KOALA
Kognitive Bias bei Adoleszenten mit Anorexia nervosa - die KOALA-STUDIE
Gefördert durch die Friedrich-Baur-Stiftung
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Wissenschaftlicher Hintergrund und Ziel des Projekts:
Anorexia nervosa (Magersucht) ist eine psychische Erkrankung, die (meist) durch deutliches Untergewicht und einem intensiven Wunsch nach Kontrolle über das eigene Gewicht gekennzeichnet ist. Des Weiteren geht die Erkrankung mit einer ausgeprägten Körperschemastörung einher. Das bedeutet, dass Betroffene negative Gedanken und Gefühle bezüglich ihres Körpers haben und ihren Körper verzerrt wahrnehmen, sodass sie sich oft weiterhin „zu dick“ fühlen, auch wenn sie stark untergewichtig sind. Die Erkrankung betrifft vor allem Mädchen und junge Frauen und beginnt häufig im Jugendalter. Aus Studien mit Erwachsenen ist bekannt, dass viele Mädchen und Frauen mit Anorexia nervosa die Welt durch eine „negative Brille“ sehen. Das heißt, sie nehmen Informationen auf eine Weise wahr, die ihre negativen Gedanken und Gefühle bezüglich ihres Körpers bestätigen.
Diese negativen Verzerrungen in der Wahrnehmung und Verarbeitung bestimmter Informationen nennt man auch „kognitive Bias“. Diese „kognitiven Bias“ für bestimmte Informationen könnten eine wichtige Rolle bei der Aufrechterhaltung der Erkrankung spielen und sich nachteilig auf den Therapieerfolg auswirken. Es ist deshalb sehr wichtig, zu verstehen, wie genau die Wahrnehmung und Verarbeitung dieser Informationen bei Jugendlichen mit Anorexia nervosa verändert ist. Das Ziel der KOALA-Studie war es deshalb, herauszufinden, inwiefern Jugendliche, die an Anorexia nervosa erkrankt sind, sich in der Wahrnehmung und Verarbeitung bestimmter Informationen von Mädchen, die nicht an einer Anorexia nervosa erkrankt sind, unterscheiden. Da bekannt ist, dass viele Jugendliche mit Depressionen und Angststörungen auch Veränderungen in der Wahrnehmung und Verarbeitung bestimmter Informationen zeigen, wurde auch untersucht, inwieweit die Veränderungen bei Jugendlichen mit Anorexia nervosa ähnlich sind wie bei Jugendlichen, die an einer Depression oder Angststörung erkrankt sind, und inwieweit sie spezifisch bei Anorexia nervosa auftreten.
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Insgesamt konnten 114 Mädchen im Alter von 12-18 Jahren in die Studie eingeschlossen werden: 40 Mädchen mit Anorexia nervosa, 34 Mädchen mit einer Depression oder Angststörung und 40 Mädchen ohne psychische Erkrankung. Die Teilnehmerinnen bearbeiteten Aufgaben am Computer, mit deren Hilfe Verzerrungen in der Informationsverarbeitung auf verschiedenen Ebenen erfasst wurden.
Die Ergebnisse zeigten, dass sowohl Jugendliche mit Anorexia nervosa als auch jene mit einer Depression oder Angststörung im Vergleich zu Jugendlichen ohne psychische Erkrankung mehrdeutige Informationen negativer interpretierten. Zudem erinnerten sie sich an negative Informationen besser als an positive. Das heißt, sie zeigten kognitive Bias in der Interpretation von und dem Gedächtnis für bestimmte Informationen.
Abbildung: Ergebnisse für Interpretations-Bias (IB) sowie Gedächtnis-Bias (MB) für die 3 Gruppen: AN = Jugendliche mit Anorexia nervosa, CC = klinische Kontrollgruppe, also Jugendliche mit Depression und/oder Angststörungen, HC = gesunde Kontrollgruppe, also Jugendliche ohne psychische Erkrankungen. Die Werte stellen negative Bias dar, je höher der Wert desto ausgeprägter der negative Bias. Links sind Bias für essstörungsbezogene Informationen dargestellt, rechts Bias für nicht-essstörungsbezogene Informationen. Es zeigten sich für alle erfassten Bias signifikante Gruppenunterschiede (*** p < .001) zwischen den beiden klinischen Gruppen (AN und CC) und der gesunden Kontrollgruppe (HC).
Die negativen Verzerrungen waren bei Jugendlichen mit Anorexia nervosa und Jugendlichen mit einer Depression oder Angststörung ähnlich stark ausgeprägt, was darauf hindeutet, dass solche Verzerrungen transdiagnostische Phänomene sind – also nicht nur mit den Symptomen einer bestimmten psychischen Erkrankung zusammenhängen, sondern auch mit allgemeinen Faktoren wie Unzufriedenheit mit dem eigenen Körper und geringem Selbstwert.
Diese Erkenntnisse helfen uns, die Erkrankung Anorexia nervosa besser zu verstehen und neue Therapieansätze zu entwickeln. Trainings, die darauf abzielen, negative Verzerrung in der Wahrnehmung und Verarbeitung von Informationen zu verändern, könnten zur Optimierung bestehender Therapieangebote beitragen.
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Studienleiterin
Dr. Anca SfärleaDiplom-Psychologin089 4400 56913FWuygsRwgipäigvim-ful+vfiuyziuemiMitarbeiter/-innen
Linda LukasM.Sc. Psychologie, DoktorandinVlumgJtVfnogcSvimn-fulGvfiuyziuemiLaura NudingPsychologin M.Sc. Wissenschaftliche Mitarbeiterin089 4400 56962YVgfpgeTfmluxvim ful_vfiuyziusmi -
o Lukas, L., Nuding, L., Schulte‐Körne, G., Platt, B., & Sfärlea, A. (2024). Seeing oneself as an unattractive loser: Similar interpretation and memory biases in adolescents with anorexia nervosa and adolescents with depression or anxiety. European Eating Disorders Review, 32, 855-868.
https://onlinelibrary.wiley.com/doi/pdfdirect/10.1002/erv.3095
o Sfärlea, A., Lukas, L., Schulte-Körne, G., & Platt, B. (2021). The KOALA-study: study protocol for a comprehensive study of cognitive biases in adolescent anorexia nervosa patients compared to healthy and clinical controls. Journal of Eating Disorders, 9: 139
https://link.springer.com/content/pdf/10.1186/s40337-021-00494-6.pdf
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Gefördert von der Friedrich-Baur-Stiftung (Reg.-No. 60/20)