Behandlungskonzept
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Therapeutische Grundorientierung: vielfälltig und integrativ
Diagnostik und Behandlung erfolgen auf der Grundlage eines multimodalen und integrativen Behandlungskonzepts. Wir verstehen psychische Erkrankungen als mehrdimensionale Prozesse, als Ausdruck eines unbewältigten Konfliktes, als Ergebnis eines missglückten Lernprozesses im Spannungsfeld schwieriger familiärer, sozialer bzw. soziokultureller Rahmenbedingungen und/oder als Folge einer neurobiologischen, teilweise genetisch mitbedingten Störung. Deshalb befürworten wir ausdrücklich eine auf mehreren Säulen ruhende (multimodale) Behandlung.
Nach unserer Auffassung ermöglicht außerdem ein integrativer, d.h. Therapieschulen übergreifender Ansatz am Besten einen differenzierten Blick auf die Komplexität psychiatrischer Erkrankungen im Kindes- und Jugendalter und die Berücksichtigung der unterschiedlichen (therapeutischen) Vorerfahrungen und Bedürfnisse unserer Patienten. Wir kombinieren verhaltenstherapeutische (dialektisch-behaviorale), psychodynamische (tiefenpsychologisch fundierte bzw. gruppenanalytische) und systemisch-familientherapeutische Therapieansätze. Dies wird dadurch möglich, dass in der Klinik Therapeut*innen und Co-Therapeut*innen unterschiedlicher therapeutischer Grundorientierungen zusammenarbeiten.
Bei Bedarf wird auf eine unterstützende medikamentöse Behandlung zurückgegriffen, die immer vorher mit Patient*innen und Sorgeberechtigten ausführlich besprochen wird und grundsätzlich nur in Kombination mit den anderen, oben aufgeführten therapeutischen Maßnahmen zum Einsatz kommt. Der engen Einbeziehung der Eltern im Gesamtbehandlungskonzept räumen wir eine große Bedeutung ein
Ressourcenorientierung und Perspektivenvielfalt: störungsspezifisch versus störungsübergreifend
Die Festlegung des therapeutischen Vorgehens orientiert sich vorrangig am Kind bzw. Jugendlichen und folgt dem Grundsatz der Perspektivenvielfalt. Gemeinsam mit der Patientin / dem Patienten und den Eltern werden zu Beginn klare Therapieziele definiert und ein individueller Behandlungsplan erstellt. Die Perspektive und die therapeutische Herangehensweise sind dabei einerseits störungsspezifisch und störungsorientiert, d. h. die Behandlung zielt auf eine rasche Symptombesserung bzw. Verhaltensänderung ab, zugleich aber auch störungsübergreifend, d. h. es wird die Gesamtpersönlichkeit des Kindes mit seiner individuellen Krankheitsgeschichte und seinen individuellen Stärken bzw. Ressourcen berücksichtigt. In der Arbeit mit Kindern und Jugendlichen setzen wir auch kreativtherapeutische Verfahren ein, die ihre Aufmerksamkeit auf die Ressourcen und gesunden Anteile der Patient*innen richten. Kunst-, Ergo- und Musiktherapie setzen an dem tiefen Grundbedürfnis eines Jeden an, sich auszudrücken und mit sich selbst und anderen in Kontakt zu treten; dies ermöglicht einen nonverbalen Zugang zu den Patient*innen und deren Gefühlen.
Die Entwicklung der sozialen, kognitiven und emotionalen Fertigkeiten und der Identität des Heranwachsenden, auch die Entwicklung von psychischen Störungen, findet nicht im luftleeren Raum statt, sondern vollzieht sich innerhalb eines sozialen Bezugssystems in der Auseinandersetzung mit anderen: im familiären Kontext, im Umfeld Schule, in der Gruppe mit Gleichaltrigen (Peer-group). Ergänzend zur individuumzentrierten Perspektive richten wir deshalb unseren Blick immer auch auf die Interaktion des Einzelnen mit und in der Gruppe und betrachten die Defizite und Ressourcen des Kindes bzw. Jugendlichen unter gruppendynamischen Gesichtspunkten. Im Alltag wie auch in der psychotherapeutischen Arbeit mit Jugendlichen in der Pubertät spielt - neben allgemeinen Fragen der Identitätsentwicklung - die Berücksichtigung von Aspekten der psycho-sozio-sexuellen wie auch körperlich-sexuellen Reifung eine wichtige, mithin sogar zentrale Rolle. Dies erfordert bisweilen auch eine therapeutische Bearbeitung und spezielle Betrachtung sexualitätsbezogener Inhalte und Probleme aus einer fachübergreifend sexualmedizinischen Perspektive; die dazu erforderliche, fachliche Expertise ist in der Klinik vorhanden.
Stationäres Behandlungskonzept: heilpädadogische Förderung und therapeutische Gemeinschaft
Im stationären und im tagesklinischen Bereich werden die Patienten von einem in der Behandlung von psychisch kranken Kindern und Jugendlichen erfahrenen, interdisziplinären Team betreut, besuchen die integrierte Klinikschule und erhalten eine intensive, kombinierte Einzel- und Gruppenpsychotherapie, die durch körper- und bewegungstherapeutische Behandlungsangebote sowie durch Kunst-, Musik- und Ergotherapie ergänzt wird. Im Klinikgebäude befindet sich eine kleine Turnhalle; außerdem verfügt die Klinik über einen eigenen Außenbereich mit Garten und Streetball-Platz.
Es besteht ein enger Austausch zwischen den Therapeut*innen und dem heilpädagogischen Team bestehend aus Kinder- oder Psychiatrie-Fachkrankenpflegekräften und Erzieherinnen/Erziehern. Individuelle heilpädagogische Förderung und therapeutisches Verständnis - auch psychodynamisches und systemisches Denken - sind fester Bestandteil der Arbeit des Pflege- und Erziehungsdienstes und ergänzen die verhaltenstherapeutisch orientierte Pädagogik im Gruppenalltag. Durch individuelle Beziehungsangebote sowie Gruppenaktivitäten und Projektarbeit wird ein Klima der Annahme und Akzeptanz geschaffen, in dem positive Veränderung möglich wird. Das gesamte, multiprofessionelle Team fördert die Entwicklung hilfreicher Problemlösestrategien und die Entscheidung für einen neuen Weg durch kontinuierliche Motivationsarbeit und durch ein authentisches, empathisches Verständnis für die Schwierigkeiten und inneren Nöte der Patienten.
Neben den Einzeltherapien messen wir der therapeutischen Arbeit in der Gruppe eine besondere Bedeutung bei. Die Patienten wohnen für die Dauer ihres Klinikaufenthaltes in den atmosphärisch schön gestalteten Räumen zusammen und bilden eine "Therapeutische Gemeinschaft", deren Grundlage gegenseitiges Verständnis, Rücksichtnahme, Respekt und solidarisches Miteinander bilden. Die Unterbringung erfolgt in Ein- und Zweibettzimmern. Das soziale Miteinander innerhalb der Gruppe bietet ein gutes Lernfeld, ermöglicht neue Beziehungserfahrungen und schafft zusammen mit dem positiven Modellverhalten der Mitarbeiter*innen des Pflege- und Erziehungsdienstes die Voraussetzung, eigene dysfunktionale (d. h. auf Dauer nicht Ziel führende) Denk-, Erlebnis- und Verhaltensmuster zu verändern.
Durch den alltagspädagogischen Rahmen, die individuelle Förderung in der Klinikschule und durch die intensive einzel- und gruppentherapeutische Behandlung sowie die begleitende Familienarbeit werden die Kompetenzen der Kinder und Jugendlichen so gestärkt bzw. neu aufgebaut, dass nach ca. zwei bis drei Monaten eine Rückkehr in den Lebensalltag und eine Wiederaufnahme des regelmäßigen (Außen-)Schulbesuches und der bevorzugten Freizeitaktivitäten in vollem Umfang möglich werden. Dazu ist es in der Regel erforderlich, dass - aufbauend auf den vorhandenen, persönlichen Ressourcen - neue Problemlösestrategien erlernt und ungünstige Denk- und Verhaltensmuster überwunden werden. Das multiprofessionelle Team aus Ärzt*innen, Psycholog*innen, Krankenpfleger*innen, Erzieher*innen und Kreativtherapeut*innen (Kunst-, Musik-, Körper-, Ergotherapie) weiß um die Anforderungen, denen die Jugendlichen ausgesetzt sind, und ist zu allen Zeiten sehr darum bemüht, sie optimal zu unterstützen. Zu diesem Zweck wird das Team durch eine regelmäßige Supervision beraten und durch kontinuierliche Schulung und Fortbildung weiterqualifiziert.
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Integrierte Klinikschule: lehrplangerechte, individuelle Förderung und Kompensation krankheitsbedingter Fehlzeiten
Während der stationären oder tagesklinischen Behandlung besuchen die Kinder und Jugendlichen die integrierte Klinikschule. Ziel des integrierten Schulkonzepts ist es, in kleinen Klassen eine neue Lern- und Leistungsmotivation aufzubauen, sofern dies erforderlich ist, und krankheitsbedingte Fehlzeiten zu kompensieren. Aufgrund der besonders kleinen Klassengröße kann der Unterricht individuell an den Bedürfnissen der einzelnen Schüler*innen ausgerichtet werden. Das Lehrerkollegium der Klinikschule orientiert sich am Lehrplan und übernimmt im Bedarfsfall nach vorheriger Absprache mit den Patient*innen und deren Eltern auch den notwendigen Informationsaustausch mit der Herkunftsschule. In Abhängigkeit vom Therapiefortschritt und der körperlichen und psychischen Verfassung sind auch im Falle einer vollstationären Behandlung im Verlauf Außenschulbesuche möglich.
Weitere Informationen zu den Klinikschulen finden Sie hier.
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Kunst-, Musik-, Ergo- sowie Körper- und Bewegungstherapie: ressourcenorientierte Arbeit und nonverbale Ausdrucksmöglichkeit
Die Kunst-, Musik- und Ergotherapie sind eigenständige, kreativtherapeutische Behandlungsverfahren, die im klinischen Bereich in einem gesamttherapeutischen Konzept eingebunden praktiziert werden und ihre Anwendung je nach Indikation in der Einzel- oder Gruppentherapie finden. Kunst-, Ergo- und Musiktherapie richten ihre Aufmerksamkeit in erster Linie auf die Ressourcen und gesunden Anteile im Menschen und setzen an dem tiefen Grundbedürfnis eines Jeden an, sich auszudrücken und mit sich selbst und anderen in Kontakt zu treten. Dabei können erstarrte Verhaltensmuster und Denkweisen gemeinsam wahrgenommen, betrachtet, verstanden und sinnvoll verändert werden.
In der Kunsttherapie werden auf der Basis einer tragfähigen therapeutischen Beziehung mit Hilfe von künstlerischen Materialien und Techniken in der Gestaltung verborgene innerpsychische Muster sichtbar. Dabei geht es primär nicht um das Ergebnis, also das Bild oder die Skulptur selbst, sondern vielmehr um den gestalterischen Prozess, in welchem bewusste oder unbewusste Gefühle und Bedürfnisse des Kindes / Jugendlichen ihren Ausdruck finden. So bietet Kunsttherapie die Möglichkeit, Ängste, Trauer, Wut, aber auch Freude und Spaß über das künstlerische Medium erlebbar und zugleich sichtbar zu machen. Diffuses Unbehagen kann bildhaft gestaltet werden, um später als Konflikt oder Angst benannt zu werden. Sowohl das entstandene Werk als auch der Gestaltungsprozess selbst dienen innerhalb des therapeutischen Settings als Projektionsfläche, als "Proberaum". Kunsttherapie ist eine geeignete Methode, um einen Ausdruck zu finden für das, was aus vielerlei Gründen noch nicht bzw. nicht mehr nicht in Worte gefasst werden kann, denn: "Bilder sagen mehr als tausend Worte!" Durch den Austausch mit den Psychotherapeut*innen kann die verbale Bearbeitung von Konflikten vorbereitet und unterstützt werden. Aufgrund der Tatsache, dass das entstandene Werk entgegen der weitverbreiteten Annahme vom Therapeuten nicht bewertet oder interpretiert wird, entsteht Vertrauen, welches für den weiteren Therapieverlauf von immenser Bedeutung ist.
Auch die Ergotherapie als aktions- und erlebnisorientierte Methode, in der zielgerichtet mit kreativen und handwerklichen Techniken gearbeitet wird (Keramik, Peddigrohr, Holz, Mosaik usw.), versetzt die Kinder und Jugendlichen in die Lage, sich als aktiven Part der Therapie zu erleben. Dabei dienen die Gestaltung und die Aktivität, wie in der Kunsttherapie, als Ausdrucksform für Gefühle, sowie als Möglichkeit, auf anderem Wege in Beziehung zu treten. Neben dem Inhalt, der Form und dem Ausdruck der Gestaltung stehen die basalen sensomotorischen Funktionen im Mittelpunkt der ergotherapeutischen Behandlung.
Der Einsatz von Musiktherapie ist insbesondere dann sinnvoll, wenn sich die Störung durch Sprache eher verfestigt als löst, wenn ein vielfältiger Ausdrucksraum für Gefühle fehlt und wenn die Fähigkeit zu spielen verlorengegangen ist. Im freien musikalischen Spiel kommt die gesamte Persönlichkeit zum Ausdruck und wird hörbar. Es erklingen Befindlichkeit, Emotionalität, Kreativität, Lebensgeschichten, Erfahrungen, Eindrücke, Ressourcen, und Störungen. In der gemeinsamen Improvisation entsteht Begegnung, Kontakt und Beziehung, Dialog und Kommunikation.
Tanz- und Bewegungstherapie versteht den Menschen als erlebendes Wesen und nimmt die Kinder und Jugendlichen mit all ihren leiblichen Aspekten wie Stimmungen, Gefühlen, Erregungen und Spannungen, dem Körpererleben, Selbstbildern, Gedanken und sozialen Beziehungen ernst. Innerhalb der Therapie steht zum einen der diagnostische Aspekt im Vordergrund; hier beobachtet die Therapeutin, wie psychische Empfindungen in Bewegung zum Ausdruck kommen. Zum anderen geht es darum, den Patienten über Achtsamkeit und Bewegung Zugänge zum Körpererleben zu ermöglichen.
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individuelle Beratung durch den sozialpädagogischen Fachdienst
Patient*innen mit psychischen Störungen leiden zum Teil unter akuten oder andauernden psychosozialen Problemen wie:
- Schulversäumnisse bzw. Schulvermeidung
- nicht abgeschlossene Schul- und Berufsausbildung
- drohender Arbeitsplatz- bzw. Lehrstellenverlust durch lange Krankheitszeiten, Arbeitslosigkeit
- soziale Isolation
- schwierige finanzielle Situation und Wohnungsprobleme
- ungeklärte Versicherungs- und Versorgungssituation
- geringe übernahme von Selbstverantwortung
- unzureichende Alltagsbewältigung (Umgang mit Geld, Ernährung etc.)
Bereits vor einer stationären Aufnahme klärt der Sozialpädagogische Fachdienst die sozialen Lebensumstände. Im Rahmen der ambulanten Betreuung wie auch im Kontext der stationären Behandlung gibt der Sozialpädagogische Fachdienst den Patienten Gelegenheit, ihre schulische, berufliche und soziale Situation zu hinterfragen, regt, wenn nötig, Aktivitäten im sozialen Bereich an (Schulabschluss, Ausbildung, Beruf, Wohnsituation etc.) und steht für Informationen zu sozialrechtlichen Aspekten und konkrete Hilfen zur Verfügung. Zu Beginn erfolgt eine ausführliche Besprechung der sozialen Situation mit den Kindern/ Jugendlichen und die Formulierung eines gemeinsamen Ziels. Gesprächstermine werden gemeinsam mit den Kindern/ Jugendlichen sowie Erziehungsberechtigten, unter Berücksichtigung des individuellen Therapieverlaufs vereinbart.
Der Sozialpädagogische Fachdienst berät die Familien zu folgenden Themen:
- psychosoziale Beratung und Information über Hilfsangebote
- Beratung in schulischen Fragen
- Beratung in sozialrechtlichen Fragen
- Förderung der sozialen Integration
- Vermittlung von Hilfen im sozialen und wirtschaftlichen Bereich
- Vermittlung von Hilfen zur beruflichen und medizinischen Rehabilitation