Umkehrplastik
Die Umkehrplastik ist eine Sonderform der Amputation. 1927 erstmals von Borggreve beschrieben -bei einer Patietin mit einer tuberkulösen Osteomyelitis- weiterentwickelt durch Salzer in Wien und später durch Winkelmann in Münster perfektioniert. Nach ihm ist auch die aktuelle Typeneinteilung benannt. Bei einer konventionellen Amputation im Oberschenkelbereich kommt es zu zwei wesentlichen Nachteilen. Zum einen muß der Knochen des Oberschenkels durchtrennt werden und bildet dann mit einer Muskelmanschette den eigentlichen Stumpf. Dieser ist aufgrund der stabförmig spitzen Form des Knochenendes nicht vollständig belastungsstabil. Er benötigt eine mehr oder weniger umfangreiche Schaftpassung durch den aufgesetzten Prothesenköcher. Zum anderen fehlt natürlich das Kniegelenk, das durch die äußere Prothese ersetzt werden muß.
Bei einer klassischen Umkehrplastik (Typ A1) wird der Oberschenkel oberhalb des Kniegelenkes, der Unterschenkel unterhalb des Kniegelenkes durchtrennt. Dies ist dann erforderlich, wenn der Tumor so groß ist, dass ein Kniegelenkeserhalt sinnvollerweise nicht mehr durchführbar ist. Durchtrennt werden auch die Gefäße. Erhalten wird die Nervenversorgung des Unterschenkels. Der Unterschenkel wird dann mit dem Schienbein am Oberschenkel besfestigt (z.B. mit einer Platte), dergestalt, dass der Fuß nach hinten zeigt, also um 180° rotiert nach hinten. Die Gefäße müssen nun natürlich wieder verbunden (reanastomosiert) werden. Damit wird zum einen ein voll belastbarer Stumpf geschaffen (letztlich ja der normale Fuß), zum andern aber auch das obere Sprungelenk als Kniegelenk verwandt. D.h. aus einer eigentlich notwenigen Oberschenkelamputation wird nun eine hohe Unterschenkelamputation. Zur Prothesenversorgung wird kein Kniegelenk benötigt, die Prothese ist kleiner und kann viel natürlicher benutzt werden. Nachteil ist natürlich die gewöhnungsbedürftige Kosmetik.
Neben dieser "klassischen" Form der Umkehrplastik gibt es noch weitere Typen, bei denen z.B. der Unterschenkel weit distal durchtrennt und der Fuß am fast ganz erhaltenen Oberschenkel fixiert wird (Typ A2) oder distale Anteile des Oberschenkels am Becken (nach Entfernung des Hüftgelenkes) (Typ B1 und B2) oder der Unterschenkel in das Hüftgelenk eingestellt werden (Typ B3).
Junge nach Infekt einer Tumorprothese mit Umkehrplastik versorgt.
Mädchen mit ausgedehnten Osteosarkom des Kniegelenkes.
Hauptindikation sind Tumoren bei kleineren Kindern, bei denen eine endoprothetische Versorgung nicht in Frage kommt, Patienten aus und in Ländern in denen die Versorgung mit einer aufwendigen Tumorprothese nicht möglich ist, oder Komplikationen (z.B. Infekte) nach beinerhaltenden Operationen. Insggesamt geht der Anteil der Umkehrplastiken durch die moderne Endoprothetik derzeit deutlich zurück.
Patientin mit ausgedehnten Sarkom des Kniegelenkes. Tumorprothetische Versorgung aufgrund der schlechten Weichteile und Gefäßinfiltration äußerst problematisch.
Patientin mit großem Osteosarkom des Oberschenkels und Kniegelenkes mit ausgedehnter Weichteilinfiltration durch den Tumor. Implantation einer Hüftprothese in das Schienbein und Umkehrplastik.
Zum OP-Zeitpunkt 11 Jahre alter Junge mit einen Osteosarkom des distalen Femurs links. Bild und Video aus der postoperativen Rehabilitation und Gangvideo 1 1/2 Jahre nach OP.
Einige Jahre später. Sehr stabile Situation, voll sportfähig.