Hingeschaut!
Hingeschaut! Eine Eye-Tracking-Studie zur Wahrnehmung von Mengen
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Deutsch:
Die Verknüpfung von Mengen und Zahlen stellt einen zentralen Entwicklungsschritt für den Rechenerwerb dar und viele Kinder mit Rechenstörung (Dyskalkulie) weisen Probleme bei der Mengen-Zahl-Verknüpfung auf.
Ungeklärt ist jedoch, wie Mengen genau verarbeitet werden. Bisherige Studien zeigen, dass kleinere Mengen von bis zu 3-4 Objekten parallel, also "auf einen Blick" erfasst werden (subitizing), während Mengen ab 5 Objekten abgezählt, also seriell verarbeitet werden. Wie diese Befunde mit der visuell-räumlichen Wahrnehmung und Verarbeitung von Objekten zusammenhängen, ist allerdings bislang ungeklärt.
Ziel der Studie war es daher, die parallele und serielle Mengenverarbeitung näher zu untersuchen, und insbesondere zu erfassen, ob der visuell-räumlichen Wahrnehmungs- und Verarbeitungsgeschwindigkeit und der Mengenverarbeitung die gleichen Prozesse zugrunde liegen.
English:
Mapping magnitudes and numbers (numberwords and digits) is a crucial step in arithmetic development. Many children with mathematics disorder (dyscalculia) experience problems in understanding the mapping between magnitudes and numbers.
The exact mechanisms underlying magnitude processing skills are still not well understood. Findings suggest, that magnitude processing involves two distinct mechanisms: small magnitudes (up to 3-4 objects) are processed in parallel, while larger magnitudes (5 objects or more) are counted, and thus processed serially. However, it is unclear, how these mechanisms are related to visual-spatial processing of objects.
Therefore, the aim of the study was to better understand the mechanisms underlying parallel and serial processing of magnitudes, and to analyse how they are related to the mechanisms underlying object processing.
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Deutsch:
Hintergrund und Ziele der Studie:
Bevor Kinder in der Schule mit dem Rechnen beginnen, lernen sie bereits im Kindergarten das Zählen und die Zuordnung von Zahlwörtern und Mengen. Dabei stellen sie fest, dass jeder Menge eine Zahl zugeordnet werden kann. Diese sogenannte Zahlen-Mengen-Verknüpfung ist ein zentraler Entwicklungsschritt, um die Bedeutung von Zahlen zu verstehen und um in der Schule das Rechnen zu erlernen. Insbesondere Kinder mit einer Rechenstörung (oder Dyskalkulie) haben hier meist deutliche Probleme.
Ungeklärt ist jedoch, wie Mengen genau verarbeitet werden. Bisherige Studien zeigen, dass kleinere Mengen von bis zu 3-4 Objekten parallel, also "auf einen Blick" erfasst werden (subitizing), ohne dass die einzelnen Objekte gezählt werden müssen. Bei Mengen ab 5 Objekten ist dies nicht mehr möglich und die Objekte werden abgezählt, also seriell verarbeitet. Unklar ist außerdem, wie diese Prozesse der Mengenverarbeitung mit der Objektwahrnehmung zusammenhängen.
Ziel der Studie war es daher, die parallele und serielle Mengenverarbeitung näher zu untersuchen, und insbesondere zu erfassen, ob der visuell-räumlichen Wahrnehmungs- und Verarbeitungsgeschwindigkeit und der Mengenverarbeitung die gleichen Prozesse zugrunde liegen. Konkret wurde untersucht ob
- die parallelen Informationsverarbeitungsprozesse bei der visuell-räumlichen Wahrnehmungs- und Verarbeitungsgeschwindigkeit den parallelen Informationsverarbeitungsprozessen bei der Mengenverarbeitung (subitizing) entsprechen und ob
- die seriellen Informationsverarbeitungsprozesse bei der visuell-räumlichen Wahrnehmungs- und Verarbeitungsgeschwindigkeit den seriellen Informationsverarbeitungsprozessen beim Zählen entsprechen.
Ablauf der Studie:
Insgesamt nahmen 28 Kinder im Vorschulalter an der Studie teil. Sie bearbeiteten am Computer sowie per Fragebogen Aufgaben zur visuellen Wahrnehmungs- und Verarbeitungsgeschwindigkeit, sowie Aufgaben zur Zahlen- und Mengenverarbeitung.
Bei den Aufgaben am Computer wurden dem Kind mehrere Objekte gezeigt und es musste entweder die Anzahl der Objekte bestimmt werden (Mengenerfassung von 2-8 Objekten) oder es musste angegeben werden, ob alle Objekte gleich oder verschieden sind (Objektsuche). Gleichzeitig wurden die Blickbewegungen (Eye-Tracking) des Kindes gemessen.
Das Blickbewegungsmuster beim Betrachten der Objekte zeigt an, ob das Kind alle Objekte auf einmal erfasst oder von Objekt zu Objekt springt. So kann festgestellt werden, ob sich das Blickverhalten bei Aufgaben zur Mengenerfassung und bei Aufgaben zur Objektsuche ähnelt und welchen Einfluss die Anzahl der Objekte auf die Verarbeitungsprozesse hat.
Ergebnisse:
Die Ergebnisse zeigten, dass die Mengenverarbeitung von bis zu 3 Objekten eng mit der visuell-räumlichen Wahrnehmungs- und Informationsverarbeitung von Objekten zusammenhängt, was auf eine gemeinsamen parallelen Informationsverarbeitungsprozess hinweist. Die Mengenverarbeitung von mehr als 4 Objekten wies hingegen eine höhere kognitive Beanspruchung auf (aktives Zählen) und zeigte keine Ähnlichkeit mit der visuell-räumlichen Wahrnehmungs- und Verarbeitungsgeschwindigkeit. Das Ergebnis der Studie weist darauf hin, dass der Umgang mit kleineren Mengen kein originär mathematischer Prozess ist.
English:
Theoretical background and aims of the study:
Learning to count and to map number words (and Arabic digits) onto magnitudes is an important step during arithmetic development. Children with mathematics disorder (dyscalculia) frequently have problems in understanding the mappings between number words, digits and magnitudes.
The exact cognitive mechanisms underlying magnitude processing skills are still not well understood. Findings suggest, that magnitude processing involves two distinct mechanisms: small magnitudes (up to 3-4 objects) are processed in parallel, while larger magnitudes (5 objects or more) are counted, and thus processed serially. However, it is unclear, how these mechanisms are related to the mechanisms underlying object perception.
Therefore, the aim of the study was to better understand the mechanisms underlying parallel and serial processing of magnitudes, and how they are related to the mechanisms underlying object processing. Thus, we analysed whether
- the parallel mechanisms underlying object perception reflect the parallel processes during magnitude processing (i.e., subitizing) , and whether
- the serial mechanisms underlying object perception reflect the serial processes during magnitude processing (i.e., counting) .
Study design:
Twenty-eight children in preschool-age took part in the study and conducted several computer-based tasks and questionnaires, in order to assess their object perception and magnitude processing skills.
During the Eye-tracking tasks, children had to indicate the number of objects shown on the screen (magnitude task), or had to decide whether the shown objects look the same or differ from each other (object perception task).
The eye-movement data indicate whether a child processes the objects in parallel, or whether the eyes move from one object to the next. Comparing the eye-movement patterns in the object perception task with those in the magnitude processing tasks reveals whether the same or distinct mechanisms underlie the two tasks.
Results:
The results show that the mechanisms underlying magnitude processing up to 3 objects (subitizing) are related to the processes underlying object perception, suggesting that the same mechanisms are likely to explain both. In contrast, magnitude processing of larger magnitudes showed a high cognitive load and was not related to object perception. These findings suggest, that the processing of small magnitudes (subitizing) is not an original mathematical process.
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Mitarbeiter/-innen
Dr. Stefan HaberstrohLONDI Platform and coordination -
Gefördert von WiFoMed