Kürettage und Auffüllung
Kürettagen und Auffüllungen zählen zu den häufigsten Eingriffen, vor allem bei gutartigen Knochentumoren. Entsteht durch einen gutartigen Knochentumor ein Knochendefekt, so kann es ausreichen, diesen lediglich zu kürettieren, d.h. mit scharfen Instrumenten den Tumor aus dem gesunden Knochen "auszukratzen". Ein sogenanntes "intraläsionales" Vorgehen. Aggressive gutartige Tumoren haben dann allerdings bei einer solch "einfachen" Kürettage ein hohes Rezidivrisiko. In der Regel wird der Knochendefekt deshalb zusätzlich noch ausgefräst, idealerweise mit einer Hochgeschwindigkeitsfräse, die einen "Zahnarztbohrer" nicht unähnlich ist. Man kann sich das tatsächlich wie die Behandlung eines kariösen Zahnes, nur in größerer Dimension, vorstellen. Zusätzlich können bei bestimmten Tumoren auch Adjuvantien, wie Alkohol, große Kälte (z.B. flüssiger Stickstoff), Hitze (Koagulation), Phenol (Karbolsäure) etc. aufgebracht werden, die je nach Verfahren, noch einmal eine dünne Schicht Knochen mit daran anhaftenden Tumorzellen sterilisieren. Vorteil der Kürettage, die manchmal ja auch bei Knochenmetastasen (ergänzt z.B. durch eine Strahlentherapie) durchgeführt wird, ist eine Schonung des Knochens und des eventl. in der Nähe befindlichen Gelenkes selbst, da nur das absolut Notwendige, ohne weiten Sicherheitsabstand, entfernt wird.
In Abhängigkeit zur Defektgröße muß oder sollte dann eine Auffüllung mit Knochen, Knochenersatzmaterial oder Kunststoff (Knochenzement) erfolgen. Es gibt Kliniken, die auch große Defekt nicht auffüllen. Diese heilen dann "von Innen" heraus, haben aber bis zur Ausheilung ein erhebliches Bruchrisiko, was gerade nahe eines Gelenkes sehr unangenehm werden kann. Kleine Defekte (oder solche an nicht belasteten Arealen) benötigen keine Auffüllung.
Zur Auffüllung exisitieren eine Vielzahl von Optionen. Die naturgemäß qualitativ beste ist der eigene Knochen, der aber nicht in beliebiger Menge (z.B. aus dem Becken oder den Knochemarkräumen langer Röhrenknochen) gewonnen werden kann. Eine solche Knochenentnahme ist immer eine Zusatzoperation, zwar klein, aber mit möglichen Problemen, sei es auch "nur" ein Hautschnitt oder Schmerzen. Entsprechend wird oft Spenderknochen z.B. aus bei Arthrosepatienten gespendeten Hüftköpfe, der sterilisiert wurde, eingesetzt. Auch Spenderknochen der komplett von jeglichen humanen Gewebe befreit und letztlich dann nur noch der reinen mineralischen Grundsubstanz entspricht, ist ein klassischer Ersatzstoff. Künstlicher Knochen existiert in einer Vielzahl von Produkten und Aufbereitungen und wird ebenfalls sehr häufig verwandt. Allen gemeinsam ist das etwas schlechtere, langsamere, Einwachs- und Umbauverhalten an der Defektstelle (und der Preis!), Vorteil die Vermeidung eines Zusatzeingriffes.
In vielen Fällen erfolgt die Auffüllung des Defektes mit Knochenzement (Polymethylmetacrylat), im Grunde genommen die gleiche Substanz wie Plexiglas. Der aus zwei Komponenten, einen Pulver und einer Flüssigkeit angerührte Knochenzement erlaubt theoretisch die Zumischung von Substanzen wie z.B. Chemotherapeutika, wird bei der Abhärtung (Polymerisation) bis zu 70°-90° C warm und wirkt deshalb zusätzlich noch einmal sterilisierend auf die Knochengrenzfläche. Dieser Umstand macht seinen Einsatz gerade auch bei aggressiven Knochentumoren sehr attraktiv. Er ist sofort voll belastbar, bleibt aber für immer in seiner Ursprungsform ohne Um- oder Einbau erhalten. Dies kann an Gelenken, bei denen später z.B. eine Endoprothese eingebaut werden soll, nachteilig sein. Es gab und gibt Diskussionen, ob der Einsatz von Knochenzement direkt unter einer Gelenkfläche ("subchondral" ) nicht langfristig aufgrund der Wärme bei der Abhärtung und seiner Steifigkeit zu einer verfrühten Arthrose führt, die aktuelle Literatur ist hier jedoch eher optimistisch. Trotzdem gibt es Kliniken, die entweder bei direkter Lage des Zementes am Gelenk eine dünne Schicht Knochen zwischen Zement und Gelenkfläche legen oder den Zement nach einigen Jahren, nachdem der Tumor als "ausgeheilt" gilt, entfernen und den Defekt dann mit Knochen oder biologischen Knochenersatzmaterial auffüllen.
Zusätzlich zu Kürettagen und Knochenauffüllungen können natürlich stabilisierende Osteosynthesen oder die Implantation von kräftigen kortikalen Transplantaten (Wadenbein) erfolgen.
Typische Beispiele bei denen Kürettagen und Auffüllungen vorgenommen werden können:
Beispiel für ein synthetisches, osteokonduktives, poröses Knochenersatzmaterial auf Kalziumphosphat-Basis. Partikelgröße 2-4 mm.
61-jähriger Patient, pathologische Fraktur Oberarm (prox. Humerus) bei Riesenzelltumor. Kürettage, Turbofräsung, Phenolisation und Auffüllung mit Knochenersatzmaterial. Guter Durchbau, Situation 4 Jahre nach der OP.
45-jähriger Patient mit Riesenzelltumor des distalen Femurs. Kürettage, Turbofräsung, Phenolisation und Knochenzementauffüllung. Bild 6 Jahre post-OP. Keine Probleme.
24-Jahre alter Patient mit einem Riesenzelltumor des Hüftkopfes. Kürettage, Turbofräsung, Phenolisation und Auffüllung mit devitalisierter humaner Spongiosa in Mischung mit eigenem Knochen. Bereits nach 6 Monaten schöner Ein- und Umbau.
49-Jahre alte Patientin mit einem Multiplen Myelom. Große Osteolyse im linken Becken. Primär Strahlentherapie, darunter schon gute Sklerosierung der Läsionsränder. Kürettage und Auffüllung mit Knochenzement. MRT 2 Jahre post-OP zeigt eine gute Integration des Knochenzementes ohne lokales Tumorrezidiv.
66-jähriger Patient. Große Osteolyse bei metastasierenden Karzinom. Verbundosteosynthese. 2 Jahre postoperativ lokal rezidivfrei bei zusätzlicher adjuvanter Bestrahlung.