UsLeR-Studie
Untersuchung von Ursachen spezifischer Probleme im Lesen und/oder Rechtschreiben
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Deutsch:
Förderung:
Die UsLeR-Studie ist ein gemeinsames Forschungsprojekt des Klinikums der Ludwig-Maximilians-Universität München und der Karl-Franzens-Universität Graz. Das Projekt wird durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) und den Österreichischen Wissenschaftsfonds (FWF) gefördert.
Wissenschaftlicher Hintergrund:
Daten aus deutschen Grundschulen zeigen, dass bis zu 12% der Kinder eine unterdurchschnittliche Lese- und/oder Rechtschreibleistung aufweisen. Bisher ging man davon aus, dass Schwierigkeiten im Lesen und im Rechtschreiben meist gemeinsam auftreten und ein- und dasselbe Störungsbild darstellen. Aktuelle Studien zeigen jedoch, dass ca. 40% der Kinder, die Probleme im Lesen haben, keine Probleme im Rechtschreiben aufweisen - und umgekehrt. Erste Untersuchungen legen zudem nahe, dass Lese- und Rechtschreibprobleme zumindest teilweise unterschiedliche Ursachen haben könnten. Die Gründe für das Auftreten dieser isolierten Schriftsprachprobleme sind bisher kaum verstanden. Die fehlende Differenzierung zwischen Lese- und Rechtschreibproblemen könnte auch eine Erklärung für die relativ geringen Fördereffekte sein, die Studien zur Wirksamkeit von Therapieprogrammen bei der Lese- und Rechtschreibstörung berichten.
Ziel der Studie:
Ziel der Studie ist daher die Ursachen spezifischer Probleme im Lesen und spezifischer Probleme im Rechtschreiben besser zu verstehen.
Dieses Wissen ist Grundvoraussetzung
- für eine spezifischere Diagnostik von Schriftsprachproblemen, und
- für die Entwicklung zielgerichteter Fördermaßnahmen. Die Ergebnisse des Projektes sind damit von hoher praktischer Relevanz.
English:
Funding:
The UsLeR-Study is a joint research project of the LMU University Hospital in Munich, Germany, and the Karl-Franzens- University in Graz, Austria. The project is funded by the German Research Foundation (DFG) and the Austrian Science Fund (FWF).
Theoretical background:
About 12% of primary school children perform below the average range in reading and/or spelling. Especially in Englsih speaking countries, it is assumed that reading and spelling skills develop in parallel, and that deficits in reading and spelling represent one and the same disorder (dyslexia). However, recent data suggest that reading (fluency) and spelling problems dissociate in a considerable number of children. About 40% of children with a reading disorder do not experience problems in spelling - and vice versa. Furthermore, studies suggest that the cognitive profiles differ between children with isolated reading disorder compared to those with isolated spelling disorder. However, the exact mechanisms explaining these dissociations are not well understood yet. The missing differentiation between reading and spelling disorder might also explain why effect sizes in intervention studies are only small to moderate.
Aims of the UsLeR-Study:
Aim of the study is to better understand the causes underlying dissociations between reading and spelling disorder.
This will
- lead to more specific diagnostic procedures, and
- allow to develop individualized intervention programmes, that specifically target the affected skills. The findings of this project are therefore of great practical relevance.
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Deutsch:
Projektablauf für den Standort München
In der ersten Phase (Screening), wurde im Mai und Juni 2015 anhand von standardisierten Verfahren die Lese- und Rechtschreibleistung im zweiten Halbjahr der 3. Schulstufe im Schulsetting erhoben. Am Standort München haben 1487 Kinder aus 46 Schulen in München und Freising teilgenommen. Ca. 5% der Kinder wiesen sowohl im Lesen als auch im Rechtschreiben Probleme auf. Bei jeweils 3-4% zeigten sich hingegen nur im Lesen oder nur im Rechtschreiben Probleme.
Auf Basis diese Ergebnisse wurden vier Gruppen von Kindern zur Teilnahme an der Hauptstudie eingeladen:
- Gruppe mit isolierter Leseschwäche trotz altersgemäßer Rechtschreibentwicklung
- Gruppe mit isolierter Rechtschreibschwäche trotz altersgemäßer Leseentwicklung
- Gruppe mit kombinierter Lese- und Rechtschreibschwäche
- Kontrollgruppe mit altersentsprechender Leistung im Lesen und Rechtschreiben
Die zweite Phase (Hauptstudie) fand zwischen Juli und Dezember 2015 in der Forschungsabteilung der Klinik und Poliklinik für Kinder- und Jugendpsychiatrie, Psychosomatik und Psychotherapie der Universität München statt. Insgesamt haben 126 Kinder aus München und Freising an der Hauptstudie teilgenommen. In der Hauptstudie haben wir die kognitiven Profile der Kinder näher erfasst. Wir haben beispielsweise sprachliche Fertigkeiten, Gedächtnis-, und Aufmerksamkeitsleistungen der Kinder untersucht und den Zusammenhang dieser Fertigkeiten mit der Lese- und Rechtschreibleistung analysiert. Außerdem wurden die Augenbewegungen beim Lesen mittels einer Augenbewegungskamera erfasst, um Aufschluss über den Leseprozess zu erhalten. Wesentlicher Bestandteil des Projektes war es mittels EEG (Elektroenzephalogramm; in München) und fMRT (funktionelle Magnetresonanztomografie; in Graz) zu verstehen, warum Lese- und Rechtschreibprobleme unabhängig voneinander auftreten können.
Im 2. Halbjahr 2016 wurden alle 126 Kinder der Hauptstudie in München zu einer Folgetestung eingeladen. Bei dieser Folgetestung wurde nochmals die Lese- und Rechtschreibleistung erhoben, um den Fortschritt zu erfassen und den aktuellen Förderbedarf beurteilen zu können.
Wir haben zudem Aufgaben entwickelt, die im Wesentlichen auf zwei Bereiche abzielen:
- Den Zusammenhang zwischen Benenngeschwindigkeit und Leseflüssigkeit besser zu verstehen.
- Die Probleme beim Merken richtiger Schreibungen besser zu verstehen. Hierzu haben wir Aufgaben zum orthografischen Lernen (Lernexperiment) und zur Wortverarbeitung (EEG-Studie) entwickelt.
Ergebnisse
In den folgenden Abschnitten werden die Ergebnisse aus verschiedenen Teilstudien des Projektes zusammengefasst, die das isolierte Auftreten von Lese- versus Rechtschreibschwierigkeiten erklären.
Isolierte Rechtschreibstörung bei intakter Leseleistung:
Die Ergebnisse zeigen, dass Kinder mit isolierten Rechtschreibproblemen Schwierigkeiten haben, Schriftwörter exakt im Langzeitgedächtnis abzuspeichern (Mehlhase et al., 2019). Sie greifen zwar auf die abgespeicherten Wörter zu, allerdings scheinen diese Gedächtniseinträge ungenau zu sein. Beim Lesen (Wiedererkennen von Wörtern) reichen diese ungenauen Gedächtniseinträge aus, um ein Wort richtig und schnell zu lesen (Gangl et al., 2017, 2018), beim Rechtschreiben (Produktion von Wörtern) führen ungenaue Wortrepräsentationen allerdings zu den typischen Falschschreibungen. Meist sind diese Falschschreibungen lauttreu aber orthografisch falsch (z.B. Heuser statt Häuser). Dies spiegelt sich auch bei der Verarbeitung von Wörtern im Gehirn wider. Während im EEG bei Kindern mit guter Rechtschreibleistung ein Unterschied zwischen richtig und falsch geschrieben Wörtern zu erkennen ist, zeigt sich dieser Unterschied bei Kindern mit Rechtschreibproblemen nicht (Bakos at al., 2018; Kemeny et al., 2018).
Isolierte Lesestörung bei intakter Rechtschreibleistung:
Im Gegensatz zu Kindern mit Rechtschreibproblemen scheint bei Kindern mit isolierter Lesestörung die Abspeicherung von Schriftwörtern im Langzeitgedächtnis gut zu funktionieren. Allerdings ist der schnelle Zugriff auf diese Gedächtniseinträge und die automatisierte Verarbeitung von Schriftwörtern defizitär (Gangl et al., 2017, 2018). Die verlangsamte Verarbeitung von Wörtern zeigte sich auch im EEG: Kinder mit isolierter Lesestörung zeigen zwar den typischen Unterschied zwischen richtig und falsch geschrieben Wörtern, allerdings dauerte die Verarbeitung der Wörter länger (Bakos et al., 2018). Eine längere Verarbeitung zeigte sich auch bei Aufgaben zum schnellen Benennen und bei der Automatisierung von Buchstabe-Lautbeziehungen (Bakos et al., 2017, 2020; Moll et al., 2019).
Kombinierte Lese- und Rechtschreibstörung:
Kinder mit kombinierter Lese- und Rechtschreibstörung zeigen auch ein kombiniertes Profil der Schwierigkeiten. Sie weisen Probleme bei der Abspeicherung von Schriftwörtern im Langzeitgedächtnis und bei der schnellen automatisierten Verarbeitung von Wörtern auf. Zudem zeigten sie Schwierigkeiten bei der Lautverarbeitung (z.B. beim Lautstreichen: Ball ohne /b/) und bei der Aufmerksamkeitssteuerung. In der MRT-Studie der Grazer Partner zeigten sich zudem Veränderungen der Verbindungen zwischen leserelevanten Gehirnarealen bei Kindern mit kombinierter Lese-Rechtschreibstörung im Vergleich zu Kindern mit typischer Lese- und Rechtschreibentwicklung (Banfi et al., 2019).
Praktische Implikationen:
Die Tatsache, dass Problemen im Lesen und Problemen im Rechtschreiben unterschiedliche Defizite zugrunde liegen, hat wesentliche Implikationen für die Diagnostik und Förderung. Bei der Diagnostik ist es wichtig zwischen isolierten und kombinierten Lese- und/oder Rechtschreibproblemen zu differenzieren. Die Förderung muss an das individuelle Defizitprofil angepasst werden. So ist beispielsweise ein Training der Lautverarbeitung in Kombination mit einem orthografischen Training v.a. bei Kindern mit Rechtschreibschwierigkeiten sinnvoll, während ein Training bei Kindern mit Lesestörung v.a. auf die Automatisierung von Wörtern und Wortteilen abzielen sollte.
English:
Design and time-line of the Munich part of the project:
In the first phase of the project (screening phase) - between May and June 2015 - reading and spelling skills were assessed in schools at the end of Grade 3. In total, 1487 children from 46 primary schools in and around Munich participated in the screening phase. About 5% of the children showed poor reading together with poor spelling skills, while 3-4% showed reading deficits only, and another 3-4% showed spelling deficits only. Based on these findings four groups of children were recruited for the main study:
- Children with reading problems but age-appropriate spelling skills
- Children with spelling problems but age-appropriate reading skills
- Children with combined reading and spelling problems
- Control group with age-appropriate reading and spelling skills
The second phase of the project (main study) took place between July and December 2015 at the Department of Child and Adolescent Psychiatry, Psychosomatics, and Psychotherapy of the LMU University Hospital.
In total, 126 children participated in the main study. In the main study, we assessed the cognitive profiles (e.g., language skills, memory, and attentional skills) of the four groups, and we analysed eye-movements during reading to investigate the reading process in the four groups.
Furthermore, we used EEG (Electroencephalography; in Munich) and fMRI (functional magnetic resonance imaging; in Graz) to identify the neurobiological correlates of reading versus spelling problems, in order to understand the dissociations between reading and spelling problems observed at the symptom level.
In 2016, all 126 children were reinvited for a follow-up assessment. We measured reading and spelling skills to assess stability of these skills, and to identify any need for intervention.
In addition, we developed experimental studies to examine:
- the association between naming speed (i.e., rapid automatized naming: RAN) and reading fluency.
- learning of word spellings and orthographic processing.
Results:
Here, we summarize the findings from the different parts of the project, that explain the dissociations between reading and spelling problems.
Isolated spelling disorder with age-appropriate reading skills:
The findings suggest, that children with isolated spelling disorder have problems in storing word spellings in long-term memory (Mehlhase et al., 2019). While word representations are unprecise, resulting in misspellings, accessing these word representations seem to be intact. Unprecise word representations are sufficient to recognize a word during reading (Gangl et al., 2017, 2018), but are not sufficient to produce the correct spelling of the word. The majority of misspellings in this group is phonetically correct but orthographically incorrect (e.g., Heuser instead of Häuser; English example: boyl instead of boil). The results are also supported by the EEG-data. Childern with age-appropriate spelling skills process correctly spelled words different from incorrectly spelled words, whereas children with poor spelling skills do not show this difference between correctly and incorrectly spelled words (Bakos at al., 2018; Kemeny et al., 2018).
Isolated reading disorder with age-appropriate spelling skills:
Compared to children with spelling problems, children with reading problems do not have any difficulties in storing the correct word-spelling in long-term memory. However, they seem to be slowed-down in automatically accessing and processing words (Gangl et al., 2017, 2018). This slowed-down processing is also reflected in the EEG-data, where children with isolated reading disorder show a difference between correctly and incorrectly spelled words (similar to the control group), but take longer to process words (Bakos et al., 2018). Longer processing was also found during tasks measuring naming speed and automatization of grapheme-phoneme processing (Bakos et al., 2017, 2020; Moll et al., 2019).
Combined reading and spelling disorder:
Children with combined reading and spelling disorder show an additive profile, with problems in storing word spellings in long-term memory as well as problems in processing words automatically. They also have difficulties in tasks measuring phonological processing (e.g., sound deletion: say ball without /b/) and in attentional skills. The MRI-study in Graz further revealed changes in connectivity between reading related brain regions in children with combined reading and spelling disorder compared to typically developing control children (Banfi et al., 2019).
Practical implications:
The fact that reading problems and spelling problems are associated with distinct cognitive and neurobiological deficits has implications for diagnostics and treatment.The findings highlight the importance of differentiating between reading and spelling problems when diagnosing children with literacy problems. With regard to intervention, the findings suggest that the treatment needs to take into account the specific deficit profile associated with reading versus spelling disorder. Children with spelling disorder will benefit from a phoneme awareness training together with orthografic training, while childern with reading disorder will benefit from a training focusing on automatisation of words and smaller word units.
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Mitarbeiter/-innen in München
PD Dr. Kristina Moll(Mag. Psychologie)De. Sarolta BakosMSc.Dr. Heike MehlhasePostdoktorandin4400 56929Ziloi OizänzgacJivim-ful+vfiduyziusmiProjektleitung am Standort Graz:
Prof. Dr. Karin LanderlAnsprechpartner/-innen
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German Research Foundation (DFG): Grant Number: MO 2569/2-1 Austrian Science Fund (FWF): Grant Number: I 1658-G22