gut. Um Ihnen diese für viele überraschende Technik der "Nichtrekonstruktion" besser zu erklären, deshalb hier eine Fallschilderung.
Junge, geb. 2004, zum OP-Zeitpunkt 13 Jahre
Seit Oktober 2016 nach einem Schulunfall immer wieder Schmerzen im rechten Becken/Bein. März 2017 Diagnose des Tumors durch Biopsie, keine Metastasierung. Histologie: Chondroblastisches Osteosarkom. Einleitung und Durchführung der neoadjuvanten Chemotherapie heimatnah.
MRT-Bilder vom März 2017: Ausgedehnter Tumor, das rechte Hüftgelenk ist vom Tumor betroffen, infiltriert. Der Tumor betrifft die gesamt rechte Beckenschaufel.
Aufgrund der Tumorausdehnung mußte das gesamte rechte Hüftgelenk mit einen Teil der Beckenmuskulatur und die gesamt rechte Beckenschaufel bis hin zum Kreuzdarmbeingelenk (Ileosakralgelenk) mitgenommen werden. Da das Hüftgelenk betroffen war, wurde es "geschlossen" entfernt, d.h. auch der Hüftkopf wurde durch Resektion im Schenkelhals mitgenommen. Erhalten werden konnten aber die wichtigen Gefäße- und Nerven. Die Histologie zeigte eine vollständige Tumorentfernung, es traten keine Komplikationen auf, die Mobilisation erfolgte anfänglich im Rollstuhl mit einer Beckenbeinbandage um das "instabile" Bein bis zur Vernarbung des Gewebes zu halten.
Die MRT Aufnahmen knappe 2 Jahre post OP (links) und 3 Jahre nach der OP rechts zeigen einen zu erwartenden Hochtritt des Oberschenkelknochens. Der Ausgleich erfolgt nun über orthopädietechnische Hilfsmittel. Auch die Lendenwirbelsäule weist hierdurch eine Verkrümmung auf. Der Junge ist noch nicht ausgewachsen, zum Zeitpunkt der letzten Aufnahme, 16 Jahre alt. Völlige Tumorfreiheit. Mit dem Ergebnis sehr zufrieden. Das funktionelle Ergebnis zeigen die unten stehenden Videoaufnahmen. Langfristig wäre eine Beinverlängerung denkbar.